Der mit der Mandarine – kurzer Talk mit Tino Bomelino
Freitag, 28. Dezember 2018 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tino Bomelino
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Beim diesjährigen Köln Comedy Festival hatte ich mich spontan entschieden, ihn sehen zu wollen: Tino Bomelino. 24 Stunden zuvor kannte ich den Mann noch gar nicht, per Zufall sah ich am Vorabend ein Video von ihm bei Nightwash und war sofort elektrisiert. Und da es keine Zufälle gibt, trat er tags drauf prompt im COMEDIA Theater auf. Er projiziert Folien an die Wand, die mit den ZuschauerInnen kommunizieren, spielt spontan Songs mit seiner Loopstation ein (Keyboard mit Aufnahmefunktion), springt durchs Publikum, zeigt auf der Leinwand seine absurden Instastorys und eine Hand, deren Fingernägel an einer Tafel kratzen. Viele, lange Sekunden. Der Saal kreischt. Mich erinnern seine Spielfreude und das Musikalische an den frühen Helge Schneider.
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Mahal Antiochia – Soulfood aus dem Orient30 Minuten vor der Show konnte ich ihn in den katakombenartigen Gängen der COMEDIA noch abfangen. Wir hatten sehr wenig Zeit. Kein Raum für ein kleines Warm-Up, keine ruhige Stunde beim Kaffee. Daher rief ich ihm gleich entgegen:
Wir haben wenig Zeit. Ich kann jetzt kein psychologisches Gespräch führen.
Bist Du Therapeutin?
Ich verneine lachend. Dein wievielter Auftritt ist das heute?
Ich mache das seit 2009. Ich habe nicht mitgezählt. Keine Ahnung.
Tausende Male?
Vielleicht genau eintausend? (er rechnet leise durch)
Nee, unter Tausend.
Und Du machst gerade eine richtig lange Tournee?!
Das ist der Beruf.
Immer Donnerstag bis Sonntag. Was machst Du Montag bis Mittwoch?
Da chille ich. Und ich programmiere noch nebenbei.
Weil Du Informatik und Physik studiert hast. In Stuttgart. Und dann bist Du aber nach Mannheim gezogen.
Ja.
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Aktionsgemeinschaft rund um Bonner Str./Chlodwigplatz e.V.Warum?
Billiger.
Und warum Mannheim?
Es liegt gut. Guter ICE-Bahnhof.
Nicht wegen der Liebe oder des Berufes, sondern der Stadt wegen ?
Liebe zur Stadt oder was? Nee, ich fahr ja soviel rum, dass es egal ist, wo ich wohne.
Aber wenn ich in Berlin wohnen würde, wäre jede Fahrt länger.
Oftmals sind die, die gut im Schreiben sind, nicht gut im Performen. Du merkst: die Schrift ist deren Medium, aber sie können nicht auf der Bühne einlösen, was sie im Internet versprechen. Du hast mit Poetry Slam angefangen. Alles, was man an Schriftlichem von Dir im Netz findet, ist lustig. Auch wenn es nur kleine Texte sind, so sind die doch sehr charmant. Und wenn Du auf der Bühne stehst, dann ist das auch charmant. Du schaffst den Transfer vom Schriftlichen ins echte Leben. Was ist Dir wichtiger?
Keine Ahnung. Alles. Und das ist auch alles anstrengend. Wenn ich eine Idee habe, weiß ich manchmal nicht: Was ist das? Ein Tweet? Ein Bild? Ein Video? Ein Lied? Im Prinzip kann man ja alles formen, von A nach B, aber man muss sich entscheiden, und das ist anstrengend. Manchmal mache ich dann mehrere Sachen aus der gleichen Idee.
© Jasmin Klein
Wann hat das alles angefangen, das Schöpferische, das Durchsuchen des Alltags nach Auswertbarkeit?
Wenn ich es analysieren würde, aber das ist ein bisschen langweilig, kommt das bestimmt aus der Informatik, weil man da Modelle baut, die dann für eine bestimmte Zeit funktionieren. Als ich auf die Bühne ging, habe ich viel darüber nachgedacht und suchte einen Algorithmus, eine Methode, wie man auf Ideen kommt. Ich überlegte mir Übungen, wie man kreativ sein kann und fing mit Twitter an, um zu sehen, wie man da kreativ sein kann. Dadurch habe ich gelernt, wie krass das Medium (Twitter, Instagram, Facebook, Lied, Auftritt, Anm. der Red.) damit zu tun hat, was man macht. Jedes Medium hat seine eigenen Regeln. Dennoch gibt es auch Regeln, die bei allen gleich sind. Ich versuchte, ein Modell zu finden, um eine immerwährende Quelle an Ideen zu haben. Das hat natürlich nicht funktioniert, denn so funktioniert Kreativität nicht.
Du meinst, das war der Ursprung, aber es funktioniert dann doch anders?
Ich suche immer noch danach. Und auf der Suche danach finde ich immer wieder Themen.
Es gibt ja auch Techniken wie das Spielen mit der Erwartbarkeit: Du redest über irgendwas und jeder meint, Du meinst dies, dann meinst Du aber das andere. Das funktioniert ja auch immer gut.
Wobei die Leute ja auch mitlernen. Man muss immer einen Schritt weiter sein und weiß nicht genau, was das bedeutet, wie jetzt mit der Erwartbarkeit. Ich baue Erwartungen auf, und dann mache ich etwas anderes, als die Leute erwarten. Aber wenn die Leute wissen, dass Du die Erwartungen aufbaust, und dann drehst Du es um, dann wussten sie das schon und lachen nicht mehr.
Da gab es einen total witzigen Tweet, der genau das macht: er baut eine Erwartung auf und erfüllt die dann aber auch. Und das ist dann witzig. Man muss fühlen, wo die Leute gerade sind, das ein bisschen spiegeln und verändern. Es kann kein starrer Algorithmus sein, denn es ist total abhängig davon, was die Leute gerade im Kopf haben.
In welcher Zeit ist Dein Set gewachsen?
Das kann ich gar nicht sagen. Es ist eine Mischung. Ich will den Leuten ganz viel zeigen, ein paar Ideen, ein paar Fragen stellen. Und ich freue mich total, es ihnen zu zeigen. Es ist wie eine Sammlung, fast schon ein Ausschütten an Ideen, und das ist alles Mögliche, von Twitter und Instagram, von Slams und neu geschrieben usw.
© Jasmin Klein
Es ist gewachsen und alles in Deinem Koffer drin. Bist Du da auch variabel?
Auf der Bühne seltener. Das versuche ich, aber das finde ich sehr schwer. Es gibt ein paar Nummern, die direkt mit den Leuten passieren. Die füllen Zettel aus, mit denen ich dann etwas mache. Aber im Stand-Up selbst passiert das eher selten.
Machst Du auch Crowdwork?
Ich mache eine Parodie von Crowdwork. Am Anfang der zweiten Hälfte steht auf der Power-Point-Präsentation, die an die Wand projiziert wird: „Ihr beiden da vorne in der ersten Reihe, seid Ihr eigentlich zusammen? Ah, sehr witzig: sie hat genickt, er hat mit den Schultern gezuckt.“ Das ist ein Standard-Gag von einem Standard-Comedian. Ich gehe auch ins Pulikum, das ist aber eher ein Set-Up für einen Gag. Warum fragst Du?
Damit sich der Leser vorstellen kann, wie so ein Abend mit Dir verläuft. Wenn Du soviel von Deinen Ideen zeigst, ob Du da auch mit dem Publikum interagierst. Warum hast Du als lustiger Mensch Informatik und Physik studiert?
Die beiden Fähigkeiten stehen ja diametral zueinander. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich denke, Humor ist in allen Berufen gleich verteilt. Wenn Du eine Gruppe hast, die sich kennt, kannst Du da ja viel bessere Gags machen, als wenn Du immer erklären musst, worüber Du gerade redest. Ich glaube, ich habe noch nie so doll gelacht wie in der Übungsgruppe für Physik und Informatik. Das versteht halt niemand außerhalb der Gruppe.
Ist das Deine erste große Tournee?
Ich bin immer unterwegs, außer im Sommer und an Weihnachten.
© Jasmin Klein
Wie oft muss man ein Set spielen, bis es rund ist?
Es ist witzig, wie sehr das von Parametern abhängt, von denen man nicht glaubt, wie sehr die Leute darauf reagieren. Ich habe eine Sache im Programm, die ist relativ neu, da habe ich es nicht geschafft, dass die Leute das genauso lustig finden wie ich. Ich habe darüber nachgedacht, warum das so ist, und bin dann im Gespräch mit meinen Kumpels draufgekommen: Es ging bei dem Gag um Kinder. Und die Leute finden, dass ich zu fies bin und das nicht genug entschuldige. Sie glauben, ich mache mich über Kinder lustig. Jetzt habe ich den Text nur an zwei Stellen minimal geändert, und jetzt ist die Attitüde dazu anders. Wenn ich das nur etwas anders sage, dass ich Kinder haben will, aber Angst davor habe, dass ich Fehler mache, dann plötzlich…
…öffnen sich die Herzen.
Das ist ganz komisch. Das Coole ist, dass man nach der Korrektur dann glaubt, man wüsste, warum es funktioniert. Auch wenn es sofort funktioniert, glaubt man, dass man wüsste, warum es funktioniert. Aber das stimmt wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hat man nur Glück gehabt.
Gibt es Leute auf der Bühne, von denen Du sagst, dass sie es draufhaben?
Natürlich mein Kumpel Felix Lobrecht. Mit ihm tausche ich mich viel aus, ihn finde ich sehr witzig, auch privat. Und der findet das ja auch wirklich lustig, was er da erzählt. Von den Großen mag ich Johann König gerne, weil er so eine unaufgeregte Art hat und untypische Comedy macht. Ich mag den typischen Comedystil nicht.
Das Laute.
Genau, das Laute.
Was ist Dein Alleinstellungsmerkmal? Das ist der mit…
Der mit der Mandarine.
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in.form – Köln SüdstadtDas würdest Du gerne sein?
Darüber denke ich gerade tatsächlich nach (steht auf und steckt sich aus der Schale auf dem Tisch ein paar Mandarinen ein).
Der Tontechniker ruft in den Raum: „Tino, wir können jetzt anfangen!“
Ich setze mich ins Publikum und lache Tränen. Danke dafür und für das interessante Gespräch.
Seht ihn im TV: Samstag, 29.12.2018 um 20:15 Uhr beim RTL Comedy Grand Prix und ab dem 4.1.19 bei Amazon Prime in einem 45-minütigen Special „Macht er eh nicht!“ von und mit Jan Philip Zymny, Tino Bomelino und Jason Bartsch.
Kauft Tickets und geht in seine Vorstellung am 12. April 2019 in der COMEDIA: http://www.comedia-koeln.de/kabarett-und-co/programm/tino-bomelino.html
Folgt ihm auf Instagram: https://www.instagram.com/bomelino/
Trailer zu „Macht er eh nicht!“ bei Amazon Prime
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