Die Geschichte der Hindenburg für Groß und Klein
Dienstag, 25. Oktober 2016 | Text: Lisa Stiemer | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Mitte der 30er Jahre gab es sie noch, die pompösen Luftschiffe, die Passagiere von Europa nach Amerika beförderten. Mit einem Zeppelin zu fahren, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die schnellste Art, von Europa nach New York zu reisen, denn nur zwei bis drei Tage brauchte das 250 m lange Luftschiff, um über den Atlantik zu gelangen. Der 14-jährige Werner Franz arbeitete zu dieser Zeit als Kabinenjunge auf der Hindenburg, dem größten jemals gebauten Luftfahrzeug.
Doch im Jahr 1937 war jäh Schluss mit den Fahrten der Hindenburg – durch einen tragischen Unfall. Werner Franz überlebte den nur wenige Sekunden dauernden Sturz mit Geschick und etwas Glück.
Die Kölner Stephan Martin Meyer und Thorwald Spangenberg sahen sich diese Geschichte genauer an und machten daraus ein Sachbilderbuch, das auf den Erlebnissen des Kabinenjungen Werner Franz auf der Hindenburg basiert. Durch die Verbindung von Text, Gouache-Illustrationen, Karten, Infografiken und Graphic-Novel-Elementen kreierten sie damit einen ganz besonderen Buchcharakter.
„Meine Südstadt“ traf den Autoren und Texter Stephan Martin Meyer, der auch einige Jahre für unser Portal geschrieben hat, und den Illustrator Thorwald Spangenberg und sprach mit ihnen über Zeppeline, die Hauptfigur Werner Franz und weitere anstehende Projekte.
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen euch beiden entstanden?
Thorwald Spangenberg: Ich habe schon 2010 als Design-Student Kontakt zum Gerstenberg Verlag aufgenommen und der Lektorin meine Diplomarbeit zugeschickt. Auch in dieser Arbeit hatte ich mich mit Zeppelinen beschäftigt. Der Verlag war an dem Thema interessiert und als ich Stephan 2012 kennenlernte, haben wir beschlossen, das gemeinsam weiterzuentwickeln. Der Verlag hat schließlich entschieden, das Projekt umzusetzen und damit waren wir zusammen an Bord.
Wie seid ihr dann auf die Idee zu eurem Buch gestoßen?
Stephan Martin Meyer: Bei den Recherchen haben wir ziemlich schnell das Buch Kabinenjunge Werner Franz entdeckt. Walter-Eberhard von Medem hatte dafür den ehemaligen Kabinenjungen ein halbes Jahr nach der Katastrophe interviewt und seine Erzählungen in einem Buch zusammengefasst. Natürlich ist der Text nationalsozialistisch sehr verbrämt und wir haben die Geschichte auf ihre Kernpunkte zusammengestrichen. Von Medems Text und unsere Recherchen, aber auch das Buch Mit dem Zeppelin nach New York muss man immer Kontext dieser zeit betrachten.
Wir hatten eine perfekte Grundlage für unsere Geschichte: Ein 14jähriger Junge, der auf der Hindenburg arbeitet, das Leben im Zeppelin mitbekommt, mit dem Personal und den Passagieren Kontakt hat und schließlich auch noch den Absturz überlebt. Wir hatten also eine Geschichte, die auf wahren Fakten basiert. Und wir hatten hervorragendes Quellmaterial als Basis. Mit diesen Informationen sind wir auf den Verlag zugegangen.
Wie lange hat die gesamte Produktion gedauert? Wann habt ihr angefangen, wann war das Buch fertig?
Thorwald Spangenberg: Von Dezember 2012 bis Frühjahr 2016.
Was waren die Herausforderungen bei der Herstellung des Buches?
Thorwald Spangenberg: Erst mal mussten wir die Vorlage zu einer guten Geschichte umarbeiten. Und für die Illustrationen waren die Zeichnungen des Zeppelins selbst das Schwierigste: Der Rumpf war mit Aluminium-Farbe überzogen und glänzte bei jedem Wetter anders. Ich musste mir bei jeder Zeichnung genau überlegen, aus welcher Richtung das Licht auf die Hülle fiel. Und immer wieder war ich damit konfrontiert, dass ich mir Details ausdenken musste, die trotzdem im Gesamtkontext plausibel sein sollten.
Stephan Martin Meyer: Ein großer Spagat war bei allen Themen des Buches, dass wir sehr viele Vorlagen hatten und die wahre Geschichte des Werner Franz kannten. Außerdem gab es Fotos von der Hindenburg und Aufnahmen vom Absturz. Zugleich sollte die Geschichte zumindest in Teilen fiktiv sein, um sie dramaturgisch spannend zu gestalten. Wir wollen ja nicht einfach nur das Geschehen nacherzählen. Es war sowohl bei den Illustrationen als auch beim Text eine Herausforderung, zu entscheiden, wo wir uns Freiheiten nehmen können und wie detailliert und wahrheitsgetreu die Zeichnungen sein müssen.
Was habt ihr außer dem Buch von W. E. von Medem für die Recherche genutzt?
Thorwald Spangenberg: Das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen war uns eine große Hilfe. Dort gibt es einen Teilnachbau der Hindenburg, an dem man viele Details sehen kann. Außerdem hat uns die Leiterin des Archivs der Zeppelin GmbH eine Menge Material zur Verfügung gestellt.
Stephan Martin Meyer: Das tolle war, dass uns Frau Waibel, die Leiterin des Zeppelinarchivs, drei Stunden durch das Museum geführt und uns danach alle Türen geöffnet hat. Frau Waibel ist DIE Koryphäe auf dem Gebiet der Zeppeline und der Zeppelingeschichte. Sie ist schließlich auch unsere Fachlektorin geworden und hat zugestimmt, das Logo des Archivs auf das Cover zu setzen. Das ist wie ein Gütesiegel.
Was ist das faszinierende an der Hindenburg?
Thorwald Spangenberg: Die Größe, die Art des Reisens und die Technik. Die Art, wie das alles funktioniert hat. Denn schließlich war der Zeppelin wie ein Kreuzfahrtschiff in der Luft.
Stephan Martin Meyer: Mich fasziniert tatsächlich die schiere Größe. Der Zeppelin war 250 Meter lang. Und er ist das erste Luftfahrzeug, das Menschen über den Atlantik transportiert hat. In den 1930er-Jahren gab es zwar schon Flugzeuge, aber das waren kleine Maschinen, in denen Abenteurer saßen, die nicht wussten, ob sie ankamen, die allein unterwegs waren und viel kürzere Strecken zurücklegten.
Warum heißt es eigentlich fahren und nicht fliegen?
Thorwald Spangenberg: Der Zeppelin ist leichter als Luft. Er war damals mit Wasserstoff gefüllt und dadurch etwas leichter als die Elemente drumherum. Er war also wie ein Schiff, das auf dem Wasser fährt. Ein Flugzeug dagegen hebt durch Geschwindigkeit und die dabei entstehenden Luftströmungen ab und fliegt daher.
Stephan Martin Meyer: Heute brauchen Zeppeline Propeller und Vortrieb zum Aufsteigen, da das Gasvolumen dafür nicht ausreicht.
Thorwald Spangenberg: Außerdem haben die modernen Zeppeline auch kleine Flügel. Daher fliegen die heutigen Zeppelin auch. Die Technik hat sich geändert.
Das Buch hat viele Comic-, aber auch viele sachliche Elemente. Es ist aber kein reiner Comic und auch kein reines Sachbuch. Wie seid ihr auf das Gestaltungskonzept gekommen und warum?
Thorwald Spangenberg: Unsere Geschichte hat viele Sachaspekte: Wie sahen Zeppeline aus? Wie sind sie gefahren? Und Sachbücher haben oft einen trockenen Ton. Aber in den Teilen des Buches, in denen die Geschichte des Kabinenjungen erzählt wird, wird es emotional. Da ist der Graphic-Novel-Stil ein geeignetes Mittel. Und dieses Stilmittel kommt dann auch eher im hinteren Teil des Buches mit seinen großen Emotionen zum Tragen.
Stephan Martin Meyer: Das Buch funktioniert im Grunde sowohl textlich als auch bildlich auf drei Ebenen: Da ist einmal die Geschichte des Werner Franz und damit korrespondierend große, zum Teil zweiseitige Bilder; dann gibt es die Graphic-Novel-Elemente und dazu ganz knapp gehaltenen Text; und als drittes sind da die technischen Zeichnungen, die Karten, die Aufrisse und Lagepläne, die textlich nur kurze Beschreibungen brauchen. In dieser Mischung gibt es auf dem deutschen Kinderbuchmarkt bisher wenig.
Wird es ein weiteres gemeinsames Buch geben?
Stephan Martin Meyer: Wir arbeiten bereits an einem neuen Projekt für den Gerstenberg Verlag. Aber wir können natürlich noch nicht verraten, was es wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
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