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Neuigkeiten

Der Affe in der Küche

Montag, 18. März 2013 | Text: Jasmin Klein | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Vor acht Jahren lebte John Campana im sonnigen Los Angeles und arbeitete als Requisiteur für verschiedene Hollywood-Produktionen wie „Catch me if you can“ mit Leonardo DiCaprio. Heute steht er in meiner Küche, während draußen der Schnee stöbert, und bereitet mir eine vegane Lasagne zu. Was ist passiert?

2005 regierte Bush in den USA. John stand kurz vor seinem 30. Geburtstag und hatte keine Lust mehr auf sein Leben in den Vereinigten Staaten. Er wollte raus. Seine Mutter stammte aus der Nähe von Frankfurt, also zog es ihn nach Deutschland. Doch die Arbeitssituation für ihn war in Deutschland nicht so rosig wie erhofft, und so verbrachte er viel Zeit vor dem Computer und schaute sich Koch-Shows im Internet an. Ganz besonders hatte es ihm die australische Kochsendung „Masterchef Australia“ angetan, da er selbst schon seit Jahren gerne kochte. In dieser Sendung zeigen normale Menschen, die glauben, dass sie gut kochen können, was sie drauf haben. Er verfolgte die Sendung bis zum Finale am 27. April 2010. Im Anschluss googelte er, ob es nicht eine vergleichbare Sendung in Deutschland gibt.

 

Und Campana, der an Schicksal und nicht an Zufälle glaubt, fand heraus, das am folgenden Tag, dem 28. April 2010, das Casting zur deutschen Sendung „Deutschlands Meisterkoch“ in Hürth beginnen sollte. Er bewarb sich, und dann ging alles ganz schnell. 1.600 Mitbewerber, er kochte sich Runde um Runde bis ins Finale und – verlor. Aber er gewann einen neuen Lebensabschnitt: Ab sofort war John Koch! John reißt den Beutel „Soja-Schnitzel“ auf, die ich bei dm besorgt habe, und gießt heiße Gemüsebrühe drauf. Das muss jetzt erstmal stehen, damit es sich vollsaugt.

Am Tag nach dem Finale rief ihn der Chef des Dinnerclub in der Alteburger Straße an, er wolle ihn als Koch. Zunächst noch unsicher, begann John, als Koch zu arbeiten, obwohl er keine Ausbildung hatte. Aber das Vertrauen des Chefs und das der Gäste gaben ihm Selbstvertrauen, diesen neuen Weg weiterzugehen. Es folgten weitere Stationen in der Kölner Gastronomie – und eines Tages wurde er zum Vegetarier. Wie das?

John tackert mit dem Küchenmesser auf dem Holzbrett. Auberginen, Champignons, Karotte, Zucchini, Paprika, alles wird klein getackert, tack, tack, tack. „Das hat mir mein Körper gesagt. Mir wurde immer häufiger unwohl, nachdem ich Fleisch gegessen habe. Ich hörte auf, Fleisch zu essen, und von da an war mir klar: Ich möchte als Koch mehr für Vegetarier machen. Dann flog ich nach Berlin, die deutsche Hauptstadt der Vegetarier und Veganer, um dort die fleischlose Küche zu erkunden, und ich ernährte mich eine Woche lang rein vegan. Das hat mir so gut gefallen, dass ich das Flugzeug nach Köln als Veganer betrat.“

Es fiel ihm zusehends schwer, im Restaurant Fleisch zuzubereiten. „Mir war plötzlich bewusst, dass ich einen Körperteil in der Hand halte. Da ich in mein Kochen viel Liebe und eigene Energie reinstecke, erschien es mir absurd, die in ein totes Stück Fleisch zu stecken.“ So gründete er letzten Frühling sein eigenes Unternehmen „Monkey in the kitchen“. Seitdem kocht er für kleine und große Events, veranstaltet Luxus Drei-Gänge-Menüs für Privatpersonen, verköstigt dm-Manager bei deren Nachhaltigkeitsseminar oder sorgt bei Yoga-Festivals für veganes Essen. Achso, und im „Signor Verde“ am Bahnhof Süd ist er Küchenchef.

„Ich möchte gerne jedem den Zugang zum Veganismus ermöglichen. Man muss nicht viel Geld haben, um vegan zu essen. In jedem Supermarkt gibt es viele vegane Produkte. Man muss nur die Etiketten lesen. Und für die Specials gehe ich zu „Goldene Zeiten„. Auch die Asia- und indischen Supermärkte haben viele, interessante Produkte. Die sind oft nur nicht extra vegan deklariert. Tipp: Kala Namak ist ein schwarzes, ayurvedisches Schwefelsalz und schmeckt nach gekochten Eiern. Das kann man für Quiche benutzen und alles, was nach Ei schmecken soll. Im Internet gibt es das für 6 Euro, im indischen Supermarkt für nur 2 Euro. Und jedes türkische Restaurant hat Falafel. Es gibt in Köln mittlerweile vier, fünf rein vegane Restaurants, wo man gut essen kann. Aber auch viele, ganz kleine Läden, die einige vegane Gerichte anbieten.“

Nachdem das Gemüse klein geschnitten ist, stellt er einen großen Topf auf den Herd und gießt so viel Olivenöl ein, dass ich kurz irritiert bin und checke, ob es nicht doch Gemüsebrühe ist. Später lese ich im Rezept, dass es 100-150ml sind. Das Gemüse wird angebraten und mit Kräutern und passierten Tomaten angereichert, jetzt darf es köcheln. Bis hierhin unterscheidet sich nichts gravierend von der konventionellen Küche. „Ich war über Silvester vier Wochen in Los Angeles. Dort ist es mittlerweile einfacher, vegan essen zu gehen als ein Steakrestaurant zu finden. Als Restaurant muss man heutzutage alles vegan anbieten. Gefühlt jedes zweite Restaurant ist rein vegan. Aber dort arbeiten die kaum noch mit Soja, sondern sehr viel mit Rohkost. Das ist jetzt das Allerneuste.“

Für die Béchamelsauce kippt er Sojamilch, Gemüsebrühe und Sojasahne in einen kleinen Topf. Klar: Als Veganer ersetzt man für bekannte Gerichte einfach alles, was man sonst mit tierischen Produkten herstellen würde, durch vegane Produkte. Eine Mehlschwitze ist jetzt genauso tricky wie mit Butter und Sahne. Also wird gerührt, gerührt, gerührt, damit keine Klümpchen entstehen. Vermisst Du nicht manchmal Fleischgerichte?

„Ich vermisse kein einziges Fleischgericht. Das kann man alles nachmachen. Wenn ich Bock auf irgendwas Fleischartiges habe, mache ich es pflanzlich nach. Kürzlich gab es Rouladen mit brauner Soße, Klößen und Rotkohl. Und ich mache verdammt geile Schnitzel. Nur letzte Woche habe ich tatsächlich geträumt, dass ich den Pizzaservice anrufe und eine Pizza mit acht Käsesorten bestelle. Ich musste den Pizzaboten durch die Hintertür reinlassen. Die Pizza habe ich dann komplett aufgegessen.“

John lacht. Und das tut er die meiste Zeit. Unser Treffen hat mittlerweile fast schon eine freundschaftliche Anmutung. Besonders angenehm auch, dass man als Fleischesser nicht das Gefühl bekommt, dass man falsch lebt oder ein schlechter Mensch ist. Apropos: Hast Du noch „fleischfressende“ Freunde? „Die meisten meiner Freunde essen Fleisch. Drei sind allerdings in letzter Zeit vegan geworden, und ich bilde mir ein, das kommt durch mein Vorbild. Ich koche ja auch gerne für meine Freunde, und dadurch inspiriere ich sie vielleicht auch ein bisschen. Aber ich versuche nie, zu missionieren. Jeder Mensch hat den freien Willen, zu tun, was er will.

Jetzt wird es spannend: John macht den Hefeschmelz. Da es ja in der veganen Küche keinen Käse gibt, aber die Lasagne lecker überbacken sein soll, bereitet er mit Hefeflocken, Mehl, Margarine und Wasser eine cremige Substanz zu, die auf die Lasagne oben drauf gestrichen wird. Die Backform wird mit der „Gemüsebolognese“, in der die angebratenen Sojaschnitzel untergemischt sind, und Lasagneplatten gefüllt, und obendrauf kommt der Hefeschmelz. Ab in den Ofen damit. In 35 Minuten gibt es Essen! 

Nach einer halben Stunde kommt noch das Tüpfelchen aufs I: John nimmt eine Handvoll Nüsse, einige Zweige Rosmarin, Knoblauch und Salz und zerhackt sie in seinem Stabmixer, den er mitgebracht hat. Das kommt jetzt noch schnell auf die Lasagne obendrauf. Dann ist die Lasagne fertig. Sie sieht fantastisch aus und riecht wunderbar. John, Fotografin Barbara und ich setzen uns an den Tisch. Guten Appetit!

Als wir satt sind, brechen wir auf: Das Treffen hat viel länger gedauert, als wir geplant hatten. Ich glaube nicht, dass es unser letztes Treffen war. Was mich nur im Nachhinein nachdenklich stimmt: John sagte, dass sein Coming Out als schwuler Mann leichter war als sein Coming Out als Veganer. Was macht die Menschen bitte schön so zornig darüber, dass jemand entschieden hat, sein Leben ohne tierische Produkte zu verbringen? Sollten wir nicht froh sein über jeden, der Ideale und Ziele hat, der versucht, auf seine Weise die Welt ein bisschen besser zu machen? Und ein anderes Zitat schwirrt mir im Kopf: „Ich bin nicht besser als andere, weil ich vegan esse, aber ich fühle mich besser.“ Da kenne ich viele, die es auch verdient hätten, dass sie sich besser fühlen.

PS: John sucht eine Wohnung in der Südstadt.

PPS: Empfehlen möchte er für die Südstadt „Gea“ auf der Severinstraße 124  weges des veganen Eis, der veganen Kekse, Kuchen- und Kaffeespezialitäten.

Mehr über John Campana erfährt Ihr unter www.monkeyinthekitchen.de und www.facebook.com/MonkeyInTheKitchen. Er ist Mitglied bei Vegan Love Collective, die Events veranstalten und das eingenommene Geld dem Tierschutz spenden. Am 28. April nimmt er am „Vegan Bake Sale“ teil. Wer mehr über veganes Leben wissen möchte, findet im Internet jede Menge Informationen, z.B. www.vegane-gesellschaft.org

 

„Lasagne ohne Pferd“
von John Campana, Monkey in the Kitchen, März 2013
für 4-6 Portionen

Für die Gemüsebolognese:? 1 Packung Lasagne Platten (ohne Ei, ohne Vorkochen),
2-3 Knoblauchzehen, fein gehackt. ?1 große Gemüsezwiebel, gehackt. ?1 große Möhre, grob gewürfelt. ?250g Champignons, geviertelt. ?1 kleine-mittelgroße Aubergine, grob gewürfelt. ?1 kleine-mittelgroße Zucchini, grob gewürfelt. ?1 l passierte Tomaten?. 1 Dose Tomaten in Stücken. ?1 TK ital. Kräutermischung ?250g Sojagranulat?. etwas Gemüsebrühe?. Schuss Sojasoße (optional). ?ca. 100-150ml Olivenöl?. Salz und Pfeffer aus der Mühle.

Ofen auf 170° vorheizen. Das Sojagranulat mit kochendem Wasser und etwas Gemüsebrühe einweichen.? Ca. 100ml Olivenöl im mittelgroßen Topf erhitzen, Gemüse, Zwiebel und Knoblauch anbraten. Hitze reduzieren, Kräuter, passierte Tomaten und -stücke zugeben, gut umrühren und langsam köcheln lassen.?Eingeweichtes Sojagranulat abtropfen, Flüssigkeit kräftig ausdrücken. Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und das Sojagranulat scharf anbraten. Wer möchte, kann das scharf angebratene Sojagranulat mit einen Schuss Sojasoße ablöschen. Die Gemüse-Bolognese mit etwas Pfeffer und, wenn nötig, Salz abschmecken und beiseite stellen.

Für die Bechamelsoße: ?75g Mehl
75g vegane Margarine (z.B. Alsan). ?250ml Gemüsebrühe. ?250ml Sojadrink natur (am besten ohne Süßungsmittel). ?250ml Sojasahne. Etwas frisch geriebene Muskatnuss?. Salz und Pfeffer aus der Mühle

Die Butter in einem Topf unter mittlerer Hitze zum Schmelzen bringen. Mehl dazu geben und mit Schneebesen glatt rühren. Unter ständigem Rühren ca. 3-5 Minuten kochen, bis ein leicht nussiges Aroma entsteht. Die Mehlschwitze soll dabei hell bleiben und darf nicht braun werden. Die 750ml Flüssigkeit weiter unter ständigem Rühren auf einmal zur Mehlschwitze geben und glatt rühren. Tipp: Falls Klumpen entstehen, alles jetzt durch ein feinen Sieb passieren, bevor es zu dick wird, und stell es wieder auf die Hitze). Mit Salz, Pfeffer und etwas Muskatnuss abschmecken, ca. 5 Minuten weiter köcheln bis sie dick und cremig ist. Zur Seite stellen.

Für den Hefeschmelz:? 4 EL vegane Margarine (z.B.: Alsan o.ä.)?. 6 EL Mehl?. 250ml Wasser. ?8 EL Hefeflocken. ?1 EL mittelscharfer Senf. ?Etwas Salz und Pfeffer aus der Mühle.

Butter in einem Topf unter mittlerer Hitze zum Schmelzen bringen. Das Mehl dazu geben und glatt rühren. Das Wasser dazu geben, glatt rühren und ein paar Minuten kochen. Hitze reduzieren, Senf einrühren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Falls es zu dick- bzw. dünnflüssig wird, einfach mit etwas Wasser bzw. Hefeflocken korrigieren. Zur Seite stellen.

Lasagne bauen:? Etwas von der Tomatensoße in einer eckigen Backform ca. 2×2 Nudelplatten groß verteilen und die erste Reihe ungekochte Lasagneplatten darauf legen. Zunächst eine dünne Schicht Gemüse-Bolognese darauf verteilen. Etwas Bechamelsoße auf die Gemüse-Bolognese streichen und weitere 4 Nudelplatten auf die Bechamel legen. Diesen Vorgang wiederholen, bis die Form voll ist (in der Regel 3-4 Mal). Der Hefeschmelz wird zum Schluss dünn aufgestrichen. Die fertige Lasagne auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech stellen (hilft beim Saubermachen und bei überkochender Soße) und in vorgeheizten Ofen bei 170° ca. 40-45 Minuten backen.

Für das „Parmesan“-Topping😕 1 gute Handvoll Walnusskerne?. 1 kleine Knoblauchzehe. Blätter von 2-3 Rosmarinzweigen. ?Ca. 1 EL grobes Meersalz.
Alle Zutaten in einen Mixer geben und zu einer streufähige Konsistenz mixen. Vorsicht: nicht zu lang oder kontinuierlich mixen, sonst bekommt man eine Paste.
Nach ca. 30 Minuten Backzeit das „Parmesan“-Topping gleichmäßig auf der Lasagne verteilen und weiterbacken, bis goldbraun und knusprig.

Tipp: Wenn die Lasagne fertig gebacken ist, erstmal ca. 10 Minuten stehen lassen. Dann hat die kochend heißen Soße Zeit, sich wieder in die Nudel rein zu saugen. So lässt sich die Lasagne besser schneiden.

Enjoy your vegan lasagne!

Text: Jasmin Klein

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