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Gesellschaft Politik

Die Brache lebt – Mehr als 150 Menschen bepflanzen das Gelände der ehemaligen Dom-Brauerei

Montag, 4. Juli 2011 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Einer der Guerilla-Garten-Pioniere, der Londoner Richard Reynolds, sprach letzte Woche im Magazin einer großen Kölner Tageszeitung davon, dass die Deutschen eher zurückhaltend seien, was das so genannte „Guerilla-Gardening“ betrifft.
Eines steht fest: Richard Reynolds scheint die Initiative „NeuLand“ noch nicht zu kennen: Am Sonntag ist es der Bürgerinitiative gelungen, mehr als 150 Menschen zu begeistern, auf dem brachliegenden Gelände des ehemaligen Dom-Brauerei-Logistikzentrums an der Alteburger Straße/Koblenzer Straße einen Garten anzulegen.
Kurz vor 15 Uhr treffen die ersten „Guerilla-Gärtner“ ein, bewaffnet mit Pflanzen, Harken und Spaten.
Gary Meuser, Mitbegründer der Initiative „NeuLand“ ist zufrieden: „Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt, haben Werbung gemacht auf allen Ebenen.“ Vor allem die vielen Familien haben ihn begeistert: „Das Gelände sieht so belebt echt super aus“, erzählt der Mitinhaber des Fahrradgeschäftes „Radwald“.

 


Währenddessen bauen die DJs Sascha und Andy ihr Pult auf dem Dach des ehemaligen „Lingemann“-Gebäudes auf, und kurze Zeit später wird der neue Garten nicht nur fleißig begossen, sondern auch noch mit Musik beschallt. Überall hocken Eltern und Kinder und buddeln, graben und pflanzen. Hier ein Rosmarin, da eine Sonnenblume: Der Boden ist hart, das Pflanzen fordert Geduld und Kraft.
Der selbst ernannte „Präsident der Bananenrepublik“ ist unter den Besuchern – er gärtnert selbst zwar heute nicht, dennoch ist auch er von der Aktion angetan: „Es kann nicht nur die Stadt etwas für die Bürger tun, auch die Bürger können etwas für die Stadt tun“, sagt er, „das hier ist nichts Strafbares, und die Bananenrepublik ist von der Stadt inzwischen offiziell anerkannt.“ Langfristig wünscht er sich von dem Gelände, dass es kein Schandfleck bleibt. Er sieht die Aktion als Auftakt, eine positive Entwicklung des Gebiets voranzutreiben.
Gary Meuser und seine Mitstreiterinnen von „NeuLand“ möchten mit der Aktion zunächst darauf hinweisen, dass es die Brache überhaupt gibt.
Selbst wenn die Fachhochschule hier ein neues Domizil bekommen sollte, würde es nach Angaben der Initiative noch mindestens zwei Jahre dauern, bis ein möglicher Bau beginnen könnte. Die Initiative wünscht sich bis dahin eine Zwischennutzung als Bürgergarten und möchte das noch in dieser Woche beantragen.
Sollte die Fachhochschule nicht kommen, worauf es nach der derzeitigen Gemengelage hinauszulaufen scheint, wünscht sich die Initiative langfristig etwas anderes als den Kauf durch einen Investor und die anschließende Bebauung mit teuren Wohnungen und Büros. „Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger mit in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden“, sagt Meuser. Er wünscht sich ein Areal, auf dem alle Bevölkerungsgruppen zusammenleben können und das weniger starr gestaltet ist als herkömmliche Planungen. „Warum müssen Gebäude immer aus langlebigem Beton gebaut werden?“, fragt er sich. Wichtig sei darüber hinaus, dass das Gebiet auf vollkommen neuen Umweltstandards basieren müsse und somit eine Art Pilot-Projekt für zukünftiges Wohnen darstellen könne.

 

Auch für Jakob Spehr ist es unverständlich, warum auf dem Gelände keinerlei Zwischennutzung vorgesehen ist. Der Künstler hat über „Meine Südstadt“ von der Aktion erfahren und macht sich gerade daran, eine Blume in das „Erdreich“ zu pflanzen. Er stört sich grundsätzlich an der Vergabe-Politik der Stadt und den immer gleichen Investoren, die Gelände entwickelten: „Das wird nicht für die Menschen gemacht, sondern für den eigenen Profit“, resümiert er seinen bisherigen Eindruck in Köln. Er habe bereits vier Ateliers gehabt, aus allen sei er durch solche Investoren heraus gedrängt worden.
Er kann sich vorstellen, dass das „Lingemann“-Gebäude, das derzeit leer steht, für Künstler und andere Kreative zur Verfügung gestellt wird, um dort temporär günstigen Arbeitsraum zu schaffen.
Die Kalkerin Annette Schwarz hat extra für die Aktion eine Reise auf die andere Rheinseite gewagt, um die Initiative zu unterstützen. Sie hat bereits Ideen für ähnliche Projekte in Kalk und hofft, dass dann auch Südstädter auf die „Schäl Sick“ kommen würden, um mitzuhelfen. Sie könnte sich sogar vorstellen, selbst ein Gelände zu kaufen und anschließend der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

So weit geht die Initiative „NeuLand“ nicht – sie hofft erst einmal, mit der gestrigen Aktion erfolgreich einen Grundstein für weitere Aktivitäten rund um das Areal gelegt zu haben. Die Initiatoren ziehen nach der Garten-Aktion eine positive Bilanz: Trotz der kurzen Vorbereitungszeit seien viele Menschen gekommen.
Einige von ihnen kommen mit zur Schreinerei von Wilfried Nißing und diskutieren, wie es weitergeht mit der Brache rund um die Alteburger Straße.

 

Zu hoffen bleibt, dass „NeuLand“ nicht am klassischen Bürgerinitiativen-Syndrom leiden wird und schon bald weniger Zuspruch erfahren wird als gestern. Die Pflanzen jedenfalls machen den Ort schon ein bisschen erträglicher – und sie setzen ein Zeichen für alle anderen Südstadterinnen und Südstädter, dass die Brache lebt.
 

Am Sonntag, 17. Juli, 16 Uhr, treffen sich Gärtner und Gärtnerinnen zum weiteren Bepflanzen und Diskutieren – und auf der Homepage von NeuLand können Bürger ab sofort ihre Ideen für das Gelände posten.

Text: Wassily Nemitz

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