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Umwelt

„Dem Rhein geht es zunehmend schlechter“

Mittwoch, 8. August 2018 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Hitze drückt. 35 Grad, 36 Grad, keine Seltenheit. Seit Wochen. Die Folgen für die Umwelt: Das Gras ist strohgelb, viele Bäume werfen Laub ab. Und: Im Rhein ist wenig Wasser, und das wird immer wärmer. An der Messstelle in Bad Honnef lag der Wert schon über 28 Grad. Wie geht es dem Fluss in der Dauerhitze? Zunehmend schlechter“, sagt Dirk Jansen. Er ist Geschäftsleiter beim BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen. Ich erreiche ihn am Telefon, und seine Bilanz ist eindeutig: Die Hitze mag zwar nur ein Wetter sein, aber der Klimawandel ist da. Zwar gibt es in NRW noch kein Fischsterben im Rhein, dafür aber in kleineren Gewässern, vor allem in Teichen. Und das wärmere Wasser hat Folgen. Auch im Rhein. Dirk Jansen: „Das ist für die ganze Lebensgemeinschaft gefährlich. Dazu gehören auch Krebs- und Muscheltierchen, die Wasserflöhe – ebenso wie die Tiere am Ende der Nahrungskette: die Fische.“

Welche Fische?
„Im Rhein sind wieder mehr als 40 Arten heimisch. Die Wasserqualität ist nach den düsteren Siebziger und Achtziger Jahren und auch nach der Sandoz-Katastrophe (1986 Anm. d. Red.) deutlich besser geworden. Aber auf die höhere Wassertemperatur reagieren die Fische unterschiedlich.“

Nennen Sie mal ein Beispiel.
„Die Äsche hat jetzt schon Probleme, das sehen wir an Meldungen vom Oberrhein bis in die Schweiz. Die Äsche ist sehr temperaturempfindlich und in kälteren, sauerstoffreichen Fließgewässern zu Hause. Sie bekommt ab 23 Grad Probleme. Oder Lachs und Maifisch: Beides sind Wanderfischarten, die mit Millionen von Steuergeldern wieder angesiedelt wurden. Für die wird es ab 28 Grad zunehmend kritisch, weil dann auch die Wanderungsbewegungen gestört werden.“

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Warum hat das mit der Temperatur zu tun? Schwimmen die dann nicht mehr so gerne oder langsamer?
„Lachs und Maifisch bevorzugen kältere Gewässer. Auf ihrer Wanderung in die Nebenflüsse, wo sie laichen, suchen sie jetzt Bereiche im Rhein auf, die noch kühler sind. Das heißt: Die Wanderungen werden unterbrochen, vielleicht sogar ganz gestoppt. Dann erreichen die Fische nicht mehr ihre Laichgewässer, und das hat in der Zukunft Auswirkungen auf die Gesamtpopulation. Oder der Aal: bei der Hitze von 2003 kam es zu einem massiven Aalsterben im Rhein, weil Aale ab Temperaturen von 28, 29 Grad anfällig sind für bestimmte Krankheiten. Auf dieses Szenario laufen wir jetzt zu. Gerade in der nordrhein-westfälischen Rheinstrecke steigt die Temperatur, und in der Messstelle in Bad Honnef wurde die kritische Schwelle von 28 Grad Celsius schon wiederholt überschritten.“

Warum sind diese 28 Grad so kritisch?
„Das ist definiert in der Oberflächengewässerverordnung. Das ist nach bisherigem Kenntnisstand das kritische Niveau, wo es für das gesamte Ökosystem problematisch wird. Deswegen hat man auch in den emissionschutzrechtlichen Genehmigungen festgelegt: Wenn das überschritten wird, sollten keine Kühlwasser-Einleitungen mehr erfolgen, die die Wassertemperatur weiter steigen lassen.“
Rhein Hitzewelle

Wer leitet denn Kühlwasser ein? Klassischerweise fallen mir Kernkraftwerke ein.
„Klar. In Nordrhein-Westfalen haben wir ja keine Kernkraftwerke mehr in Betrieb. Am Mittel- und Oberrhein sieht das anders aus, da ist das AKW Philippsburg schon gedrosselt worden. Hier in der NRW-Rheinstrecke geht es um Chemiebetriebe wie die Degussa-AG in Lülsdorf, die DEA-Raffinerie in Wesseling, aber auch die Kraftwerke der Rheinenergie in Köln oder der Chempark in Leverkusen. Das sind die großen Wärme-Einleiter, die Kühlwasser brauchen und nach der Aufheizung in ihren Prozessen wieder dem Fluss zuleiten.“

Stoßen Sie da auf offene Ohren bei den Konzernen?
„Ich habe eher den Verdacht: Anstatt dass die Bezirksregierungen die Drosselung der Kühlwassereinleitung veranlassen und überwachen, dass Ausnahmegenehmigungen erteilt werden: So hat offenbar der Chempark in Leverkusen eine solche Genehmigung. Das heißt, die dürfen weiter einleiten. Das ist überhaupt nicht im Sinne des Erfinders. Die Vorgaben sind ja zum Schutz der Lebensgemeinschaft gemacht worden und nicht zum Schutz der Industrie. Insofern fordern wir die Behörden auf, endlich stringent zu handeln anstatt die Sache nur zu kommentieren und vor Fischsterben zu warnen, wie es das Umweltministerium unlängst getan hat.“

Haben wir denn ein Fischsterben?
„Für die Schweiz und für Teile von Baden-Württemberg ist den Medien zu entnehmen, dass es Funde von toten Fischen in größerem Ausmaß gab. Für den Rheinabschnitt in NRW ist das noch nicht bekannt und dokumentiert. Anders sieht es aus in den kleinen Nebengewässern und den kleinen Seen: Die haben als abflusslose Gewässer viel stärker unter der Sauerstoffzehrung zu leiden. Es kommt also landauf und landab in NRW schon zu Fischsterben, gerade in kleinen Teichen und Seen.“

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Ist das der Klimawandel?
„Was wir im Moment erleben, ist Wetter. Das darf nicht mit Klima verwechselt werden. Es zeichnen sich aber Trends ab. Grundsätzlich wird es wärmer, wir haben in Deutschland eine Erhöhung um 1,4 Grad Celsius gegenüber dem langjährigen Mittel. Die Sommer werden heißer und trockener und die Winterhalbjahre wärmer, mit höheren Niederschlägen. Der Klimawandel ist schon da. Das ist die Krux. Deutschland ist kein Musterland mehr in Sachen Klimaschutz. So sollen noch immer – auch in der Nähe von Köln, in Bergheim-Niederaußem – neue Kohlekraftwerke genehmigt werden. Das sind genau die Klimakiller, die unseren Klimawandel anheizen. Was wir brauchen, ist ein Kohleausstieg, um die selbstgesteckten Ziele wenigstens ansatzweise zu erreichen.“

Können die Bürger, können die Kölner etwas tun?
„Auf jeden Fall sollte man, wenn man einen Teich in der Nähe hat, ein gutes Auge drauf werfen. Gibt es Anzeichen für ein Fischsterben? Denn dann kam man noch Gegenmaßnahmen erreichen, zum Beispiel durch Umwälzpumpen, die das Wasser belüften, damit der Sauerstoffgehalt ansteigt. Im Notfall kann man auch Fische umsetzen, aber nur dann, wenn sie in einen Lebensraum kommen, der nicht ebenfalls vor dem Exitus steht. Und wir appellieren an jeden Kölner Bürger, sich einen Ökostromanbieter zu suchen und wegzukommen von fossilen Energieträgern. Das ist nicht relevant für die akute Situation, aber es ist wichtig für den vorsorgenden Klimaschutz.“

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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