Design für Alle – die PASSAGEN in Köln
Samstag, 15. Januar 2011 | Text: Judith Levold | Bild: Anke Westermann und Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Wer von kommendem Montag an von den Passagen etwas sehen, sich einfach anregen lassen will, der kann das ohne weites Reisen hier in der Nachbarschaft tun. Zwar ist die Südstadt beim größten deutschen Design-Festival keineswegs Kölns Zentrum der Kreativen -deutlich weniger Standorte sind im Veedel als in den vergangenen Jahren, viele Galerien etwa machen diesmal nicht mit- doch mit dem Fahrrad unterwegs, finden sich schnell einige Highlights. Und die lohnen sich.
Wir haben im Kunsthaus Rhenania mit Cruisen begonnen und in der schon halbvollen Halle Künstler getroffen, die noch mit Perlonfaden zwischen den Zähnen, Hammer in der einen und Exponat in der anderen auf Leitern balancierten, um die Ausstellung fertig zu bekommen. Vom unnützen Innenleben der Schränken erzählen die einzelnen Kunstobjekte, Anfassen und dran Rumfuhrwerken unbedingt erwünscht. Möglichst aus Pappe und ca. Einmeter mal Einmeter sowie 8 Zentimeter tief hießen die Vorgaben, die Organisator Claus Dieter Geissler, selbst Fotograf und bildender Künstler, seinen Kollegen aus dem deutsch-spanisch-französischen Netzwerk für ihre Artworks gab. Schränke ohne realistische Schrank-Tiefe entstanden, der Besucher kann, ja soll sie auf unterschiedlichste Weise öffnen und ihr vermeintlich unnützes Inneres bestaunen. Es ist bei einigen Schrank-Objekten ein bißchen wie zu Hause – soviel Krempel? Ich sollte mal ausmisten! Oder die Tür wieder zu machen! Witzig. Es ist auch wie Päckchen auspacken – Überraschung!! Da kommt bei öffnen aus einem kleinen schwarzen Kasten ein Leporello heraus samt Geschichte. Oder eine wie ein Gasherd gestaltete Schrankfront entpuppt sich als Hommage an Max Ernst. Oder aus einer alten Metallschublade zieht man beim öffnen einen abgeschnittenen Haarzopf mit hervor – samt Frauenbildnis in der Ferne. Oder eine Front, die ausschaut wie ein Postversandpaket, versteckt in ihrem Inneren weitere klappbare und zu öffnende Fächer, versehen mit reichlich Anweisungen für den Nutzer die Reihenfolge des öffnens betreffend und: mit reichlich Provokantem inside. Es sei nicht zu viel verraten, nur: das macht Spaß und beschäftigt uns eine Weile.
Wir bleiben im Rheinauhafen, auf der sogenannten Designmeile. Ob Firma Quirrenbach mit einfallsreichen Küchenmodulen aus dem bergischen Naturstein Grauwacke, die Galerie Werft 11 mit wie Kieselsteine anmutenden Sitzmöbeln aus Fiberglas, der Occhio Store mit ideenreicher Lichtgestaltung und elegantem Einsatz von LED-Leuchten oder Marquardt Produktion mit handgefertigten Sofas und Sesseln aus Naturleder – es gibt einiges zu sehen und mitzunehmen für die eigenen Vier Wände. An Inspiration natürlich.
Besonders ins Auge gefallen ist uns noch die Sammelausstellung von 25 Goldschmieden im Showroom der Goldschmiede Slabohm&Mertens, die sich in einem Vorzeigemöbel, dem klassischen Kabinettschrank aus dem 18. Jhd. mit mehr als hundert kleinen Kästchen präsentieren. Wie in einem Übergroßen Setzkasten zeigen sie dort ihre Preziosen in den individuell gestalteten und liebevoll ausgestatteten Kästchen.
Die Köln International School of Design am Ubierring, in früheren Jahren mit Installationen und studentischen Ausstellungen immer Hotspot der Passagen, besonders für junge Leute, präsentiert sich diesmal nur in ihrem KISD-Shop in der Innenstadt sowie erstmals auf der zeitgleich mit den Passagen stattfindenden internationalen Möbelmesse imm.
Wir lassen also die Hochschule rechts liegen und biegen in die Mainzer Straäe ein, wo wir ins Sitzmöbel-Depot MARKANTO wollen. Hier findet während der Passagen vom 17.-23.01. eine Ausstellung mit Möbelklassikern des finnisch-amerikanischen Architekten und Designers Eero Saarinen statt, der eng mit Charles Eames befreundet war und dessen Tulip Chair beispielsweise prägend für das Interior Design des 20. Jahrhunderts war.
Immer schon interessierte uns, was und wer sich hinter der TapetenAgentur gegenüber dem Klösterchen verbirgt und so ist die Jakobstraße 66 unsere nächste und für heute letzte Anlaufstelle. Büros und Showroom in schmalem Hinterhof machen schon beim Durchsfensterspinxen gute Laune: Schwelgen in Mustern, Designs und Materialien, ob Retro, Neobarock oder in Handarbeit mit winzigen Puzzlestücken (ja, wohl aus einem 5000er Naturpuzzle!) bestickt.
Tapeten ohne Ende, 12.000 hier mit Mustern zur Auswahl. Vor 8 Jahren sei ihnen während einer Auszeit die Idee gekommen, Tapeten zu verkaufen. Online und in ihrem Laden, erzählt Carsten Malz, einer der Inhaber. Keimzelle war die WG, inzwischen mussten Malz und sein Kollege Michael König umziehen und vor lauter Tapeten haben sie schon die Wände im Hof tapeziert. Mit Vliestapeten, erstaunlich wetterbeständig! Die Beiden kennen sich aus, haben ihr Sortiment langsam ausgebaut, entwerfen auch selbst Tapetendesigns und lassen dann in kleiner Auflage herstellen. Währen der Passagen zeigen sie – ihrer Zeit voraus – den neuesten Trend in Sachen Wallpaper: Das neue Weiß. Tapeten also, die weiß glänzen, wegen weißer Glasperlchen glitzern, hell und dunkelweiße Muster haben oder eine weiße Struktur aufweisen oder ganz einfach schwarzweiß sind. Wir wollen sofort daheim neu bzw. überhaupt mal tapezieren!
Passagen in ganz Köln vom 17.-23. Januar, Programmhefte in vielen Läden und Lokalen und online.
Kunsthaus Rhenania, Placard Exquis-Das unnütze Innenleben der Schränke, Passagen-Katalog Nr. 179, 17.01. 19-22h, danach 12-20h
Quirrenbach FORUM, div. Präsentationen, Passagen Katalog Nr. 170-174, Mo.-Sa., 10-21h, So. 10-16h
Galerie Werft11, Ciottolo, Katalog Nr. 176, 17.1. ab 19h, danach 12-19h
Marquardt Prouktion, Katalog Nr. 178, 17.1. ab 18h, danach 11-20h
Occhio Store CGN, Katalog Nr. 169, 17.1. ab 19h, danach 10-21h
Goldschmiede Slabohm&Mertens, Katalog Nr. 175, 17.1. ab 18h, danach 10-21
MARKANTO Depot, Katalog Nr.166, 19.1. ab 19h, 17.-23.1. mo-fr 14-19h, sa-so 11-19h
Die TapetenAgentur, Katalog Nr. 162, Das Neue Weiß, 17.-23.1. mo-sa 14-20h, so 14-18h, 22.1. ab 20h open end party
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