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Gesellschaft Kultur

Die Kunst des Durcheinanders: Schmidt&Spehr

Donnerstag, 14. April 2011 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Gleich von einer aufblühenden Kunstszene in der Südstadt zu sprechen, wäre zu viel. Aber es gibt sie eben doch: Diese jungen Künstler, die in den vergangenen Jahren hierhergezogen sind und mit eigenen Standpunkten frische Arbeiten produzieren. Wie Nele Schmidt (27) und Jakob Spehr (32). Die beiden gebürtigen Norddeutschen wohnen und arbeiten auf der Elsaßstraße in Sichtweite des Waffenladens. Derzeit zeigen sie als Schmidt&Spehr Bilder und Skulpturen im Kunstraum Ampersand im Belgischen Viertel.

Meine Südstadt: Vor Kurzem bzw. in Kürze habt Ihr Euer Kunststudium an der Uni Wuppertal beendet. Künstler sein – was bedeutet das? Seit wann seht Ihr Euch als Künstler?

Nele Schmidt: Bei mir hat das ziemlich lange gedauert. Ich habe zwar schon immer viel gezeichnet, aber als Künstlerin habe ich mich erst im Laufe des Studiums gefühlt. Das lag auch daran, dass der Begriff inflationär abgegriffen ist. Einfach jeder kann sich so nennen! Es auf jeden Fall etwas mit der Anerkennung zu tun. Dass ich Ausstellungen machen konnte, dass andere meine Kunst zu schätzen wussten.

Jakob Spehr: Auch das wachsende Interesse an der Kunst spielt eine Rolle, der Vergleich den man hat, wenn man viel über Kunst lernt. Irgendwann sieht man, dass man mithalten kann.

Jakob, du kommst aus der Street Art, hast schon als Jugendlicher Auftrags-Graffitis gesprayt. Da ist man doch quasi direkt Künstler, oder?

Jakob: Ich bin da geteilter Meinung. Die Graffiti-, die HipHop-Kultur: Ist das eine Jugendsache, oder ist es Kunst? Ich denke, bei mir war auch der Familieneinfluss spürbar. Ich entstamme einer Künstlerfamilie. Schon meine Oma war Künstlerin, Kunst spielte in unserer Familie eine wichtige Rolle. Ich wollte immer Künstler sein. Nele habe ich, seitdem ich sie Anfang des Studiums kennenlernte, als Künstlerin gesehen. Sie hatte immer ein tiefes Verständnis für Kunst.


Ist die Uni Wuppertal ein Umfeld, in dem man sich als  Künstler finden kann?

Nele: Als wir anfingen, wurden wir ganz schön kleingehalten. Alles war sehr aufs Lehramt konzentriert.

Jakob: Es war ungemein altbacken. Man sollte Toneier bauen und so was. Wir mussten gegen Windmühlen ankämpfen. Aber wir konnten als erste Generation nach und nach diesen Studiengang aufbauen und verändern – zu einem echten Kunststudium. Nicht Kunst auf Lehramt. Sondern Kunst, mit einer eigenen Position.

Nele: Gerade für uns war es gut, dass wir uns durchsetzen mussten gegen Leute, die sagten: Ihr seid vielleicht Lehrer, aber keine Künstler.


Kommen wir zu Euren Standpunkten. Vor fünf Jahren hattet Ihr an der Uni Wuppertal Eure erste Ausstellung – ein viel beachtetes, raumgreifendes Projekt, bei dem ihr Baumäste ineinander verschachtelt hattet, die von unterschiedlichsten Plastiktütenstreifen ummantelt waren. Damals wie auch in Eurer jetzigen Ausstellung ist mir aufgefallen, dass Ihr vor keiner Technik Angst habt. Ihr fotografiert, malt mit Computerprogrammen, scannt, lithografiert, gießt und verklebt Plastik. In euren Bildern und Plastiken spielt immer die Form, die Struktur eine wichtige Rolle. Ein scheinbares Durcheinander, das einer geheimen Ordnung unterliegt. Warum diese Faszination für die Struktur?

Jakob: Das hat natürlich auch mit dem Leben zu tun, damit, wie das Leben funktioniert. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Man kann es an den Oberflächen erkennen, und uns geht es darum, wie das darstellbar ist. Das ist natürlich sehr abstrakt, aber wenn man es dann verfolgt und betrachtet, sieht man auch Zusammenhänge. Hinter unseren Arbeiten gibt es einen Zusammenhalt, einen roten Faden.


Wo holt Ihr Euch Inspiration?

Jakob: Wir haben unsere Wahrnehmung sehr geschärft. Wir sind viel unterwegs, immer mit der Digitalkamera. Mittlerweile haben wir ein Archiv mit ca. 8000 Fotos aufgebaut, die das Leben in seinen unterschiedlichsten Zusammenhängen widerspiegeln. Alltägliches, Readymade-Skulpturen, Street Art, Werbung, aber auch Klassisches wie Natur, Licht und Schatten.

Nele: Die Aufnahmen werden systematisch kategorisiert. Dadurch kommen Aspekte zum Vorschein, die dann spannend für die künstlerische Arbeit werden. In dem Moment, in dem man das Foto macht, denkt man noch nicht drüber nach, hat man es noch nicht gesehen – das Foto ist nur eine Reaktion auf etwas Interessantes. Aber durch das Archiv kristallisieren sich Dinge heraus. Man stellt etwa fest: Da gibt es ein Objekt, ein Thema, das ich zig Mal fotografiert habe. Was ist daran interessant?

Ein Beispiel?

Nele: Das Thema Vernetzung, das man auf der Ausstellung in den Drucken von Oberleitungen finden kann. Diese Arbeiten basieren auf zufälligen Fotos. An die geht man ran und unterwirft sie noch mal einem konzeptuelleren Ansatz: Was können wir daraus gestalten?

Jakob: Oft kann auch beim zweiten oder dritten Betrachten passieren, dass die Dinge spannender werden, dass man etwas erkennt. Dieses Sammeln, egal ob an bewegten Bildern, an Worten, Emaille-Töpfen, Internet-Seiten, ist übrigens für die meisten, die in der Kunst arbeiten, eine Inspirationsquelle – also nichts Besonderes.

 

In eurer Kunst macht Ihr manchmal eine Gratwanderung zwischen extrem Konkretem und total Abstraktem. Eure Blumenbilder von dahinwelkenden Blumensträußen etwa, die sind so gestochen scharf bis ins Detail, die Farben so unecht echt, dass sie schon wieder abstrakt sind.

Nele: Uns gefiel die Idee, dass man durch die extreme Schärfe der Fotografie Strukturen sichtbar machen kann. Ähnlich ist es mit den Buchstaben, die wir zur Skulptur aufgehäuft haben: Man kann den einzelnen Buchstaben erkennen, aber durch die Wiederholung löst sich alles wieder in Struktur auf. Alles eine Frage der Wahrnehmung!


Ihr tretet als Schmidt&Spehr auf, als Künstlerduo. Gibt es bei euch manchmal ein Rangeln um die beste Form, oder seid ihr euch immer einig?

Jakob: Immer wenn ich von einer Idee erzähle, muss ich nur auf Neles Gestik oder Mimik achten, dann weiß ich schon: Das ist was Gutes oder was Schlechtes. Ganz selten passiert es, dass ich dann trotzdem an einer Sache weiterarbeite und Nele dann auch davon überzeugt kriege…

Nele: Jakob ist schon derjenige, der viel Output hat. Ich bin eher die Bremserin am Anfang. Aber so regulieren wir uns auch ganz gut. Vier Augen sehen einfach mehr als zwei.

Jakob: Ich glaube, dass Nele zarter, sensibler und ernster ist. Ich bin eher ironisch oder zynisch. Und jeder kriegt vom anderen was ab – ich bin durch sie ernster, aber auch toleranter geworden. Beide sind wir auf jeden Fall neugierig.

Findet Ihr, die Südstadt ist ein Umfeld, das diese Neugierde befriedigen kann? Ist die Südstadt ein gutes Künstler-Umfeld?

Jakob: Hier leben gute Freunde, und hier gibt es um die Ecke die vielen Italiener, unter denen ich mich sehr wohl fühle. Und darüber hinaus viele liebe, spannende Menschen, mit denen ich mich gerne umgebe.

Nele: Es hat eine Lebensqualität, man fühlt sich hier wohl. Ehrenfeld, wo wir vorher gelebt haben, ist zwar lebendiger, rauher. Aber auch Ehrenfeld wird ein bisschen überbewertet. Wenn wir nach Inspiration suchen, tun wir das nicht nur in einem Stadtteil, sondern im gesamten Großraum zwischen Bonn und dem Ruhrgebiet.

Ihr arbeitet im Moment hier in Eurer Wohnung. Soll das so bleiben?

Jakob: Nein. Aber die Situation in Köln für Künstler ist ein Witz. Da gibt es 24-Quadratmeter-Räume für 300 Euro. Was soll das? Ein bezahlbares Atelier in der Nähe, das wäre gut.


Was meint Ihr, wie wird sich unser Veedel in den nächsten Jahren entwickeln?

Jakob: Es ist spannend, was an der Dombrauerei-Brache und am Großmarkt passieren wird. Bislang geht es da nur um Geldmacherei. Es wäre schön, wenn es architektonisch und inhaltlich um die Menschen gehen würde. Man merkt, dass die Südstadt derzeit ziemlich glattgebügelt wird. Sie entwickelt sich zu einem Möchtegern-Szeneviertel, mit diesem komischen Rheinauhafen. Die Tendenz geht hier klar zur Bussi-Gesellschaft – man sieht es, wenn man abends über die Alteburger Straße geht.

Was fehlt Euch in der Südstadt?

Nele: Schöne Cafés gibt es hier genug. Aber es fehlen noch ein paar coole Läden. Leute die Style haben und Bock, etwas aufzuziehen: Kleider, Design, Handwerk, ernsthafte Galerien Das war ja eigentlich auch unsere Hoffnung hier unten (zeigt auf den Waffenladen).

Jakob: Die Teapot-Galerie, eine echt gute Galerie, ist weggezogen. Auch die Galerie, in der wir jetzt ausstellen, hat sich im Belgische Viertel angesiedelt, wegen des Umfelds und wegen der Räumlichkeiten.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Galerie Kunstraum Ampersand, die im März mit Eurer Ausstellung eröffnet wurde?

Jakob: Die Macher haben lange nach einem Konzept gesucht für die erste Ausstellung. Eine gute Freundin von uns, Anita Sonderhoff, ist am Humboldt-Gymnasium Lehrerin und wollte nebenher in der Kunst aktiv bleiben. Sie fand unsere Arbeiten immer schon gut und brachte uns ins Gespräch. Die anderen Mitgründer der Galerie haben sich unsere Arbeiten angeschaut, stimmten ihr zu – und so ging durften wir als Einzelausstellung loslegen.

Zur Eröffnungsveranstaltung kamen Hunderte von Leuten – nun geht die Ausstellung in die letzte Woche. Was ist Euer nächstes Projekt?

Jakob: Ich denke, das wird erstmal unser Sohn sein! (zeigt auf Neles schwangeren Bauch).


Wer die Arbeiten von Schmidt&Spehr sehen möchte, kann das noch bis Ostersonntag (24.4.) in der Venloer Str. 24 im Belgischen Viertel tun. Der Kunstraum Ampersand lädt anlässlich der Art Cologne morgen (Samstag, 16.4.) ab 16 Uhr zu „Kunst&Kuchen“.
 

Text: Doro Hohengarten

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