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Kultur

Die Frühlings-Wohnzimmer-Spenden-Lesung

Mittwoch, 10. Juni 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wenn der Kölner Künstler Cornel Wachter einlädt, dann kommen sie alle. Frank Schätzing ist da, er liest als erster. Der Musiker Piet Haaser spielt zwischendurch auf dem Akkordeon „Summertime“: herrlich. Der Schauspieler Ralf Richter erzählt vom Igel mit Hosenträgern, der Sänger Gerd Köster von Muhammad Ali. Es ist ein luftiger, ein sonniger Frühlingsabend.

 

Vorne im Vringstreff steht ein viereckiger Tisch, darauf eine Schreibtischlampe und ein Mikrofon – und zwei Bücher. Sie sind beide von Cornel Wachter: „Es sind die einzigen, die ich je gemacht habe – und die einzigen, die ich vielleicht je gemacht haben werde“. Die Bücher erzählen von Kunst und Musik, von der ersten Begegnung mit beiden, es sind kurze, nostalgische, witzige  Texte. Das eine Buch heißt „Ich fand Kunst doof und gemein“ (Titelidee: Schätzing), das andere heißt „Als Paul McCartney mich anrief“. Aus diesen Büchern lesen die Menschen, die heute hier sind.

 

Der Anlass ist einfach – in den Worten von Pfarrer Hans Mörtter: „Wir haben zwar kein Geld, aber es funktioniert trotzdem.“ Er meint den Vringstreff, die Anlaufstelle in der Südstadt, der kleine, feine Anker für Menschen, die ihren Job verloren haben, die arm sind, die kein Dach über dem Kopf haben. An diesem Abend wird gesammelt, die Aktion läuft noch bis Ende Juli: Bis zu diesem Tag verdoppelt der Kirchenverband noch jede Spende für den Vringstreff. Im Klartext: 20 Euro geben, macht 40 Euro für den Vringstreff.

 

Wenn Künstler Cornel Wachter einlädt, dann kommen sie alle.

 

Cornel Wachter erzählt zum Warmwerden von Klaus Ulonska, dem Fortuna-Vorsitzenden, der im März starb (seine Frau Helge sitzt auch im Publikum). Ulonska wollte eines sonntags ins Odeon, aber er war viel zu früh da. Wie immer. Der Film begann vormittags um elf, und es war erst viertel vor zehn. Cornel Wachter schickte Ulonska weg mit den Worten: „Jetzt gehst Du mal ins Vringstreff frühstücken, und dann kommst Du wieder.“

 

Ulonska kam aber nicht wieder. Er traf im Vringstreff Menschen, die er von früher her kannte. Leute, die bei ihm im Dachdeckerhandel eingekauft hatten. Die dann später im Leben den Halt verloren – und im Vringstreff neuen Halt fanden. „Wenn noch einmal jemand ‚Penner‘ zu ihnen sagt, dann erzähl ich dem was“, meinte Ulonska damals. Er und seine Frau hatten zu diesem Zeitpunkt schon begonnen, im Vringstreff zu kellnern.

 

Die Lesung ist eine Wohnzimmer-Lesung, ganz intim, ganz vertraut. Die Menschen im Publikum reagieren freundlich, sie klatschen, sie lachen. Es ist schön zu sehen, dass alle, die vorne lesen, mitten im Publikum sitzen und dann am Mikrofon ihren kurzen Text lesen – und sich wieder setzen.

 

Auch Cornel Wachters Onkologe ist da, der Internist Kai Severin. Cornel Wachter hatte Darmkrebs, das war 2010. Und Kai Severin versprach ihm, dass er trotz Chemotherapie seine Haare behalten würde. Das klappte damals dann nicht, aber heute hat Cornel Wachter seine Haare und seine Gesundheit wieder, und es war das Schreiben der Bücher, mit dem er, wie er sagt, „ins Leben zurückgekommen“ ist. Kai Severin erzählt von seiner ersten Musik: Peter und der Wolf, von Sergei Prokofjew.

 

Besonders kurz ist der Text, den Gerd Köster liest – darum erzählt er vorher und nachher ein bisschen was. Davon, dass Schach viel brutaler sei als Boxen: „Beim Boxen will man den Gegner nur k.o. hauen, beim Schach will man ihn vernichten.“ Gerd Köster erzählt von Muhammad Alis „Phantomschlag“ im Kampf gegen Sonny Liston am 25. Mai 1965: Es war sechs Uhr morgens in Deutschland, und der kleine Gerd sah, wie Sonny Liston zu Boden ging. Er habe sich die Szene später oft angeschaut, sagt Gerd Köster, also genau den Moment, als der Tänzer Muhammad Ali den K.o.-Schläger Sonny Liston traf. Was war das? Absicht? Fake? Das Publikum hält die Luft an, und Gerd Köster haut die Punch-Line raus: „Es war Kunst.“

 

 

Hans Mörtter liest für Abdallah Frangi, einen der Berater von Palästinenserpräsident Abbas, der heute nicht da sein kann, weil er zur Zeit im Gazastreifen ist. Seine erste Musik hörte Frangi von den Hirten, daheim, mit seinen neun Geschwistern in einer Beduinenfamilie. Später, auf der Flucht aus Palästina 1948, summte seine Mutter Lieder für die Kinder, es waren auch Koranverse dabei, und der Familie gaben sie Trost und Geborgenheit.

 

Dann liest Thomas Baumgärtel, der berühmte Bananen-Sprayer. Auch er ist da, und er lenkt den Blick auf Alfred Neven DuMont, den Kölner Verleger, der vor ein paar Tagen gestorben ist. Baumgärtel betont, dass Neven DuMont auch ein wichtiger Mäzen gewesen sei. Und dass er auch seine, also Baumgärtels Kunst, gefördert habe.

 

So geht das den ganzen Abend im Vringstreff, es sind einfache, ergreifende Geschichten, die ins Viertel hinein und in die große Welt hinaus führen. Zwischendurch kreist die Spendenbüchse, und die 70 Menschen im Raum greifen zur Geldbörse. Wer von euch nicht da war, kann das nachholen – denkt immer an das Motto: Jeder Euro wird verdoppelt. Es lohnt sich also. Für euch, und für den Vringstreff.

 

 

Die Spende könnt ihr hier einzahlen, auf das Konto des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region:

Kreissparkasse Köln
IBAN: DE10 3705 0299 0000 0044 04
Stichwort: VRINGSTREFF (nicht vergessen!)

 

Mehr Infos zur Aktion gibt es, wenn ihr auf diesen Link klickt.

 

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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