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Kultur

„Das Spiel gehört zum Leben“

Mittwoch, 21. Dezember 2011 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Regisseur Marcus H. Rosenmüller verbuchte gleich mit seinem ersten Kinofilm, der aberwitzigen Komödie „Wer früher stirbt, ist länger tot“, einen großen Publikumserfolg. Mit weiteren Produktionen wie „Schwere Jungs“, „Die Perlmutterfarbe“ oder „Sommer in Orange“ tummelte sich der 38jährige Bayer in den unterschiedlichsten Genres und verstand es dennoch, jedem dieser Filme seinen ganz eigenen Rosenmüller-Stempel aufzudrücken. In „Sommer der Gaukler“ erzählt Rosenmüller eine Episode aus dem Leben des Autors, Regisseurs und Schauspielers Emanuel Schikaneder (1751 bis 1812), der mit seiner Theatertruppe auf dem Weg nach Salzburg in einem bayrischen Dorf hängen bleibt. An der Seite von Lisa Marie Potthoff und Nicholas Ofczarek spielt Max von Thun in der turbulenten Komödie den Emanuel Schikaneder.

 

Meine Südstadt:

Herr Rosenmüller, haben sie nicht mal Lust, einen Film in einer norddeutschen Großstadt, am Meer oder gar im Ausland zu drehen? Bislang spielten all ihre Kinofilme in Ihrer bayrischen Heimat.
MR: Kein Problem. Haben Sie eine gute Geschichte für mich? Ich hab noch keine angeboten bekommen, auf die ich Lust hätte. Solange mir zu Bayern die besten Stoffe einfallen, dreh´ ich halt da.
 
Also verbirgt sich hinter der Heimattreue keine Grundsatzentscheidung?
MR: Nein, absolut nicht.
 
Aber jetzt haben sie sich in der Erzählung immerhin bis an die österreichische Grenze vorgewagt. Wo wurde das Dorf, in dem die Theaterleute unfreiwillig stranden, denn gedreht. Slowakei, Kaukasus…?
MR: Nix, da. Wir haben in Bayern gedreht!
 
Da gibt´s noch Dörfer, die aussehen wie vor 300 Jahren?
MR: Schon. Aber nur als Museumsdorf im Bayrischen Wald, das wir für unsere Zwecke ein wenig umgebaut haben. Die Szenen im Theater wurden allerdings in Tschechien gedreht. In jenem Theater, das schon Milos Forman für „Amadeus“ genutzt hat.
 
Wie sind sie denn an den „Gaukler“-Stoff gekommen?
MR: Das Projekt ist eher an mich gekommen, bzw. durch Produzent Hans W. Geißendörfer an mich herangetragen worden. Das Buch war in einer Rohfassung bereits fertig. Dieser wilde Typ Schikaneder hat mich spontan begeistert und die Verzahnung von Theater und Leben hat mich schon immer interessiert. Das Leben ist ein Theaterspiel und zugleich ist das Theater ist mein Leben.
 
Bei aller Komik gibt es im Film zwischendurch ja immer wieder ernsthafte Debatten zum Kunst und Wirklichkeit.
MR: Natürlich ernsthaft. Sonst macht das Ganze ja gar keinen Sinn. Aber das muss im Kino natürlich mit einer –in diesem Fall- barocken Fabulierlust verbunden sein. Die Zuschauer wollen schließlich unterhalten werden.
 
Max von Thun, wie haben sie sich als Darsteller denn mit diesem exzentrischen Typ Schikaneder angefreundet?
M.v.Th.: Wie man das als Schauspieler so macht. Natürlich habe ich mir vor dem Dreh sämtliche Lektüre über Schikaneder eingepfiffen, bei der allerdings mehr seine Zeit in Salzburg im Vordergrund steht. Auf der anderen Seite muss ich schon sagen, dass dieses exzessive Theaterleben, das er geführt hat, nicht meins ist. Aber dieser Charakter eines schlitzohrigen Stehaufmännchens, das trotz aller Rückschläge immer weiter gemacht hat, das imponiert mir ungeheuer.

Wie kam es zu den unvermittelten Gesangseinlagen im Film? Beispielsweise zum Chor der Bergarbeiter mitten im Wald?
MR: Die Idee entstand bei der ersten Probe, vier Wochen vor Drehbeginn.
 
Und die zweite mit Schikaneder als Troubadour? War da Alkohol im Spiel?
MR: Durchaus. Die haben wir irgendwann abends nach Drehschluss gemeinsam beim Bier ausgeheckt. Max meinte, so eine einzelne Gesangseinlage sei doch seltsam, und warum der Schikaneder nicht auch was singen dürfe. Das war´s dann.
 
Die Filmkritik tut sich ja schwer mit diesem Genremix…
MR: Das macht nix. Aber so was von nix.
 
Seit „Wer früher stirbt, ist länger tot“ gelten sie als der Erneuerer des deutschen Heimatfilms. Wie findet sie das Eitikett?
MR: Damit kann ich leben. Ich hatte zwar nie Ambitionen in diese Richtung, aber es ist klar, dass es in dem Geschäft Schubladen braucht. Aber mich interessieren andere Themen als „Heimat“.
 
Welche?
MR: Beispielsweise die Frage, wann und wie oft im Leben wir eine Rolle spielen. Jetzt in unserem Gespräch-Talk können wir kaum entscheiden, wo wir spielen oder wo wir authentisch sind. Das zieht sich durch, das ist das Leben. Nichts anderes ist für mich Religion. Eine Art überlebensnotwendiges Theaterspiel.
 
Aber das funktioniert doch nur, solange man nicht weiß, dass man spielt…
MR: Das ist halt die Frage. Es hängt davon ab, ob man das Spiel als etwas Negatives oder als etwas zum Leben Dazugehöriges sieht.
 
Sie legen ja eine Produktivität wie einst Fassbinder an den Tag und arbeiten hinter der Kamera fast immer mit denselben Menschen zusammen. Wie wichtig ist der Teamgeist?
MR: Ich bin ich kein Workoholic. Ich mache nur, was mir Spaß macht. Aber wenn man ziemlich viel dreht, ist es mir wichtig, vertraute Leute, Freunde um mich zu haben. Das macht die endlosen Diskussionen überflüssig, die sonst viel Energie kosten. Überhaupt bin ich kein Einzelgänger, der sich daheim am Schreibtisch was ausdenkt und damit hinaus in die Welt geht. Vor Drehbeginn gibt es zwar ein Buch, aber das ist nicht in Stein gemeißelt, sondern ich bin bei der Arbeit für spontane Ideen ziemlich offen.
 
Ist diese Offenheit für einen Schauspieler ein Glück oder nicht doch eher nervig?
MvTh: Wenn ein Regisseur überhaupt keinen Plan hat, ist das sicher anstrengend. Aber Markus weiß sehr genau, was er will und lässt dem Geschehen dann auf dieser Grundlage seinen kreativen Lauf. Diese Offenheit finde ich großartig.
 
Von Kevin Costner bis Axel Prahl gibt es derzeit ja kaum noch Darsteller, die die Welt nicht auch mit ihren Sangeskünsten beglücken. Wie sieht das bei ihnen aus? Sehen Sie sich als musizierenden Schauspieler oder schauspielernden Musiker?
MvTh: Keine Ahnung. Ist mir aber auch egal. Ich kann nur soviel sagen, dass ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr Musik mache und mit der Schauspielerei mit 20 angefangen habe. Und von meinen Filmen kann ich leben, von meiner Musik (noch) nicht.
 
Ihre Debut CD trug den Titel „Best of“. Wie heißt die zweite? „The Very Best of“?
MvTh: Wäre nahe liegend. Aber wie sollte dann die dritte heißen?

 

„Sommer der Gaukler“ ist ab 22.12.2011 im Odeon zu sehen

Text: Reinhard Lüke

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