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Südstadt

Die Verwandlung, das fertige Produkt und ein ungewollter „Unfall“

Mittwoch, 8. März 2017 | Text: Alida Pisu | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Heute ist Weltfrauentag! „Meine Südstadt“ nimmt das zum Anlass, mit Petra Loeffelsender, Inhaberin des Friseursalons „Schnittstelle“ am Martin-Luther-Platz, ein Gespräch über ihren Beruf zu führen. Friseurin zu werden, war über Generationen hinweg der Traum unzähliger junger Mädchen. Was eine gute Friseurin ausmacht und welche Fähigkeiten sie haben muss, weiß Petra Loeffelsender aus ihrer mittlerweile dreißigjährigen Berufserfahrung.

 

Friseurin ist ja ein ganz klassischer Beruf für Frauen. War das Ihr Traumberuf?

Petra Loeffelsender: Meine Cousine ist Friseurin, die hatte mich mal eingeladen, als ich so 18 Jahre alt war. Dann habe ich meiner Cousine für drei Wochen im Urlaub geholfen. Das war auf einem kleinen Dorf im Westerwald, es war sehr schön, man hatte Kundenkontakt. Es ist ja auch ein sehr kreativer Beruf und es hat mir Spaß gemacht. Meine Cousine meinte, ich wäre nicht untalentiert. Ich habe mir dann einfach auf der Merowinger Straße einen Job als Friseurin gesucht, weil es mir gelegen hat. Es fiel mir leicht.

 

Wie lange arbeiten Sie jetzt schon als Friseurin?
 Seit fast dreißig Jahren. Die Lehre habe ich in der Südstadt gemacht. Dann habe ich mal in Marienburg gearbeitet, in Longerich, auf der Venloer Straße. Ich habe eine Zeit lang einen unglaublichen Wechsel gehabt, weil es nicht so einfach war, als Friseurin zu arbeiten. Dann hat meine Mutter mich so ein bisschen überredet, dass ich noch auf die Meisterschule gehe, was im Nachhinein gut war. Es ist ja doch ein Job, wo man mit sehr viel Arbeit sehr wenig Geld verdient. Die Arbeitsbedingungen als angestellte Friseurin sind auch wirklich schlecht. Als ich dann die Meisterschule gemacht habe, musste ich feststellen, dass es als angestellte Meisterin noch schlechter war. Wenn ich als Meisterin angestellt bin, dann bin ich verantwortlich, habe aber im Prinzip in dem Laden nichts zu sagen. Das Problem ist: wenn mal was ist, fällt das alles auf mich zurück. Und da gab es sehr viele Sachen, mit denen ich einfach nicht leben konnte.

 

Deshalb haben Sie sich selbstständig gemacht?

Ich bin da mehr oder weniger reingerutscht in eine Selbstständigkeit. Es war eher ein Zufall, ist auch gar nicht auf meinem Mist gewachsen, das Geschäft hat eigentlich mich gekauft. Und mit der Bank hat es tatsächlich auch gleich geklappt. Das Geschäft habe ich aufgrund meiner schönen blauen Augen bekommen. Das ist wirklich so gewesen. Und das klappt jetzt nächstes Jahr seit zwanzig Jahren. Ich glaube, das sollte so sein.

 

Was macht eine gute Friseurin aus?

Uiiih, eine schwierige Frage (lacht). Es fängt schon mal damit an, dass man es hinkriegt zu verstehen, was der Kunde möchte. Dann muss man gucken, ob man das umsetzen kann. Eigentlich hat man eine beratende und umsetzende Tätigkeit. Wenn also jemand mit glatten Haaren kommt und er möchte lockige Haare, muss man ihm natürlich klarmachen, dass das nicht so ohne weiteres geht. Aber das einzufangen, was tatsächlich umsetzbar ist und was derjenige auch haben möchte, wo er sich mit wohlfühlt, das ist das Wichtigste. Und wenn es eventuell nicht umsetzbar ist, dann auch etwas anderes anzubieten.

 

Friseur zu sein, ist ja mehr als Waschen, Schneiden, Legen. In jedem Friseursalon werden auch persönliche Dinge erzählt oder Themen erörtert. Was sind das für Themen?

Private Themen. Sachen, die man manchmal auf der Seele hat und loswerden möchte. Vielen fällt es auch leichter, einem Fremden etwas zu erzählen. Selbst wenn man sich jahrelang kennt, sind wir trotzdem Fremde. Es steckt schon auch eine therapeutische Geschichte dahinter, dass der Kunde das Gefühl hat, seine privaten Dinge ablegen zu können beim Friseur. Das ist manchmal für einen Friseur schwierig, weil man abends voll ist mit ganz viel Input. Manchmal muss man sich da schützen und ein bisschen was von sich erzählen, um nicht immer nur zuhören zu müssen. Aber man muss auch sehen, dass viele Menschen, gerade viele ältere Menschen, das Bedürfnis haben, Privates zu erzählen. Das ist nachher schon ein bisschen wie Familie. Die haben dann auch das Gefühl, sie haben mich adoptiert.

 

Und Sie können damit umgehen, mit dem, was Sie so alles erzählt bekommen?

Ach, ich mag das, sonst hätte ich auch diesen Beruf nicht mehr. Ich erzähle gerne und kann auch ganz gut zuhören. Aber ich gehe am Wochenende dann doch eher in die Ruhe und ziehe mich zurück. Nichts Rummeliges, keine Massenveranstaltungen, das ist mir zu viel. Ansonsten mag ich das, zu hören, wie es anderen Menschen geht, das nicht immer alles so einfach ist. Das hilft einem auch, selber zu sehen, wie gut man es manchmal hat. Oder das es normal ist, dass es mal runter und mal rauf geht. Das finde ich ganz toll.

 

„Das ist nachher schon ein bisschen wie Familie.“

 

Viele Menschen haben ja ihre „Lieblingsfriseurin“. Was glauben Sie, was die Kunden, für die Sie deren Lieblingsfriseurin sind, an Ihnen schätzen?

Da muss ich mal überlegen. Ich habe zum Beispiel ein paar jüngere Mädels, die mich seit fast zwanzig Jahren als Kundinnen begleiten. Da sagte letztens eine, dass eine Freundin ihr eine neue Frisur empfohlen hätte. Wir zwei haben darüber nachgedacht und es umgesetzt. Sie sagte dann: „Mensch, das ist doch das Schöne, dass man eine Friseurin hat, wo man weiß, wenn ich komme und sage: „Petra, das und das will ich anders haben.“, dann geht das auch.“ Es gibt viele Leute, die öfter mal wechseln, aber der Stammkunde als solcher schätzt eine gleichbleibende Leistung, dass es über die Jahre immer gut ist. Oder wenn er ein Problem hatte, dass ich dann sagen konnte: „Das haben wir doch schon gehabt, das war nicht so gut. Aber wir könnten es ein bisschen abändern.“ So etwas geht natürlich nur, wenn man sich über viele Jahre kennt. Ich finde es auch schön, dass ich die Leute kenne, ich komme ja aus dem Viertel.

 

Wer kommt denn so alles zu Ihnen?

Ich habe alles. Sehr viele Kinder, sehr viele ältere Menschen und auch die mittleren Jahre. Ein schönes, durchmischtes Publikum. Viele Familien, sogar Patchwork-Familien, wo die Kinder von den neuen Ehepartnern mitkommen, weil sie sich wohlfühlen. Es ist auch ganz lustig, ich habe viele aus der Loreleyschule, da ist ein Kind bei, eine Freundin von mir ist die Mutter. Die Klassenkameraden kommen jetzt auch, weil der Junge sich hier so wohlfühlt. Der empfiehlt mich dann auch. Die empfehlen sich schon mit sechs oder sieben Jahren. So geht das auch bei Kindern rund. Und dann kommen die Eltern mal mit, es mischt sich schon sehr.

 

Was gefällt Ihnen besonders an dem Beruf?

Die Verwandlung und auch das fertige Produkt. Ich sehe das, was ich tue, anschließend im fertigen Zustand. Das ist eine sehr schöne Sache. Die Veränderung auch, zu sehen, was mit Gesichtern und Haut durch Farbe passiert. Und auch, mit Menschen zu tun zu haben, ist eine sehr schöne Sache.

 

Gab es denn auch schon mal unangenehme Ergebnisse beim fertigen Produkt?

Ja, mir ist es mal passiert, dass der Scherkopf von meiner Haarschneidemaschine absprang. Ich war genau im Schnitt und habe dem jungen Mann ein fünfmarkstückgroßes Loch geschnitten, das ist jetzt schon sehr lange her. Oh weh, ich hatte Schweißausbrüche, Herzrasen, es war ganz schrecklich. Ich habe mich unheimlich aufgeregt, aber er war sehr, sehr nett und sagte: „So, jetzt entspannen wir uns und atmen dreimal tief durch.“ Es war ein Unfall, ich hatte mir das ja nicht vorgenommen. Er sagte dann: „Das Einzige, was ich nicht möchte, dass ich hier rausgehe und aussehe wie ein Unfall. Wir überlegten jetzt mal, was wir machen können.“ Das haben wir dann auch gemacht. Wir haben seine kurzen Haare noch kürzer gemacht, er war auch bereit, sich die Haare färben zu lassen. Die Haare haben wir heller gemacht, das stand ihm total gut. Durch das helle Haar sah man das Loch dann gar nicht mehr. Und er hat tatsächlich ein paar Jahre die hellen Haare auch behalten.

 

Durch den „Unfall“ wurde das Produkt also eigentlich noch verbessert?

Ja, genau. Der war damit glücklich und die Freundin zu Hause war begeistert und fand ihn ganz schick.

 

Das war ja ein sehr netter Kunde! Was schätzen Sie denn an Ihren Kunden?

Ich bekomme sehr häufig sehr nettes Feedback. Die Geschichte mit dem Loch hat mich sehr geprägt, die vergesse ich nie. Ich habe auch sehr viele ältere Menschen, die mich schon mal drücken und sagen, dass sie so gerne hierher kommen und sich wohlfühlen. Das ist immer wieder schön. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich sehr nette Kunden habe und dass die sich mit mir wohlfühlen. Es ist schon sehr persönlich hier. Jeder kommt rein, begrüßt mich, erzählt mir, was so gewesen ist in den letzten Wochen.

 

Ich habe mich bei Ihnen auch wohlgefühlt. Vielen Dank, Frau Loeffelsender, für das Gespräch!

Text: Alida Pisu

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