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Gesellschaft Kultur

Den Hass weglachen

Freitag, 7. November 2014 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Ich habe nichts gegen Muslime, aber man darf eines nicht vergessen – Muslime bringen nur Unheil über die Welt.“ Eine der noch nahezu zurückhaltenden Diagnosen, die Autoren in Form von Leserbriefen zugesandt werden. Doch es werden auch deftigere Bezeichnungen an diesem Abend zitiert, von „muselmanischer Fresse“ ist die Rede und Bezeichnungen fallen, wie „bepimmelter Kackmuslim“, „dumme Sau“, „Arschfickerin“, „Türkentrulla“ und „Ungeziefer“.
Derlei Briefe zu erhalten, ist alle andere als lustig. Dennoch haben sich eine Reihe von Journalisten entschieden, damit nicht allein bleiben zu wollen, sondern die Briefe öffentlich vorzutragen, um damit nicht nur das Ausmaß der rassistischen Äußerungen zu zeigen. Sie wollen sondern auch die Schreiben in ihrer Absurdität vorzuführen und gemeinsam mit dem Publikum den Rassismus „weglachen“.

‚Hate Poetry‘ heißt die Veranstaltung, die gestern im Alten Pfandhaus stattfand und bei der drei Journalisten, die für die ‚ZEIT‘, den ‚Spiegel‘ und andere Medien arbeiten, eine Auswahl an Leserbriefen vortrugen. Was sie außer ihrem Beruf noch verbindet, sind Namen, denen man ihre migrantischen Wurzeln anmerkt. Jeder Autor bekommt Leserbriefe, mitunter auch recht unschöne, doch fallen die Hemmungen, beleidigend zu werden, Menschen mit ausländisch klingenden Namen gegenüber noch immer schockierend schnell. Die in Deutschland geborenen Autoren sind alle gestandene Publizisten, die für namhafte Medien arbeiten und sich durch ihr Wissen und ihre Ausdrucksfähigkeit zu ihren Berufen qualifiziert haben. Dennoch müssen sie sich Fragen gefallen lassen, ob sie eigentlich überhaupt Deutsch könnten, ihre Texte selbst schreiben würden, in welcher Sprache diese ursprünglich verfasst seien, oder ihnen wird gönnerhaft bescheinigt, sie sprächen aber gut Deutsch.
Die Spannbreite der Leserbrief-Autoren reicht dabei von Lesern, die keinen Hehl daraus machen, politisch rechts zu stehen, bis zu solchen, die behaupten, sich „Mitte links“ zu sehen.

 

Özlem Topçu (ZEIT), Spiegel-Online-Korrespondent Hasnain Kazim, die freie Publizistin Mely Kiyak und taz-Redakteurin Doris Akrap (v.l.)

Die der Briefe von platten Beleidigungen, bis zu ausgefeilten Pamphleten „autochthonischer Bürger“, also Ureingessener, wie sich ein Schreiber selbst bezeichnete. In einigen Briefen wird noch auf den Inhalt des Artikels Bezug genommen, in anderen, vielen anderen wird den Journalisten nur noch empfohlen, Deutschland endlich den Rücken zu kehren, wird doch die Zahl der hier lebenden ‚Ausländer‘ als Grund für schwindende Heimatliebe gesehen – oder gleich als Ursache dafür, dass es mit diesem Land bergab gehe. Und viele lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ein Leser schrieb Kazim, er werde sich auf andere Zeiten gefasst machen müssen und er freue sich darauf, Kazim als „Rauch im Schornstein aufsteigen zu sehen“.

Über Mangel an Material müssen die Autoren auch nicht klagen – ihre Email-Postfächer und Briefkästen werden geflutet von Beleidigungen, Belehrungen und Drohungen. Forenbeiträge bleiben dabei noch außen vor, denn schon die persönlich zugeteilte Post reicht ist kaum zu überblicken. Und die Anonymität des Internets lässt die Hemmschwellen zu Beleidigungen zusätzlich sinken. Doch auch seitenweise mit Füller handgeschriebene Briefe erreichen die Publizisten. Die Energie, mit der die Ablehnung geäußert wird, ist groß und vielfältig. Das zu verarbeiten, ist nicht immer einfach, und gerade daher entstand die Überlegung, lieber mit anderen darüber zu lachen, anstatt die Hassbriefe als solche stehen zu lassen. ‚Hate Poetry‘ entstand aus diesem Gedanken vor zwei Jahren. Nicht als Eigentherapie, sondern als einzig angemessene Form, mit derart absurdem Unsinn umzugehen, ihn in seiner Lächerlichkeit zu zeigen und gemeinsam darüber zu lachen, auch wenn das Ausmaß an Hass und Rassismus traurig ist.

Die Idee dazu hatte Ebru Ta?demir, Autorin der Tageszeitung ‚taz‘. Kollegen, die sich beteiligen wollten, waren schnell gefunden, und ebenso die Form, in der man vortragen wollte. Bei der Lesung im Pfandhaus dekorierten ZEIT-Redakteurin Özlem Topçu, Spiegel-Online-Korrespondent Hasnain Kazim, die freie Publizistin Mely Kiyak und taz-Redakteurin Doris Akrap, die die Veranstaltung moderierte, den Raum zunächst mit allerlei Klimbim, der nationalistische Klischees ironisierte, atmosphärisch passend um.

Dann wurden die Leserbriefe in verschiedenen Kategorien geordnet vorgetragen: „Sehr geehrte Frau Fotze, lieber Herr Arschloch“ war die erste Kategorie, „Abokündigungen“ die zweite. Nach der Pause und einer spontanen Zwangsverheiratung zweier Publikumsgäste folgte „Große Oper“ und am Schluss wurden unter der Überschrift „Kurz und schmutzig“ im Wechsel an Beleidigungen aus Emails und Briefen zitiert. Das Publikum stimmte  mithilfe des in Doris Akrap verkörperten Applausometer am Ende der drei ersten Teile darüber ab, wer den besten Hassbrief der jeweiligen Kategorie vorgetragen hatte, in der dritten gewann der Autor, dem als letztes die an ihn gerichteten Beleidigungen ausgingen.

Das Konzept, gemeinsam mit den Zuhörern über alle diese Abscheulichkeiten lachen zu können, ging auf – erneut. Ursprünglich war ‚Hate Poetry‘ als einmalige Veranstaltung gedacht, doch sie kam so gut an, dass sich weitere Journalisten hinzugesellten, die mitmachen wollten und die Leser auf Tour gingen.
Und Material gibt es mehr als genug – leider.
 

 

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