Der große Blah
Montag, 18. März 2013 | Text: Roger Lenhard | Bild: Design Work, Köln
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Es gibt Kaffeekränzchen, oberflächlichen Klatsch und Tratschrunden, den Stammtisch, politischen und sonstigen Haudrauf mit exzessiver Bierbegleitung. Und es gibt den Doppelpass, eine Werbesendung rund ums Auto und alkoholische Getränke, die unterbrochen wird durch hirnloses Fußballgequatsche erwachsener Männer. Der Verzäll wird in vielen kleinen Doppelpässen unabhängig von Zeit und Raum in der ganzen Republik weiter gespielt. Stichwortgeber dieser Epidemie sind einige Fußballjournalisten, die gerade mal wissen, dass der Ball rund ist, zwei Mannschaften Demselbigen 90 Minuten hinterher laufen, und es zwei Tore gibt.
Dass in einem Fußballspiel allerlei Verwirrendes passieren kann und das Spiel mitunter sogar recht komplex ist, wird, sofern überhaupt wahrgenommen, konsequent ausgeblendet. Stattdessen wird die Wichtigkeit einzelner Personen, vor allem des Trainers, betont. Die Einschätzung kann dabei schnell von einem Extrem ins andere kippen. Ganz nach dem Motto des Säulenheiligen aller Höppemötzje Franz Beckenbauer: „Was interessiert mich heute mein Geschwätz von gestern“.
So wurde kürzlich in einer seriösen Zeitung, also nicht Bild, Sportbild oder Express, allen Ernstes die Frage gestellt, ob Dortmund mit der leidenschaftlichen Art wie der Trainer Klopp Fußball spielen lässt, in Champions League und in der Bundesliga gleichzeitig erfolgreich sein kann. Der Schalker Trainer Keller wurde von diesen Schwachmaten, ohne ein Pflichtspiel als Trainer bestritten zu haben, als Fehlbesetzung abgestempelt, um nach dem Derbysieg deshalb zum Problem für Schalke zu werden, weil man ihn nun kaum noch entlassen könne. Nach dem Ausscheiden in der europäischen Königsklasse und der Niederlage gegen Nürnberg in der Liga spielt Schalke jetzt gleichwohl wieder Keller-Fußball. Als hätte der Trainer die beiden groben Fehler, die zu den beiden Gegentoren gegen Istanbul führten, angeordnet und gegen Nürnberg die vielen Chancen vergeben und statt zweier Tore nur zweimal den Pfosten getroffen. Dass Misserfolge einseitig am Trainer festgemacht werden, ist zwar dumm, aber ein beliebtes Spiel. Mittlerweile wird jedoch auch der Erfolg von Trainern absurderweise für die Vereine zum Problem herbei geschrieben: Sollte Köln unter Holger Stanislawski aufsteigen, wäre es nicht zu früh für den Verein, denn er könnte tatsächlich auch sofort wieder absteigen? Und ist Stanislawski im Falle des Aufstiegs der richtige Trainer, um nicht direkt wieder abzusteigen?
Der Gipfel der Idiotie ist immer noch nicht erreicht. Er könnte erklommen sein, weil Sportreporter Bayern München mit dem zukünftigen Trainer Pep Guardiola in Schwierigkeit sehen, falls Heynckes mit der Mannschaft alle drei Titel holen würde. Armes München, armer Uli Hoeneß, armer Pep Guardiola. Schreckliche Aussichten für die kommenden Jahre, wenn man nur dürftige zwei Titel holt oder total versagt und nur Deutscher Meister wird.
In der Bundesliga gibt es die außergewöhnliche Situation, dass sich fünf Mannschaften nach Bayern München und dem BvB für die Champions League qualifizieren könnten, aber keiner so recht will. Schalke, Hamburg, Mainz tun alles dafür, es nicht zu schaffen, sind ungeachtet dessen aber immer noch im Rennen – und Frankfurt gelingt das Kunststück zu verlieren und sich auf Platz vier zu verbessern. Statt zuzupacken und die günstige Gelegenheit am Schopfe zu packen, lungern die Mannschaften zwischen Platz vier und zehn irgendwie herum und zieren sich. Seltsame Welt des Fußballsports.
Glück auf!
Mehr FC gibt es auf „Meine Südstadt“ – klickt auf das Interview „Ärmel hoch, Gras fressen, grätschen„, das Antje Kosubek und Roger Lenhard mit FC-Trainer Holger Stanislawski und Kaderplaner Jörg Jakobs im Sport- und Olympiamuseum geführt haben.
Die Ergebnisse des 26. Spieltages
Wolfsburg – Düsseldorf 1:1
Dortmund – Freiburg 5:1
Bremen – Fürth 2:2
Nürnberg – Schalke 3:0
Hoffenheim – Mainz 0:0
Hamburg – Augsburg 0:1
Leverkusen – München 1:2
Frankfurt – Stuttgart 1:2
Gladbach – Hannover 1:0
Die Tabelle nach dem 26. Spieltag
1. Bayern München – 69 Punkte
2. Borussia Dortmund – 49 Punkte
?3. Bayer 04 Leverkusen – 45 Punkte
4. Eintracht Frankfurt – 39 Punkte
5. FC Schalke 04 – 39 Punkte
6. 1. FSV Mainz – 38 Punkte
7. Borussia Mönchengladbach – 38 Punkte
8. Hamburg – 38 Punkte
9. SC Freiburg – 37 Punkte
10. Hannover 96 – 34 Punkte
11. 1. FC Nürnberg – 34 Punkte
12. VfB Stuttgart – 32 Punkte
13. VfL Wolfsburg – 31 Punkte
14. Werder Bremen – 30 Punkte
15. Fortuna Düsseldorf – 29 Punkte
16. FC Augsburg – 24 Punkte
17. 1899 Hoffenheim – 20 Punkte
18. SpVgg Greuther Fürth – 15 Punkte
Die ersten 3 Mannschaften qualifizieren sich direkt für die Champions League.
Das team auf Platz 4 nimmt an der Champions League-Qualifikation teil.
Die Mannschaften auf Platz 5 bis 6 qualifizieren sich für die Europa League.
Die Elf auf Platz 16 spielt in der Relegation gegen den Dritten der 2. Liga.
Die beiden letzten Mannschaften steigen in die 2. Liga ab.
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