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Gesellschaft Kultur

Der Friedenspark rockt in freudigem Gedenken

Donnerstag, 8. Juli 2010 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Am Sonntag um 13 Uhr startet im Friedenspark das 6. Edelweißpiratenfestival. 8.000 Besucher pilgerten allein letztes Jahr zu diesem größten Kultur-Event der Südstadt. Auf sechs Bühnen bieten Bands aus Köln und Umgebung bis in den Abend ein abwechslungsreiches Live-Programm. Das Edelweißpiratenfest wurde erstmals 2005 zu Ehren der jugendlichen Widerständler gegen die Nazis ins Leben gerufen. Einige der noch lebenden Zeitzeugen sind auch dieses Mal mit von der Partie, man kann sie zum Gespräch im „Zeitzeugencafé“ im Baui treffen. MEINE SÜDSTADT-Redakteurin Doro Hohengarten sprach mit den beiden Gründern und Hauptorganisatoren des Festivals, Jan Ü. Krauthäuser und Betsy de Torres.

Inzwischen ist das Edelweißpiratenfestival fester Bestandteil des Südstadtlebens und nicht mehr wegzudenken. Aber wie ist es entstanden?

JK: Das NS-Dok, das NS-Dokumentationszentrum für die Nazizeit,  ist vor einigen Jahren auf mich zugekommen und fragte, ob es Sinn machen würde, ein Jugendmusikprojekt über die Zeit zu machen. Ihnen war aufgefallen dass die jugendlichen Edelweißpiraten immer mit Gitarre fotografiert worden waren, und auch den Zeitzeugen-Aussagen wurde klar, dass Musik ein sehr wichtiges Element der Bewegung war.

Daraus entstand 2004 ein erstes Projekt mit Buch, DVD, CD und einem Präsentationskonzert im Stollwerck. Es machte Spaß und Sinn, und der wertvolle Kontakt mit den Zeitzeugen war entstanden. Es war klar, dass diese Menschen nicht mehr so furchtbar lange zur Verfügung stehen würden. Wir wollten Menschen die Gelegenheit bieten, mit diesen Zeitzeugen Kontakt aufzunehmen und ihren Erzählungen zuzuhören.

Das ist eine ungeheure emotionale Spanne: Die Leidenschaft, mit der diese Menschen singen und wandern gegangen sind, wie sie die Jugend gefeiert haben, bis hin zu den grausamen Einschnitten, wenn sie für diese Freiheit dann Mord und Folter erleiden mussten. So etwas kannst du nur aus erster Hand nachvollziehen. Aus dieser Idee hat sich dann das Festival entwickelt.

Und dann kam auch Stefan Peil (Politiker der Kölner Grünen, Anm. d. R.) ins Boot und hat den Kontakt zum Landschaftsverband hergestellt, der die Finanzierung anschob. So kam dann auch der Ort des Festivals, der Friedenspark, ins Gespräch. Der war ja eigentlich ein Treffpunkt der Hitlerjugend gewesen. Aber so macht’s dann auch wieder Sinn – der Platz wird im nachhinein sozusagen gerächt.

Warum musste es ein Festival sein?

BT: Weil man diese Menschen, die in Vergessenheit geraten waren, und ihre Lieder gemeinsam „wiederbeleben“ wollte. Wir dachten uns: Das kann man am besten, wenn man Bands von heute einlädt und sagt: Wir haben hier eine unglaubliche Anzahl an deutschen Liedern. Sucht euch eins aus und interpretiert es neu! Die Bands spielen also auf den Bühnen ihre eigenen Lieder, Spielregel ist aber, dass sie mindestens ein altes Lied neu interpretieren. So haben wir zum Beispiel Flexer, die die alten Lieder in Straßensoul mit Rap umwandeln, oder Papa Verde, die Cumbia-Elemente ins Spiel bringen. Wir haben also diese in Vergessenheit geratenen Lieder in die heutige Zeit transportiert. So haben wir die Aufmerksamkeit von Kindern, 25-Jährigen bis 80-Jährigen gesichert. Für jeden ist was dabei. Wir halten das Thema lebendig, aber nicht trocken oder belehrend.

JK: Ein Grabstein wäre auch nicht das richtige gewesen. Nachdem der damalige  Regierungspräsident Roters alle Edelweißpiraten geehrt und rehabilitiert hatte für ihre couragierte und vorbildliche Haltung, war es nun unsere Aufgabe, die Edelweißpiratenbewegung  ins Brauchtum zu überführen – ein freudiges Gedenken dieses Aspekts der politischen Volkskultur.


Welche Musiker sind dieses Jahr dabei?

BT: Für die 80-Jährigen zum Beispiel auf der Spielewiese der Bergische Orden. Original bündische Lieder, simpel mit Gitarre und Gesang. Dort fühlen sich auch die original Edelweißpiraten sehr wohl. Manche Interpretationen sind den Edelweißpiraten natürlich auch zu speziell. Für die Jugendlichen mischen zum Beispiel Vadoo Latin Grooves und Hip Hop und Rap. Die Bühne im Flirtgraben wird von dem Machern vom Campus Radio betreut. Mit den Reggae Rockers tritt auch eine Kinderband auf. Aber noch viele, viele mehr.

Der Eintritt ist für jedermann kostenlos. Wie finanziert ihr euch?

BT: Wir werden gefördert von der Stadt Köln. Das ist ein Glück, denn so können wir wenigstens die Musiker bezahlen. Manche arbeiten auch unentgeltlich, aber einige können es sich nicht leisten. Dieses Jahr allerdings gibt es weniger als letztes Jahr, und ob wir nächstes Jahr noch Fördergelder kriegen, steht in den Sternen. Spenden sind unbedingt erwünscht. Wir veranstalten auch am Samstagabend eine Festivalparty im Baui – die ist dafür da, Geld reinzuholen. Außerdem verteilen wir beim Fest ein kleines Programmheft mit Infos über die Bands und Bühnen, über das Rahmenprogramm und den geschichtlichen Hintergrund. Dafür darf jeder spenden, was er will. Und überall auf dem Fest stehen Spendenboxen.

Wie wählt ihr die Künstler aus?

BT: Wir geben ein Motto vor, und die Musiker bewerben sich. Wir helfen Ihnen, ein Lied zu finden. Das Motto spiegelt das Lebensgefühl der Edelweißpiratenbewegung wieder. Dieses Jahr ist das Motto „Gefährliche Lieder“. Das passt natürlich prima zu Bands wir EleganCi, einer Zigeunerband – die kennen eine Menge gefährlicher Lieder.

Was ist gefährlich an den Liedern der Edelweißpiraten?

JK: Die haben Lieder gesungen, die die Nazis nicht gut fanden. Die meisten waren verboten, weil die Nazis merkten, dass die freie bündische Kultur aktiv ist – zu aktiv, die könnte uns gefährlich werden. Deshalb haben sie diese Kultur zunehmend aggressiv bekämpft. Und  es hat nie einen Staat gegeben, der mehr in Musik investiert hat als die Nazis  – die wussten, dass das funktioniert und haben vieles „ausgemerzt“, was ihnen zu fremd erschien. Irgendwann waren die Edelweißpiraten-Lieder lebensgefährlich. Sie hatten ja auch diesen weltoffenen Aspekt, den man aus den Liedern heraushörte. Viele Lieder handeln von Amerika, von den Indianern zum Beispiel. Und es gab eine richtige russische Welle. Aber wenn Jugendliche auf russische Lider standen, durften sie sich nicht erwischen lassen. Sie wurden zu Monstern stilisiert, die den Feind lieben.

Welche Rolle spielte die Musik für die Edelweißpiraten?

JK: Ohne die Musik gäbe es sie nicht. Man hat sich zum Musizieren getroffen. Es war ihre Freizeit, ihre Jugendkultur, so wie man heute zum Konzert geht oder sich mp3s vorspielt. Das war Feiern, Träumen, eine identitätsbildende Maßnahme.


Wie findet sich dieser Widerstandsgedanke heute wieder? Seid ihr gar ein Widerstandsfestival?

JK: Es ist ziemlich viel politischer Blödsinn gemacht worden, in dem man versuchte Situationen aus anderen Ländern und Zeiten in die Jetztzeit zu transportieren. Bis hin zum Terrorismus. Dass jugendlicher Trotz und Ungehorsam nervig sein kann, kann ich als Vater unterschreiben. Es hat aber auch ein wichtiges gesellschaftliches Potenzial, dass junge, unverbildete Leute sagen: Was soll der Scheiß? Das kann doch nicht euer Ernst sein! Und diese Energie, die dahinter steht, ist wertvoll, auch in unserer Gesellschaft. Dann hat das ganze noch einen kulturellen Aspekt. Das was den Jugendlichen von damals wichtig war, die deutsche Sprache, die Musik der Lieder,  wollen wir erhalten, das ist Kulturgut. In anderen Ländern ist es üblich, dass junge Popbands auch mal altes Liedgut neu interpretieren. Hier noch nicht.

Habt ihr das Gefühl, mit dem Festival etwas zu bewegen?

BT: Die alten Lieder werden neu entdeckt. Sie werden sogar wieder gesungen. Und das nicht nur hier. Wir sind auch mit Konzerten getourt, zB. Zu dem See im Siebengebirge in dem sich zur Nazizeit an den Wochenenden oft hunderte von Edelweißpiraten trafen.

JK: Wir haben sogar auch ein Festival in Düsseldorf gemacht!

 

Text: Doro Hohengarten

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