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Kultur

Die Basics unserer Seele

Montag, 17. Oktober 2011 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

– Johannes Stankowski über seine neue Platte und sein Leben als Musiker in Köln.
Das Eierplätzchen ist seine alte Heimat, und darum passt es Johannes Stankowski gut, dass wir das Interview spontan in meine Wohnung verlegen. In den Kneipen läuft überall Köln gegen Hannover, es steht 1:0 nach Freistoß Podolski. Das heißt: Nirgendwo eine ruhige Ecke. Also findet sich Johannes Stankowski in meinem Wohnzimmer wieder und steht am Fenster, während unten das Eierplätzchen im Abendlicht liegt. „Bei dem Ausblick könnte ich glatt nostalgisch werden“, sagt er. „Hier hat sich unsere Generation gefunden, verbrüdert, verschwestert. Das waren die, die 1980 geboren wurden. Wir haben hier von 1997 bis 1999 abgehangen.“

Beim Interview bewegt sich Johannes Stankowski viel, während er sich im Sessel räkelt. Er wechselt die Position, streckt die Beine zwischendurch aus – Jeans, weiße Turnschuhe. Seine Hände sind in Aktion, sein Kopf mit dem schwarzen Haar und dem Bart auch – doch was er ausstrahlt, ist nicht Hektik, sondern Energie. Er erzählt lebendig und mischt viele englische Wörter in seine Sätze – was nicht abgehoben oder arrogant wirkt. Johannes Stankowski spricht eben genau so. Er sagt „true old school“ oder „beefig“ (im Sinne von rustikal) oder über seinen früheren Band-Partner Simon Werle: „Wir haben uns gegenseitig befruchtet to the max.“ Das kalte Kölsch nimmt er gern, aber die Jacke lässt er vorerst an. „Jetzt nur nicht krank werden: Wir gehen auf Tour, das heißt drei Wochen lang jeden Tag ein Gig.“ Besonders freut sich Johannes auf das Konzert am Sonntag im Stadtgarten: „Das wird ein Heimspiel. Die ganze Band, mit Aydo Abay von Blackmail und der Sängerin und Musikerin Charlotte Brandi. Das wird ein fetter Package-Abend. Eine Revue, könnte man sagen.“

Und schon sind wir im Thema. Die Musik in seinem Leben beginnt in der Waldorf-Schule, auch wenn er die Choroi-Flöte (eine Verwandte der Blockflöte) nur widerwillig spielt. Später die erste Kinderband mit den Söhnen von Klaus dem Geiger und Auftritten bei Aktionen der BISA, der damaligen „Bürgerinitiative Südliche Altstadt“. Geblieben sind: die Gitarre und das Gefühl, dass sein Umfeld ihn bestärkt und fördert. Und: dass er politisch links ist. Bis heute liest er darum die streng linke Tageszeitung „Junge Welt“. „Stell Dir vor“, sagt er, „am Chlodwigplatz gab es einen Kiosk, die verkaufen gleichzeitig die ,Junge Welt‘ und die ,Junge Freiheit‘ (eine umstrittene rechte Wochenzeitung, Anm. d. Red.).“

Der erste Erfolg: Das Duo „Werle & Stankowski“. Johannes hat sich jetzt warm geredet, er ist ein guter Erzähler. „Den Simon habe ich über die linke Szene in Köln kennengelernt. Das war die Zeit der Tocotronic-Fans, der politischen deutschen Jugendkultur. Simon sammelte damals Skills auf der elektronischen Musikebene, und ich sollte einen Kurzfilm in Berlin vertonen und habe ihn um Hilfe gebeten. Es hat zwischen uns musikalisch sofort mega gefunzt.“ Die Musik: Songs mit Gitarre und elektronischen Effekten. Johannes singt,  und die Band begleitet als Vorgruppe Blackmail und 2Raumwohnung. „Werle&Stankowski“ trennen sich Ende 2008 – und 2011 kommt die neue Platte von Johannes heraus: „Torres Vol. 1“ heißt sie, aufgenommen in Hamburg. In Hamburg?

„Wir hatten Geld für diese Produktion, und ich wollte unbedingt ein Album mit Tobias Levin machen. Er ist so ein prestigeträchtiger Produzent, der schon mit Blumfeld und Tocotronic gearbeitet hat. Ich stehe auch zu dem Album, es ist gut konstruiert, aber mir sind die Aufnahmen am Ende zu beefig geworden, zu deutlich in den Farben. Ich wollte es gern etwas pastelliger, also habe ich ein paar Lieder noch einmal in Köln im Gotteswegstudio aufgenommen. Wir haben vieles in einer einzigen Session aufgenommen, das war mir wichtig: Die Musik, die ich selbst immer konsumiert habe, die ist von Menschen gleichzeitig in einem Raum eingespielt worden, egal ob bei den Hollies, den Beatles oder Bob Dylan.“

Das neue Album. Ein Kritiker schrieb, es sei geprägt von zuversichtlicher Melancholie. „Klick mal bei Youtube auf ,The Pen Story‘, sagt Johannes. „Ich verdiene mein Geld ja eigentlich als Werbemusiker. Und das hier war ein Song für Olympus, für die Digitalkamera Pen.“ Ich klicke den Song an, der beeindruckende 3,7 Millionen Aufrufe hat. Johannes redet weiter, während die Musik läuft. Eine Gitarre, ein ruhiger Rhythmus. Der Johannes im Computer singt: „Do the things you wanna do, ‘cause life won‘t wait“, und der echte Johannes in meinem Wohnzimmer kommentiert: „Also das ist schon verdammt melancholisch. Aber es hat eben auch etwas, das Zuversicht verströmt.“ Das Lied wird etwas treibender, schneller. „Hör mal, jetzt wird es rustikal, übrigens kannst Du jetzt ruhig wieder leiser machen.“

Aus der „Pen Story“ wurde auf dem neuen Album der Song „Down below“, selbstverständlich erst nach Ablauf der offiziellen Lizenz-Zeit. „Meine Lieder sind immer ganz nah am Geschehen, an dem, was mich und die Menschen betrifft, die mich umgeben. Ich denke mir nichts aus, ich erfinde keine krassen Stories, keine Fantasietexte. Mein Metier ist es, die Basics unserer Seele auszuleuchten: Mal sind wir zuversichtlich, mal enttäuscht, mal skeptisch.“ Und die Politik? Wäre doch logisch, bei der biographischen Prägung als Linker. Die Antwort von Johannes liest sich pathetisch, aber so wie er es betont, klingt es aufrichtig: „Du musst Dich demütig demgegenüber verhalten, was Dir zufliegt. Und die politischen Themen kommen nicht zu mir, das kann man nicht erzwingen. Und solche Songs können ja auch etwas Unangenehmes haben. Ich meine, politische Texte fangen an bei ,We are the world‘, und das geht dann weiter von Bob Geldof bis zu ,Wir sind Helden‘.“

Was ist mit dem Thema Familie? Schließlich ist Johannes inzwischen Vater geworden. „Nein, in dem Album sind sie noch nicht drin, die Kinderthemen. Es gibt ja immer eine Diskrepanz zwischen dem Schreiben einer Platte und der Veröffentlichung, dann bist Du ja meist schon in einer ganz anderen Phase. Ich habe nach dem neuen Album viele Songs geschrieben, in denen es nicht mehr um nächtliche Erlebnisse geht, so wie früher. Der Umbruch kam mit der ersten Schwangerschaft, aber da waren die Songs für das aktuelle Album schon alle im Kasten. Im November nehme ich die neue Platte auf – die ,Torres Vol. 2“ heißen müsste, es aber nicht tut. Und die ist nochmal anders geworden. Jetzt geht es um Fragen wie: Wie geht es mit dieser neuen Welt der Verantwortung? Bin ich bereit dafür? Was hat es mir gegeben? Ich bin kein Rock‘n Roller mehr, ich habe den Family-Style angenommen.“

Die neue Platte wird Johannes Stankowski aller Voraussicht nach selbst produzieren. „Ich mache seit zehn Jahren Platten. Ich bin zwar von den Skills her nicht der Mega-Produzent, und ich könnte sicher kein Album für die ,Pet Shop Boys‘ produzieren – aber meine eigenen Platten? Das schon.“ Dann reden wir auch noch über Köln, über die elektronische Musikszene hier („maßgeblich im Minimal-Techno“), über die Independent-Szene („gut vernetzte Strukturen“) und über die Frage, wie die Bildschirm-Welt unser Leben verändert („wir müssen uns ja zurückerziehen zu einer analogen Lebensweise“). Und über Köln, seine Heimat, zu der Johannes Stankowski steht wie ein Fels. Zitat: „Ich find‘s einfach geiler hier als anderswo. Und ich habe oft genug anderswo gewohnt. Köln hat eine Qualität, die erkennst Du eben erst aus der Distanz.“
 

Stankowski im Netz findet Ihr hier.

Karten für das Konzert am Sonntag, 23.10., im Stadtgarten köönt Ihr hier reservieren.

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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