Die Kunst des Klebens
Mittwoch, 3. November 2021 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
In den Kunsträumen der Horbach Stiftung in der Wormser Straße hat eine Ausstellung begonnen: AnSchläge – 5 Jahrzehnte politische Plakate in Köln.
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Capricorn (i) Aries BrasserieMartin Stankowski, Publizist, Historiker und alternativer Stadtführer, kann zu fast jedem der in drei großen Räumen angeschlagenen Plakate, Poster, Fotodrucke und Flyer was erzählen: Schließlich haben er und sein Bruder Jochen mit der Gründung des Kölner Volksblatt und der Druckerei „Der Betrieb“ vor ziemlich genau 50 Jahren Bürger-Initiativen und Protestbewegungen in Köln eine Ausdrucksform zu geben begonnen. Botschaften an die Öffentlichkeit – geschrieben, gestaltet, gedruckt, geklebt.
„Das ist ja seit vielen Jahren gar nicht mehr denkbar, alles verboten.“ sagt Martin Stankowski und fährt fort: „Bahnbögen, Bauzäune – ist ja heute alles kommerzialisiert – die werden vermietet für kommerzielle Werbung. Und so findet der politische Diskurs nicht mehr in der Öffentlichkeit statt.“ Zumindest nicht in der analogen, und in der digitalen Öffentlichkeit zumindest nicht mit so cool gestalteten Bildmotiven. Politische Äußerungen im öffentlichen Raum sind selten geworden, sieht man mal ab von den unzähligen Stickern, die an jedem Pfosten kleben, mit Kurzbotschaften à la FCKAFD oder so…
Erschreckend daran: Der content der Poster, die jahrzehntelang die Stadt zierten, könnte von heute sein – same old shit quasi. Wohnraummangel, abstruse Verkehrsplanung, Abriss von Industriedenkmälern wie damals dem Stollwerck, explodierende Kosten beim Museumsneubau Ludwig, Paragraf 218 und Frauenbewegung/Gendergerechtigkeit sowieso und so weiter und so fort.
Aber auch Erfolge sind zu verbuchen: Die Stadtautobahn aus dem Linksrheinischen, also von Nippes über den Rhein durch Dellbrück, Holweide, Mehrheim, Adenauer-Siedlung und Vingst, haben die BürgerInnen verhindert, sich wirksam gegen menschenunwürdige Zustände in Psychiatrien und Haftanstalten engagiert oder Kölschen Klüngel um Bauprojekte in die Öffentlichkeit gebracht.
Einige der damaligen Akteure sind auf der Vernissage und erinnern sich noch gut. „Wir wurden ja angeklagt wegen Landfriedensbruch, sind in die Bäume geklettert da in Nippes usw“ erzählt beispielsweise Li Daerr, Frau des verstorbenen Kabarettisten Heinrich Pachl. Aber gewonnen hätten sie schlussendlich und wem kommt da nicht unweigerlich der Gedanke an den Hambacher Forst und die jungen Klimaaktivisten von heute, die offenbar zu dem Schluss gekommen sind, dass sie sich förmlich mit Haut und Haar gegen Umweltzerstörung wehren müssen.
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Lund Languages – ein Ostfriese in der SüdstadtDie Ausstellung ist offen zum Anschauen und Kölner Politik-Geschichte-Atmen, immer im Rahmen der Begleitveranstaltungen, wie Filmen aus der damaligen Kölner Wochenschau, Vorträgen zum Kölner VolksBlatt etc. Interessante Gäste und DiskutantInnen sind dabei, wie die ehemalige Kölner Sozialdezernentin Ursula Christiansen, Mitglieder des Frauengeschichtsvereins oder die Rechtsanwältin Edith Lunnebach, die mit Thomas Janzen von Kulturletter die Finissage am 24. November gestaltet: Was darf wo und wo nicht (mehr) geklebt werden, was genau ist und wie steht es um sie: Die Kunst des Klebens?
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