Der Weihnachtsbaum
Montag, 19. Dezember 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
– die letzte Bastion friedvoller Glückseligkeit oder grausames Mahnmal aller Weihnachten-Auswärtsfeierer?
Bisher lief alles glatt. Weihnachten steht seit fast vier Wochen vor der Tür, ich bin zwar bisher noch ohne Geschenk, aber guter Dinge, lasse mich nicht stressen, überhöre „Last Christmas“, trinke nur noch guten weißen, statt gepanschten roten Glühwein und erfreue mich meiner wöchentlich mehr brennenden, dicken roten Kerzen. Das Weihnachtsprogramm steht, ich fahr´ nach Haus, bin damit raus, Ende aus.
Denkste.
– die letzte Bastion friedvoller Glückseligkeit oder grausames Mahnmal aller Weihnachten-Auswärtsfeierer?
Bisher lief alles glatt. Weihnachten steht seit fast vier Wochen vor der Tür, ich bin zwar bisher noch ohne Geschenk, aber guter Dinge, lasse mich nicht stressen, überhöre „Last Christmas“, trinke nur noch guten weißen, statt gepanschten roten Glühwein und erfreue mich meiner wöchentlich mehr brennenden, dicken roten Kerzen. Das Weihnachtsprogramm steht, ich fahr´ nach Haus, bin damit raus, Ende aus.
Denkste.
Meine gute Mutter will, und das unterstelle ich ihr jetzt einfach mal, für mich und meine Tochter nur das Beste. So, und nicht anders, kann, ja muss ich mir erklären, wieso sie uns unbedingt einen Weihnachtsbaum wünscht („aufnötigt“ klingt an dieser Stelle so destruktiv). Und sie sogar für diesen Wunsch heilige Familientraditionen über Bord wirft. Einfach so den eigenen, von Kindheitstagen an so wohlig heimeligen, absolut vorhersehbaren und doch aufregenden Heiligabend verändert. Und zwar – denn das würde selbstverständlich zu weit gehen – nicht bei sich, nein, meine Mutter hat neue Pläne für mich und emanzipiert mich damit von sich. Aber Moment mal, sollte das nicht eigentlich anders herum laufen?
OK, ich lebe mit meiner vierjährigen Tochter zusammen, wir sind eine kleine Familie und weil Weihnachten ein Fest der großen Familie ist, feiern wir es gemeinsam mit meinen Geschwistern im Haus meiner Eltern. Am Morgen des 24. verlassen wir Köln und weil meine Tochter im Anschluss an unsere Feier bei ihrem Papa ist, sehen wir uns erst am 2. Januar in Köln wieder. Da laut Familientradition der Baum am Abend des 23. geschmückt, zur Lichterkontrolle einmal kurz an- und sofort wieder ausgemacht wird, um dann am Heiligen Abend hell erleuchtet und mit unzähligen untergeschobenen Paketen, zum heimlichen Star der Feier wird, hatte er nix zu suchen in meiner Planung rund ums Fest. Bis, ja, bis meine Mutter ihn aufs Tapet bringt. Als einen Weihnachtsschmuck, den nicht zu haben dem Kind etwas Wichtiges vorenthielte. Wähm! Da trifft es mich mit einem Schlag in die Magengrube: das doch eigentlich schon überwunden geglaubte Rabenmutter-Schlechtgewissen! Mein armes Kind ohne Baum! Ein Albtraum!
Dieses Schlechtgewissen lässt mich sofort einwilligen, in eine neue Tradition für meine Tochter und mich, zu einem Baum vor dem Fest, ohne großen Auftritt, ohne Geschenke rund um den Stamm, ohne Sinn und ohne Verstand. Doch nichts ist schlimmer als herz-, da baumlos zu sein! Nichts schmerzt mehr, als die Vorstellung, dem eigenen Kind vorzuenthalten, woran man selbst so glücklich denkt.
Ich weiß nun, was meine Mutter mit dem Baum wollte, was sie von ihm erwartet. Aber kann er vier Tage vor dem großen Auftritt seines Artgenossen, einfach so, als Schmuckstück, diese Erwartungen erfüllen? Ich weiß es nicht, aber ich werde es ausprobieren. Und es wohl erst in dreißig Jahren erfahren, wenn meine Tochter von ihrer Weihnachtstradition erzählt und ihr dabei so warm ums Herz wir wie mir heute…
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