Draußen sitzen im Veedel – Alles Weitere regelt das Gestaltungshandbuch
Montag, 20. Mai 2019 | Text: Judith Levold | Bild: Marc Loecke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Mächtig Wellen schlug ein Facebook-Post von Gastronom Daniel Rabe (Bagatelle, Brasserie aller Kolör und andere), in dem er das Vorgehen der Ordnungsbehörden gegenüber manchem Gastronomen und der Branche generell kritisierte.
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Lotta wünscht sich was – Köstlichkeiten aus deutschen ManufakturenGenehmigungen für Außenplätze seien nur befristet für die Saison 2019 erteilt worden, und generell stünden Einschränkungen für die Außengastronomie im Raum: Weg von den Hausfassaden, soll sie womöglich bald Platz nehmen am Straßenrand. Natürlich mit vorgeschriebenem Abstand zu parkenden Autos.
Tische und Bänke also zukünftig in der Mitte von Trottoirs?
„Ich find´ es merkwürdig, dass uns das niemand vernünftig erklärt, was genau passieren soll, und dass es ständig was Neues gibt. Zum Beispiel bei den freizuhaltenden Gehwegbreiten: Da gibt es die verschiedensten Angaben, manche müssen zwei Meter Bürgersteig völlig hindernisfrei halten, andere nur 1,60 Meter, und im Gestaltungshandbuch stehen 1,50 Meter“ so Rabe.
Kölns Gehwege nicht breit genug?“
Bei den einzuhaltenden Abständen zum Straßenrand beziehungsweise den Parkbuchten fiele für viele der 2500 Kölner Gastronomen die Außengastro komplett weg, wenn sie von der Hausfassade abrücken müsse. Denn kaum ein Bürgersteig in Köln sei für die Einhaltung all dieser Vorschriften breit genug.
Verwaltung unter Hochdruck
Die Stadt wiegelt ab, mit der Erklärung, für die Saison 2019 (1.4.-1.10) bliebe ja alles unverändert und es werde keine weiteren Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit geben – genau das nämlich ist Hintergrund möglicher Veränderungen im Regelwerk für die Kölner Außengastronomie: Köln soll, geht es nach dem städtischen Gestaltungshandbuch aus 2017, barrierefreier werden. Und einheitlicher und aufgeräumter. Aktuelle Auskunft der Stadt dazu is: Es „wird innerhalb der Verwaltung noch abgestimmt, ob es hinsichtlich der Barrierefreiheit zu Änderungen künftig kommen wird. Es stehen jedoch weder ein Termin, noch eine Tendenz fest, wie das Ergebnis aussehen könnte. Die Verwaltung arbeitet mit Nachdruck daran. Es wird dabei versucht, den Interessen aller gerecht zu werden. Wenn das Ergebnis feststeht, wird es dazu Informationen geben“. Das gehe so nicht, findet Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, „Die Wirte brauchen Planungssicherheit, die können nicht jedes Jahr erneut die Genehmigung für Außengastronomie beantragen müssen. Und ihren Ärger verstehe ich gut, wenn sie aus der Zeitung von möglichen Einschränkungen erfahren.“
Das Gestaltungshandbuch setzt die Regeln
Vereinzelt schon umgesetzte Maßnahmen sind wohl eben Maßnahmen nach den „Serviervorschlägen“ aus dem städtischen Gestaltungshandbuch, das den meisten KölnerInnen weitgehend unbekannt ist. Im Kapitel Außengastronomie liest man dort recht unpräzise Absichtserklärungen, wie: „Die Außengastronomie soll so gestaltet sein, dass sie den Stadtraum qualitativ aufwertet.“ Teilweise aber wird das Gestaltungshandbuch auch konkret – zu verwendendes Mobiliar für Außengastronomie ist bereits beispielhaft abgebildet. Wirt Till Riekenbrauk, mit Läden in der Süd- und Nordstadt, weiß davon ein Lied zu singen.
„Ich wollte im Außenbereich vom Johann Schäfer natürlich vom selben Schreiner die Möbel machen lassen wie innen. Durfte ich aber nicht, ich musste dann solche hier kaufen.“ erzählt er und zeigt auf Tische und Stühle vor seinem Lokal. Und Riekenbrauk ist auch einer von denen, die, käme die Regelung „Außengastro an die Straßenseite des Gehsteigs“, gar keine Außengastro mehr hätte, da es schier unmöglich sei, die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten. „Auch meine Markise, gerade für 10.000 Euro installiert, wäre witzlos, wenn die Leute an der äußeren Seite des Bürgersteigs sitzen müssten.“ Diese Maßnahme ist im Sinne von mehr Barrierefreiheit vor allem für Menschen mit Sehbehinderung gedacht – sie hätten dann den hindernisfreien Gehweg im Bereich der Hausfassaden. Ein Anruf beim Blinden- und Sehbehindertenverein Köln e.V. bringt jedoch die Erkenntnis: Für Sehbehinderte ist zwar grundsätzlich komfortabler, wenn sie einer inneren, an der Hauswand entlang gehenden Lauflinie folgen können, doch Außengastro in der Mitte des Bürgersteigs findet zumindest Marisa Sommer, Blindenberaterin des Vereins und selbst vollblind, auch eher suboptimal. Wichtig sei, dass egal welches „Hindernis“, auch Außengastro, mit Markierung versehen und so für sie wahrnehmbar sei.
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Severinstorburg„In meinem Fall aber wie gesagt eh unmachbar, denn das passte dann mit dem vorgeschriebenen Abstand zum Parkplatz nicht. Ich müsste dann wohl „Sitzen statt Parken“ beantragen“ fügt er hinzu. Und für diese Maßnahme wartet die Innenstadt-Bezirksvertretung auch schon seit Beschluss 2016 auf ein stimmiges Konzept der Verwaltung, wie Andreas Hupke bestätigt.
Bis zum Start der Open-Air-Saison 2020 arbeite man mit Nachdruck an einer abgestimmten Verwaltungsmeinung und klaren Regeln für die Außengastronomie, wie ein Sprecher der Stadt mitteilt. Das Gestaltungshandbuch hat auch in diesem Zusammenhang schon Ideen parat: „Zur Erarbeitung verbindlicher Gestaltungsregeln soll ein Konsultationskreis einberufen werden, um allseits tragfähige Regeln für gute Gestaltung des öffentlichen Raums zu formulieren und diese später in eine Gestaltungssatzung aufzunehmen“, steht dort geschrieben. Oder, um es mit den Worten von Andreas Hupke zu sagen: „Man muss unbedingt alle NutzerInnen zusammenbringen, an einen Runden Tisch. Und da dann zusammen nach Lösungen suchen.“. Ob das bis zur nächsten Außengastro-Saison klappt – „Da bin ich sehr skeptisch“, so Hupke. Es bleibt also rätselhaft, was tatsächlich auf die Gastronomen zukommt.
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Kommentare
Barrierefreiheit ist absolut notwendig in der Kölner Innenstadt! Man sollte jetzt jedoch nicht Barrierefreiheit gegen Außengastronomie ausspielen. Klar – beides kann auf einem 2m breiten Gehweg nicht funktionieren. Daneben befinden sich jedoch oft eine ganze Reihe parkender Autos. Ein Stellplatz sind 12qm, darauf lassen sich doch ein paar Stühle unterbringen. Die Situation sieht im Agnesviertel und auf der Aachener Str. genauso aus. Von daher sollte das Projekt „Sitzen statt Parken“ unkompliziert, schnell und günstig für Gastronomen zu beantragen sein. Somit wird der öffentliche Raum wieder mehr von den Menschen genutzt und es macht Spaß, sich auf den Gehwegen aufzuhalten. In Wien gibt es ganz schöne Aufbauten, die auf ehemaligen Parkplätzen stehen und wie kleine Oasen in den Straßen wirken.