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Kultur

Düstere Endzeitstimmung

Sonntag, 11. Mai 2014 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Laut wird es auf der Bühne des Theaters der Keller, wenn das neue Stück „Luft aus Stein“ zur Aufführung kommt. Laut und düster. Über Generationen weitergegebene Wunden und Verletzungen ziehen sich durch den Abend und lassen wenig Raum für optimistische Blicke in die Zukunft. Vielmehr versinkt das Leben in Inzest und permanenter Gewalt.

Heinz Simon Keller inszeniert das letzte Stück dieser Spielzeit mit großem Getöse. Während beim Einlass noch Vögel vom Band zwitschern, ist in den folgenden 80 Minuten nichts mehr von einer Idylle zu spüren. Anne Habermehls Stück feierte im letzten Jahr in Wien seine Uraufführung und wird nun zum ersten Mal in Deutschland gespielt. Wer sich auf diesen Abend einlässt, sollte nicht mit einer Komödie rechnen.

In großen Sprüngen eilen die Schauspieler durch die Zeit. Der Krieg und die Front auf der einen Seite, die Gegenwart und der Niedergang aller Normen auf der anderen Seite. Eine Familie zerbricht während des Zweiten Weltkrieges an der Zerstörung ihres Lebens durch Bomben und Gewalt. Die Folgen sind bis in die Gegenwart spürbar. Es gibt kein Entrinnen, die Perspektiven sind düster und beklemmend.

Die vier Schauspielerinnen wechseln die Rollen so oft wie die Zeiten, in denen sich die Figuren bewegen. In der wage zu erahnenden Rahmenhandlung agiert ein Geschwisterpaar, das sich ganz auf seine inzestuöse Beziehung konzentriert. In einem Anfall von suizidalem Wahn steuert Anton sein Auto, seine Schwester Paula und sich selbst frontal gegen eine Tunnelwand. Er wird nur leicht verletzt, doch Paula trägt schwere Folgen mit sich. Vor allem psychischer Natur.

Isabelle Barth spielt auf erschütternd authentische Weise die an den Folgen des Unfalls leidende Paula, springt zwischenzeitlich in die Rollen deren eigener Mutter und Großmutter – jeweils als junge Frauen. Sie fasziniert durch ihre Wandlungsfähigkeit und fungiert an diesem Abend als herausragender Sympathieträger.

 

Foto: Meyer Originals

An ihrer Seite mimt Bernhard Schmidt-Hackenberg den permanent zwischen Wahn und Liebe schwankenden Bruder Anton. In seinen Augen ist der Wahnsinn jederzeit präsent. Er springt beeindruckend von einer Stimmung in die nächste, meist ohne Übergang und dadurch beinahe schizophren wirkend. Die Figur ist für die Zuschauer kaum erträglich in ihrer Hin-und-Her-Gerissenheit und sie ist zudem auch akustisch unerträglich laut angelegt. Sympathisch wirkt das nicht, aber eindrucksvoll ist es durchaus.

Susanne Seufert übernimmt die Rollen der diversen Mütter in den unterschiedlichen Generationen und brilliert durch ihre Trockenheit, die oft sehr kühl und abweisend wirkt. Eine liebende Mutter ist anders. Die Generationenkonflikte transportiert sie auf diese Weise wunderbar, wenngleich sie dabei manchmal ein wenig gestelzt wirkt. Ausgeglichen wird das durch ihre umfassende Präsenz auf der Bühne.

Als vierter steht Arne Obermeyer auf der Bühne und fungiert phasenweise als Erzähler, der das Geschehen kommentiert, bewegt sich elegant durch mehrere Rollen und nimmt einen eher ruhigen Part im Gesamtgeschehen ein. Es ist ein Genuss, ihm zuzusehen.

Heinz Simon Keller inszeniert ein beklemmendes Theaterstück, in dem das Leben jeglicher Perspektive und positiver Weiterentwicklung beraubt wird. Nicht zuletzt offenbart die Zurschaustellung des Inzests auf der Bühne den Niedergang aller moralischen Normen und Werte, die, so scheint das Stück vermitteln zu wollen, in der Gegenwart keine Rollen mehr spielen. Musik und Auseinandersetzung knallen so laut in die Ohren der Zuschauer, dass diese sich unweigerlich winden und dem Ort entfliehen wollen. So entsteht ein Gesellschaftsbild, das von Schmerz und Verletzung geprägt ist – streckenweise unerträglich überspitzt.

 

Luft aus Stein (Deutsche Erstaufführung) von Anne Habermehl
Regie: Heinz Simon Keller ?

Bühne und Kostüme: Tobias Flemming?

Musik: Frank Schulte?

Mit: Isabelle Barth, Susanne Seuffert, Arne Obermeyer, Bernhardt Schmidt-Hackenberg

Weitere Termine im Theater der Keller
17./30. Mai 2014
06./08./27./28. Juni
11. Juli
jeweils 20 Uhr
 

Text: Stephan Martin Meyer

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