Die Rosenkreuzer treffen Hare Krishna
Mittwoch, 12. Juni 2019 | Text: Alida Pisu | Bild: Nathan Dreessen
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Am Pfingstsonntag hatte das Bürgerhaus Stollwerck seine Türen geöffnet für das „Festival der Religionen“. Es fand erstmalig im Rahmen des diesjährigen Sommerblut-Festivals statt, auf dem das Thema „Glaube“ in unzähligen Veranstaltungen nahegebracht wurde. Ich bin gespannt darauf, was mich im Bürgerhaus erwartet. Auf jeden Fall ein reges Treiben, denn schon im Erdgeschoß kann ich das Treppenhaus bis in den 5. Stock einsehen und stelle fest, dass auf jeder Etage Info-Stände auf Besucher warten. Allerdings fällt es schwer, sich zu entscheiden: erst zur Bühne, auf der ein Non-Stop-Programm läuft oder zu einem der Workshops, um Neues wie Derwischdrehen, den Tanz der Moleküle oder eine Einführung in die Rastafari-Tradition mit Musik und Gespräch zu erleben?
Nein, ich besuche dann doch erst die Stände und bin erstaunt, dass sich an ihnen auch Vertreter von Organisationen finden, die ich nicht erwartet habe. Sicher, da sind zum Beispiel die Hare Krishna–Jünger, da ist die mystische Bewegung der Rosenkreuzer oder auch die MCC Köln, eine christliche Kirche, die nach eigenen Angaben Wert legt auf Vielfalt, nicht nur in den Gottesbildern, sondern zum Beispiel auch in der sexuellen Orientierung.
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Mainzer Hof – Traditionskneipe für Jung & AltAber was ist die Georges-Anawati-Stiftung mit ihrem Innovationspreis? Ich frage nach. „Wir setzen uns mit verschiedenen Projekten für den interreligiösen Dialog ein. Der Innovationspreis bietet Projekten, die mal was Anderes machen. Beispielsweise. etwas Kreatives, eine Startfinanzierung. Da hatten wir schon Theater- und auch Orchester-Projekte. Momentan fördern wir ein Projekt, das eine Internet-Plattform aufbaut, um jugendlichen Deutschen eine differenzierte Information über den Islam zu geben, weil es das bisher noch nicht gibt.“
Schwer beeindruckt gehe ich gleich weiter zum Verein Tomorrow e. V. Dort erfahre ich, dass der Verein sich interreligiöser Kooperation in Zusammenhang mit dem Naturschutz verpflichtet fühlt und im September eine interreligiöse Naturschutzwoche in Köln und Umgebung veranstaltet. Dafür zusammenarbeiten werden unter anderem verschiedene Kölner Religionsgemeinschaften, der NABU und HonigConnection.
Und wie reagieren die Besucher auf dieses Projekt? „Viele sind absolut aufgeschlossen für Naturschutzthemen und halten das für unterstützenswert.“ Ich auch, finde es jedoch nun an der Zeit, einen Workshop zu besuchen. Aber Pech gehabt, ich komme ein paar Minuten zu spät, der gregorianische Gesang hat bereits begonnen und ich darf den Raum der Stille nicht mehr betreten. Der keineswegs still ist, da aus ihm Töne zu hören sind. Wundert auch nicht bei einem Gesangs-Workshop.
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SchokoladenmuseumDann also zur Bühne. Der Saal ist voll besetzt. Die Gruppe „Say Something“, allesamt junge Menschen, singt Lieder aus der christlichen Gospel-Tradition. Mit einer solchen Inbrunst, das man spürt, wie wichtig ihnen ihr Glaube ist. Jeder Act dauert zwanzig Minuten. Nach dem Umbau stellt sich der jüdisch-chassidische Künstler Alex Jacobowitz vor: „Ich heiße Alex und meine Frau heißt Xylophon.“ Damit hat er nicht nur gleich die Lacher auf seiner Seite, er spielt auf seinem riesigen Xylophon auch derart virtuos, dass das Publikum vor Begeisterung rast. Spirituell wird er dann auch noch. „Es gibt die Vorstellung, dass der Mensch auf der Erde von Gott getrennt ist. Aber die Musik ist eine Möglichkeit, wieder mit ihm in Kontakt zu treten.“ Bei den Klängen, die er seinem Xylophon entlockt, fühlt man sich jedenfalls in eine andere, man kann durchaus sagen göttliche Sphäre mit hinein genommen.
Wie nehmen die Besucher das Festival wahr? Einige Stimmen: „Ich lasse mich hier einfach treiben und das Gesamte auf mich wirken. Zu Hause werde ich das eine oder andere noch mal überdenken und nachlesen.“ „Es ist toll, dass die Leute hier so friedlich miteinander in Kontakt treten. Mich wundert nur, dass man keine Muslime sieht bis auf die Sufis, und die großen christlichen Kirchen sind auch nicht vertreten.“ Dazu Festivalleiter Rolf Emmerich: „Sie sind nicht mit Ständen, aber auf der Bühne vertreten. Bei den Ständen tauchen eher die Gruppen auf, die nicht so im Fokus stehen. Wir hatten eine transparente Ausschreibung, und wer sich gemeldet hat, ist dabei.“ Und wie sieht die Zukunft des Festivals der Religionen aus? Rolf Emmerich: „Die Idee ist, es alle zwei Jahre zu machen. Das war schon ein Kraftakt, die Stadt hat uns da aber sehr bei unterstützt.“ Zum Abschluss meines Besuches gönne ich mir noch den Auftritt des Kölner Chors für türkische Musik. Er ist groß, er ist bunt und entführt mich mit seinen Liedern in den Orient. Ich lasse mich gerne mitnehmen und vergesse darüber, was ich an diesem Tag alles nicht gesehen, gehört oder mitgemacht habe. In zwei Jahren ist hoffentlich wieder Gelegenheit dazu, miteinander die Vielfalt zu feiern.
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