Dezernent gibt Autonomem Zentrum bis auf weiteres Bestandsgarantie
Dienstag, 20. November 2018 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Zur Klarstellung eins vorweg: Der Autor dieser Zeilen ist Vorstand im NeuLand e.V., der auf dem Gelände der zukünftigen Parkstadt-Süd einen Gemeinschaftsgarten betreibt. Er ist deshalb nicht besonders neutral und darüber hinaus stinksauer. Wenn Ihr also das, was Ihr hier lest, polemisch nennt, habt Ihr völlig Recht. Doch der Reihe nach.
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeIch kann von mir sagen, dass ich bisher keine der großen Bürgerbeteiligungs- und Bürgerinformationsveranstaltungen verpasst habe, zu denen die Verwaltung eingeladen hat. Aber nach dem jüngsten Aufschlag mit 150 Leuten im Müller-Armack-Berufskolleg war ich fassungslos. Zwei Jahre haben Ortner+Ortner Baukunst, so heißt das beauftragte Architekturbüro wirklich, hinter verschlossenen Türen an der Integrierten Rahmenplanung für die Parkstadt gearbeitet. Darüber haben wir an dieser Stelle ausführlich berichtet. Und statt jetzt ausführlich den Integrierten Rahmenplan vorzustellen, der schon ziemlich detailliert vorwegnimmt, wie die Parkstadt auf dem heutigen Großmarktgelände dereinst aussehen wird, wurden die Bürger – teile und herrsche – im Berufskolleg wieder zu Thementischen geschickt, um wie in den vergangenen Jahren immer mal wieder ihre Wünsche zu äußern, die dann in der weiteren Planung nicht wirklich auftauchen. In dem Rahmenplan findet man lediglich Absätze, die mit „Ideenmarkt als Ressource“ überschrieben sind und heiter bis wolkig Hoffnung darauf machen sollen, dass irgendwann alles gut wird. Zitat: „Wird in den weiteren Planungen berücksichtigt.“ Auf einem Ideenmarkt haben wir vor drei Jahren das letzte Mal Wünsche auf Zettel geschrieben.
Um das mal klar zu sagen: Veranstaltungen, bei denen Mitarbeiter des Moderators Bürgervorschläge notieren, hatten wir genug. Und noch bevor die Mitarbeiter am Ende des Abends die immer gleichen Bürgerwünsche – Bezahlbarer Wohnraum, begrünte Fassaden, belebte Erdgeschosse, soziale Durchmischung und so weiter – vortragen, weiß man, wie es weiter geht. „Wir nehmen das dann mal mit“, heißt es am Ende verlässlich von Verwaltungsseite. Es scheint Strategie zu sein, die Bürger mit diesem Veranstaltungsformat zu zermürben.
Aber es gab auch Grund zum Jubeln. Für die 30 Leute vom Autonomen Zentrum (AZ), die sich nicht zermürben ließen, war der Abend im Berufskolleg ein voller Erfolg. Vorher hatten sie zu Beginn des Abends die Veranstaltung mit Zwischenrufen und Wortmeldungen beinahe gesprengt. AZ-Aktivist Reiner Schmidt stellte zunächst das Format in Frage. „Die Versammlung ist schließlich der Souverän und nicht die Verwaltung.“ Ein weiterer AZler wandte sich an Professor Dr. Franz Pesch, Stadtplaner aus Dortmund, Moderator des Abends und damit Nachfolger von Professor Klaus Overmeyer, der sich aus dem Verfahren zurückgezoge hat: „Herr Pesch, kann jemand wie Sie, der mit städtebaulichen Großprojekten sein Geld verdient, ein neutraler Moderator sein? Wohl kaum!“
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Das Musikhaus Süd – lebendiges Kulturzentrum für alleDoch bevor die Sache eskalierte, machte der neue Baudezernent Markus Greitemann den Autonomen ein Angebot, das manche Münder offen stehen ließ: „Ich bin hier auch als Vertreter der Oberbürgermeisterin. Ich sichere Ihnen eine Bestandsgarantie für das Autonome Zentrum zu, bis wir einen anderen Standort gefunden haben, dem Sie und Politik und Verwaltung zustimmen können.“ Bäm. Die Autonomen waren dermaßen überrascht, dass sie sich von Greitemann auf den Flur locken ließen, um dort über eine Stunde lang in Privataudienz beim Baudezernenten ihre Wünsche für einen neuen Standort des AZ vorzutragen. Greitemanns Mitarbeiter schrieben akribisch mit. Nach und nach entstand ein echtes Traumschloss unter dem Motto „Schöner wohnen im AZ“. Man darf gespannt sein. Drinnen im Saal ging unterdessen die Veranstaltung in jeder Hinsicht störungsfrei weiter. Alle Achtung, Herr Dezernent. Das nennt man wohl einen Boss Move.
Wer allerdings gehofft hatte, endlich Details aus der integrierten Planung zu erfahren, wurde weitestgehend enttäuscht. Aber immerhin. Dr. Roland Dittmeyer, der eine Klimastudie für die Parkstadt Süd durchgeführt hat, hat festgestellt, dass das Klima dort besser sein wird als jetzt. Wen mag das wundern, wenn man nebenan knapp 30 Hektor Schotter- und Asphaltbrache in einem Park verwandelt? Axel C. Springsfeld von der BSV Verkehrsplanung aus Aachen stellte ein erstes Verkehrskonzept für die Parkstadt vor. „Autoarm aber nicht dogmatisch autofrei“ soll sie werden. Die Straßenbreiten werden aus städtebaulicher Sicht geplant und nicht möglichst komfortabel für Autos. „Leitverkehr ist der Fußverkehr.“12.000 Fahradabstellplätze sieht Springsfeld vor. Elektrobusse und kleine Shuttle-Busse, die autonom unterwegs sind, bringen die Menschen zu den Haltestellen der Stadt- und S-Bahn. Der Gütertransport auf der berühmten letzten Meile soll umweltfreundlich sein. Also das komplette Mantra der aktuellen Verkehrsplanung versehen mit dem Zusatz: „Wir wissen natürlich nicht, wie die Mobilität in der Zukunft konkret aussieht.“ Alles andere als unkronket ist der Ausbau der Kreuzung Bonner Straße/Schönhauser Straße auf 21 Spuren, der kommendes Jahr ansteht. Greitemann teilte dann noch mit, dass man im kommenden Jahr einen Bebauungsplan für den neuen Grüngürtel und bis 2023 Bebauungspläne für die Parkstadt vorstellen wird. Selbstverständlich mit den gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerbeteiligungen. Und danach müsste nur noch der Großmarkt umziehen.
Fazit: Ich habe an diesem Abend dreieinhalb Stunden meines Lebens komplett verschwendet. Und ich habe mittlerweile eine ganz starke Allergie gegen Zettel mit Bürgerwünschen an Stellwänden. In allen Veröffentlichungen der Stadtverwaltung zur Parkstadt ist immer wieder von einem „viel beachteten Planungs- und Beteiligungsverfahren“ die Rede. Als Anhänger von Borussia Dortmund darf ich sagen: Die Spiele von Schalke 04 sind auch viel beachtet. Gut sind sie deshalb noch lange nicht.
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