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Kultur

Der Don Quijote der Südstadt

Dienstag, 24. September 2013 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Der Ritter von der traurigen Gestalt zieht durch die Südstadt. Seit Freitag kämpft er im Freien Werkstatt Theater gegen Windmühlen – mit Sancho Pansa an seiner Seite und einem Laienchor im Hintergrund. Wenn professionelle Schauspieler und Laien gemeinsam auftreten, dann ist das eine Herausforderung für alle Beteiligten. Auch für die Zuschauer.

Die Geschichte des „Don Quijote von der Mancha“ von Miguel de Cervantes Saavedra ist zumindest in den Grundzügen hinreichend bekannt: Ein Junker des späten Mittelalters vertieft sich in die Lektüre von Ritterromanen, die er im Laufe der Zeit für bare Münze nimmt. So beschließt er eines Tages, selbst ein Ritter zu werden, steigt auf das Streitross Rosinante und zieht mit seinem Knappen Sancho Pansa durch die Lande, um sich im Namen seiner Angebeteten Dulcinea von Toboso – die in Wirklichkeit ein Bauernmädchen ist – in Abenteuer zu stürzen.

Ebenso verfährt auch die Hauptfigur der von Stefan Herrmann geschriebenen Bühnenfassung im Freien Werkstatt Theater. Axel Gottschick als Don Quijote rennt mutig gegen die Ungeheuer an, die sich als Windmühlen herausstellen. Er martert sich, um die Gunst seiner Dulcinea zu erlangen und scheut vor den größten Gefahren nicht zurück, wenngleich sie sich in der Realität als gar nicht so gefährlich entpuppen.

 

Von sich überzeugt und in seiner Welt gefangen stolziert er über die Bühne, bereit, es mit allem und jedem aufzunehmen. Er stürzt und steht wieder auf.
Begleitet wird er selbstverständlich von Sancho Pansa, gespielt von Andreas Maier, dessen Gattin darauf besteht, einen guten Lohn für seine Arbeit zu bekommen. Da jedoch sein Dienstherr in keinem seiner Ritterbücher einen Hinweis auf eine Bezahlung der Knappen findet, gibt er sich schließlich mit Kost und Logis zufrieden. Er zeichnet sich vor allem durch seine zu jeder passenden und vor allem unpassenden Gelegenheit ausgestoßenen Lebensweisheiten und Redewendungen aus. Und durch seinen namengebenden Bauch, der zugleich ein Knappsack ist – also ein Behältnis, in dem sich alle Dinge des alltäglichen Lebens befinden.

Die beiden Schauspieler bilden ein perfekt aufeinander abgestimmtes Team. Gottschick überzeugt durch die nie gebrochene Ernsthaftigkeit, die zu seiner Rolle als Ritter von der traurigen Gestalt gehört. Wenn er auf seinem Rosinante genannten Barhocker durch die Weizenfelder reitet, wenn er den Gürtel abstreift und ihn seinem Knappen reicht, weil das Orakel diesem die freiwillige Selbstgeißelung mit 3300 Schlägen auferlegt, wenn er „schwer“ verletzt darauf verzichtet, sich verbinden zu lassen, später aber doch um einen kleinen Verband bittet – dann verschwindet die Bühne und wird zu den weiten Landschaften der Mancha, durch die er zieht.

Wer den Sancho Pansa gibt, muss in der Lage sein, ein durch und durch dämliches Gesicht zu machen. Und da Andreas Maier mit seinem Antlitz spielt, so dass es scheint, er bestünde nur aus Mimik, ist er eine Idealbesetzung für diese Rolle. Sein Esel ist kein Barhocker, sondern nur ein einfacher Holzstuhl, aber reiten kann der Knappe damit hervorragend. Und die Weisheiten schießen in einer Geschwindigkeit zwischen seinen Lippen hervor, dass es zuweilen einen Moment braucht, bis sie der Zuschauer in vollem Umfang erfasst. Und sich danach lachend auf dem Sitz krümmt.

 

Axel Gottschick (links), Andreas Maier./ Foto: Meyer Originals

Der aus Laien bestehende Chor leitet in das Stück ein, begleitet und kommentiert es wie in der Antike von außen und übernimmt hin und wieder kleine Rollen. Die Figuren treten eine nach der anderen ins Scheinwerferlicht, um einen Ausschnitt aus ihrer Lebensgeschichte zu berichten. Sie vereint das große Thema des Don Quijote: Der ewige Kampf gegen die Mühlen des Lebens. Schicksale werden vorgetragen, die betroffen machen. Sehr persönliche Erlebnisse, die Mut in sich tragen, allein um sie auf der Bühne öffentlich vorzutragen und zu erzählen. Sehnsüchte, die sich mit dem Stück verbinden und darin spiegeln.

Zugleich wird in diesen Szenen auch die Schwierigkeit des Zusammenspiels von Profis und Laien offenbar. Während die Schauspieler mit ihrem Können überzeugen, ist die geringe schauspielerische Ausbildung der Laien irritierend. Die Erzählungen sind etwas lang geraten, und thematisch fügen sie sich nicht immer in das Hauptgeschehen ein. Und doch ist das, was Edith Maria Fischer, Petra Schuck, Verena Tröster, Jürgen Fehring und Gode Japs berichten, authentisch.

 

Und so war es auch die Grundidee dieser Inszenierung, die Geschichte des Don Quijote mit der Kölner Gegenwart aufzuladen. Trainierten Schauspielern fällt es manchmal schwer, diese Authentizität auf die Bühne zu tragen. Die Laien spielen sich selbst und stellen mit den Berichten ihrer Schicksale, dem Fallen und Wiederaufstehen einen Bezug zum Leben dar und bieten damit eine innere Orientierung.

Besonderes Augenmerk verdient bei dieser Inszenierung die Ausstattung von Daniela Hohenberger. Sie projiziert die Mühlen und ganze Dörfer an die Wand im Hintergrund. Gelbe Weizenfelder bedecken die gesamte Bühne, und der Multifunktions-Knappsackbauch fügt sich perfekt in die Komik der Inszenierung ein.

Stefan Herrmann hat die Herausforderung, Profis und Laien gemeinsam auf die Bühne zu bringen, in Angriff genommen und wunderbar bewältigt. Aus dem sehr umfangreichen Romanwerk hat er ein höchst amüsantes Bühnenstück geschaffen, das mit Komik und Tiefgründigkeit aufwartet und zudem einen Bogen zur Gegenwart spannt.

Auf jeden Fall sehenswert für alle, die sich anspruchsvoll amüsieren wollen.

 

 

Weitere Termine im Freies Werkstatt Theater:
16./17./25./26. Oktober
15./16. November
jeweils 20 Uhr

 

Text: Stephan Martin Meyer

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