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Sport

Deutschlands junge WM-Fußballerinnen: „ein bisschen weiblicher halt“

Mittwoch, 22. Juni 2011 | Text: Beate Fechtig | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Inka Grings gehört nicht zu denen, die „Frau Neid“ sagen müssen. „Ich habe damals noch gegen Silvia gespielt“, sagt die 32jährige Nationalstürmerin, „und gegen Teammanagerin Doris Fitschen übrigens auch.“ Da bleibt man beim Du, obwohl Frau Neid jetzt hochdekorierte Bundestrainerin ist und für die jungen Küken wie beispielsweise Lena Goeßling „eine absolute Respektsperson, die ich natürlich sieze.“ Eine neue Generation von Fußballerinnen wird sich bei der Frauen-WM in Deutschland (27.6.-17.7.) präsentieren: Leistungssportlerinnen durch und durch, topfit und völlig frei von den Image-Sorgen früherer Zeiten. Man könnte auch sagen glattgebügelt, aber so mag Inka Grings ihre jungen Kolleginnen nicht sehen. „Nein, der Frauenfußball ist in den letzten zehn Jahren einfach professioneller geworden, das ist ein Riesensprung, den wir geleistet haben.“

Die Wir-Form wählt sie bewusst, sie darf sich als Wegbereiterin fühlen. Obwohl die routinierte Duisburgerin bei beiden WM-Titelgewinnen gefehlt hat, 2003 wegen einer Verletzung und 2007 wegen Differenzen mit der Trainerin. Stürmerin Grings schießt schnell und scharf, gelegentlich auch abseits des Platzes. Das unterscheidet sie von dem Junggemüse. „Aber hier beim Nationalteam ist keine arrogant, man profitiert voneinander“, sagt sie und grinst, „nein, die Jungen sollen halt einfach die Tore tragen…“

Just kidding, im Prinzip ist so kurz vor der WM alles in Butter. 60 Fotografen waren schon da zum Auftakt der WM-Vorbereitung in Köln vor zwei Monaten, 2500 Medienschaffende sind jetzt für die Frauen-WM akkreditiert, das Fernsehen überträgt alle 32 Spiele live – mehr öffentliches Interesse war nie. Generalstabsmäßig hat man beim DFB das Frauen-Sommermärchen geplant: In sieben Lehrgängen war das Team fast elf Wochen zusammen, vier gewonnene Vorbereitungsspiele zeigen: die WM-Form stimmt. Eigene Fitness-Trainer wurden angeheuert, ein Psychologe steht immer als Ansprechpartner bereit, das TrainerInnen-Team ist fünfköpfig. „Ein perfektes Rundumpaket“, lobt Grings, „wir haben hier wirklich alles.“

Wie sich die Zeiten ändern. Neulich war Gero Bisanz bei den Nationalspielerinnen zu Besuch, der frühere Frauen-Bundestrainer. Der staunte. „Toll ist das heute. Wir hatten damals 14 Tage Zeit zur Vorbereitung – maximal.“ Unter Bisanz wurde Deutschland 1989 erstmals Europameister. Es war der Start in eine verheißungsvolle Frauenfußball-Zukunft, auch wenn das die DFB-Funktionäre noch nicht wirklich sehen wollten. „Ach“, klagte damals DFB-Präsident Hermann Neuberger, „ich hätte mir die Damen schon etwas weiblicher gewünscht, gazellenhafter.“

Weiblich sind sie heute auf jeden Fall. Lira Bajramaj, der prominente Jungstar im Team, erscheint nie ungeschminkt und hat die Nägel pink lackiert. Sie ist adrett und nett und gelegentlich sogar kritisch. Warum die ARD-Sportschau eigentlich nicht auch über die Frauen-Bundesliga berichte, fragte sie kürzlich öffentlich und forderte ein Spiel im wöchentlichen Programm. Oho, da hat man beim DFB ein bisschen geschluckt und beeilt sich zu versichern „dass wir sehr zufrieden sind mit unseren Medienpartnern ARD und ZDF, die im großen Umfang live berichten.“ (DFB-Pressemann Niels Barnhofer).

Bitte nur stromlinienförmige Aussagen – das ist der Preis der neuen Prominenz. Der DFB lässt sich das WM-Paket mit einem Etat von 51 Millionen einiges kosten, der dritte WM-Sieg in Folge und ein erneuter Mädchenfußball-Boom sind angepeilt. Der größte Sportfachverband der Welt braucht in Zeiten des Geburtenrückgangs stabile Mitgliederzahlen, und Mädchenfußball ist ein florierendes Feld. Zuwachszahlen von über zehn Prozent sind noch immer normal, bei den Jungs dagegen ist der Markt ausgeschöpft. Ein WM-Sieg im eigenen Land, zur besten Sendezeit im Live-TV, wäre die perfekte Werbung in eigener Sache.

Und wenn sie nicht zum dritten Mal in Folge Weltmeisterinnen werden? „Es ist kein Selbstläufer“, sagt Inka Grings, „das muss klar sein. Aber wir haben uns den Status als Favoritinnen erarbeitet, für mich ist das ein positiver Druck.“ Brasilien und die USA bleiben die Hauptkonkurrenten bei der WM, auch die Asiatinnen sind gefürchtet. Wundertüte Frauen-WM: Kolumbien ist erstmals dabei, Neuseeland und Äquatorial-Guinea, exotisch anmutende Teams, die trotzdem oder vielleicht gerade Zuschauer anziehen. Jedenfalls sind schon über drei Viertel der 900 000 Eintrittskarten verkauft, für die deutschen Spiele gibt es seit Wochen keine Tickets mehr. „Das tut schon gut“, findet Babett Peters von Turbine Potsdam, „und steigert die Vorfreude auf die WM noch mehr.“

Lena Goeßling freut sich besonders darüber, diesmal dabei zu sein. Schon zwei Mal flog die Innenverteidigerin vom SC Bad Neuenahr in letzter Sekunde aus dem Kader, diesmal gehörte sie  nicht zu den fünf Spielerinnen, die kurz vor der WM noch aussortiert wurden. Seit zwei Jahren trainiert sie als Sportsoldatin unter Profi-Bedingungen –  zwei Mal täglich. „Diesmal werde ich es schaffen“, sagt die 25Jährige, „schon für meinen Bruder und meine Eltern, die sind so stolz auf mich!“

Stolze Eltern, jubelnde Brüder – das gab es nicht immer. Noch 1995 musste der damalige Nationaltrainer Gero Bisanz besorgte Eltern ambitionierter Spielerinnen davon überzeugen, dass Fußballspielen mitnichten lesbisch mache. „Die suchen dann das Gespräch mit mir“, so erzählte er damals, „und ich habe alle Mühe, ihre Befürchtungen zu zerstreuen.“ Überhaupt war es lange Jahre das vorrangige Interesse der Presse, wer denn nun und wer mit welcher und warum. Fußballspielerinnen waren nur als Lesben interessant, als Sportlerinnen weniger. Ein Trauerspiel.

Heute wird Inka Grings schon mal auf der Straße angesprochen. Auf ihre sportlichen Erfolge. „Ich genieße das“, sagt sie, „wir haben jahrelang darum gekämpft in der Öffentlichkeit zu stehen und jetzt ist es so weit.“ Fast immer ist es ein freundlicher Smalltalk, der gehalten wird, und man wünscht viel Glück für die WM. „Stalking oder so was habe ich noch nie erlebt, nie.“
Die Kombination von „Frauenfußball“, „Weltmeistertitel“ und „Deutschland“ scheint der Öffentlichkeit aktuell sehr zu behagen, schon kleine Jungs kennen die Gesichter der Nationalspielerinnen –  auch über Super-Fußballerin Birgit Prinz hinaus. Ein Trend, den die Wirtschaft erkannt hat: Zum ersten Mal überhaupt im Frauensport gibt es jetzt Panini-Bildchen der Nationalspielerinnen zum Sammeln und Einkleben nebst Frauen-WM-Album mit 17 Fußballerinnen pro Nation. Da ist sie dahin, die allerletzte Männerbastion. „Also ich kaufe mir gleich ein paar Tütchen“, erklärte Lira Bajramaj zum Verkaufsstart, „natürlich nur wegen der Bilder der anderen!“

 

 

 

Text: Beate Fechtig

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