Der Mann mit den Möbeln
Dienstag, 3. November 2020 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Oliver Köhler
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Seit 1981 betreibt Robert Leyendecker sein Einrichtungshaus am Bonner Wall.
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Meine Südstadtpartner
Jidokan e.V. – Haus der Kampfkünste und FreundschaftMöbelhaus im Kölner Süden? Ikea in Godorf, was sonst? Zum Beispiel Möbel Leyendecker in der Südstadt. Vermutlich wieder so ein kleiner Laden mit ein paar Tischchen, Stühlen und dekorativem Gedöns. Aber nix da, in dem grauen Kasten am Bonner Wall verbirgt sich ein ausgewachsenes Einrichtungshaus. Verteilt auf mehrere Etagen lässt sich da auf 1100 Quadratmetern außer Badezimmerzubehör alles erstehen, was man zum Wohnen so braucht. Inhaber des Geschäftes ist Robert Leyendecker, der das Gebäude vor knapp vierzig Jahren bezogen hat. Schon sein Vater hatte seit 1958 ein Möbelgeschäft, zunächst in Ehrenfeld und später dann in Sülz.
In jedem Veedel ein Möbelhaus
„Damals“, so erklärt Robert Leyendecker zur Übernahme des Geschäftes am Bonner Wall, „war das noch ein Großhandel, wo Möbelhändler ihre Ware kauften. Schließlich gab es früher in jedem Stadtteil und selbst in vielen Vororten mindestens ein Möbelgeschäft. Aber die haben mit den Jahren fast alle dicht gemacht, weil die Konkurrenz der riesigen Filialen der Möbelketten in den Industriegebieten zu groß wurde.“ Und die haben natürlich auch dem familiengeführten Betrieb von Robert Leyendecker zugesetzt. Er habe mehrfach auf die Kostenbremse getreten, aber bislang habe es in all den Jahren seiner Selbstständigkeit noch immer gereicht. Auch wenn er weder in Villa im Tessin noch Millionen auf der hohen Kante habe.
Was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass seine Kundschaft vorwiegend über Mundpropaganda den Weg in sein Möbelhaus findet: Man schätzt die persönliche Ansprache und die individuelle Beratung. Und wo kommen die Leute her? „Lange Jahre“, so Leyendecker, „kamen die meisten Kunden aus dem Rechtsrheinischen, wo ich wohne und in vielen Vereinen aktiv bin. Da ergeben sich automatisch Kontakte. Aber inzwischen wohnen meine Kunden vorwiegend in Stadtteilen mit 506er Postleitzahl, also im linksrheinischen Süden.“ Schließlich ist Robert Leyendecker bei der Aktionsgemeinschaft Bonner Straße Clodwigplatz (ABC) im Vorstand.
Keine kleinen Mitnahme-Artikel
Wer den Weg an den Bonner Wall 108 findet, kann sich im Geschäft Produkte von rund 150 Herstellern anschauen – von AEG über Morassutti bis Zanussi. Aber hat er in all den Jahren nie daran gedacht, sein Geschäft an einen attraktiveren Standtort oder zumindest in ein schmuckeres Gebäude zu verlegen? Schließlich hat sein Laden kein einziges Schaufenster und selbst der Eingang liegt eher versteckt im Hinterhof. „Natürlich habe ich mir das zwischenzeitlich überlegt“, erklärt der Unternehmer, „aber auf Laufkundschaft bin ich nicht angewiesen, da ich kleine Mitnahmeartikel kaum noch im Sortiment habe. Zum anderen ist die Hinterhof-Miete im Vergleich zu anderen Lagen hier vergleichsweise noch moderat.“
Werbung? Nicht nötig
Das Gebäude, in dem sich das Möbelhaus befindet, erweckt nicht von ungefähr den Eindruck eines Bunkers. Erbaut wurde es 1895 und war Teil eines Gefängnis-Komplexes. Zu Zeiten des Nationalsozialismus soll die SA dort vornehmlich politische Gefangene festgesetzt haben. Robert Leyendecker macht aus der eher unrühmlichen Geschichte des Gebäudes keinen Hehl, aber ändern kann er sie natürlich nicht. Ändern könnte er aber doch sicherlich den Bekanntheitsgrad seines Unternehmens, das selbst vielen Südstädtern kein Begriff ist. Wie wär´s mit Werbung? „Hab´ ich alles gemacht“, sagt Robert Leyendecker und winkt ab. „Früher habe ich sogar Hörfunkspots geschaltet, aber die sind heute ja nicht mehr bezahlbar. Auch in Tageszeitungen habe ich inseriert. Aber wenn ich Neukunden gefragt habe, wie sie zu uns gefunden hätten, war da kaum einer dabei, der gesagt hätte, er wäre durchs Radio oder eine Anzeige auf uns aufmerksam geworden. Darum habe ich das irgendwann gelassen.“
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Das Musikhaus Süd – lebendiges Kulturzentrum für alleInzwischen sind zwei von Leyendeckers Töchter in den Sozialen Netzwerken unterwegs und sorgen da für ein bisschen Werbung. Vor allem haben sie ihrem Vater aber durch den ersten Corona-Lockdown im März und April geholfen, indem sie eine virtuelle Begehung der Räumlichkeiten ermöglichten, die eine individuelle Beratung via Internet erlaubte. Immerhin habe er während dieser Wochen, so Robert Leyendecker, zehn Küchen verkaufen können.
Was aber kaum die laufenden Kosten gedeckt habe. An den Tag, an dem er sein Geschäft wieder öffnen durfte, erinnert er sich allerdings ganz genau: „Da standen doch morgens um zehn wahrhaftig zwei Männer vom Ordnungsamt bei uns vor der Tür, um unser Hygiene-Konzept zu kontrollieren. Was natürlich tadellos war. Meine Frau hat sich mächtig aufgeregt und die Leute gefragt, ob sie nichts Besseres zu tun hätten, als ein Geschäft am Bonner Wall zu kontrollieren, wo sich auch sonst eher selten Menschenmassen tummeln.“
Vom aktuellen Teil-Lockdown sind Robert Leyendecker und seine acht Mitarbeiter nicht betroffen. Das Hygiene-Konzept steht natürlich weiterhin. Grund genug, sich vielleicht mal entspannt am Bonner Wall 108 umzuschauen, statt sich ins Gedränge in Godorf zu stürzen.
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