Ein ganz besonderes Kästchen.
Dienstag, 15. Januar 2013 | Text: Elke Tonscheidt | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
In der Mitte auf dem noch mit einem Adventsgesteck geschmückten Tisch steht er, der hölzerne Karteikasten. In ihm sensible Daten, die im Gemeindebüro gut verschlossen gehütet werden. Namen und Notizen von Mitgliedern der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal, von Hand geschrieben, schlummern darin. Manchmal klebt ein gelbes Zettelchen darauf. Das bedeutet dann: Der Mensch, zu dem das Karteikärtchen Auskunft gibt, hat bald Geburtstag, und bekommt, je nachdem wie alt er genau wird, eine kleine Aufmerksamkeit. André Kielbik, der die 2. Pfarrstelle in der Gemeinde mit Sitz an der Mehlemer Straße, Ecke Goethestraße, innehat, erläutert die Regeln: „Ab dem Alter von 70 gibt es als Geburtstagsgruß einen Brief, ab 75 besuchen wir die Menschen.“ Eine Arbeit, die er sich mit dem Besuchsdienstkreis teilt; denn dahinter steckt viel Engagement, das umsichtig vorbereitet sein will.
„Eine Stunde Zeit mit/für…“ lautete der Titel der Aktion, die sich die ‚Meine Südstadt-Redaktion‘ ausgedacht hat. Wir begleiten Menschen 60 Minuten bei ihrer Arbeit, dabei erfahren wir, was sie umtreibt. André Kielbik war sofort bereit. So sitze ich also im Besuchsdienstkreis seiner Gemeinde, inmitten sehr freundlicher Damen, sogar ein Mann ist neben dem Pfarrer dabei. Er ist, so scheint es mir, erst ein bisschen skeptisch ob der Journalisten. Nachdem er aber merkt, dass er dem Fotografen Dirk Gebhardt und mir vertrauen kann und dass wir jedem Anonymität zusichern, ist er schnell beruhigt.
Zurück zum Karteikasten mit seinen vielen Kärtchen. Manchmal steht auf dem gelben Post-It schon ein anderer Name. Einer von den Menschen, die dem Besuchsdienstkreis angehören; das bedeutet dann, dass diese Person den Besuch des Jubilars übernimmt. Der wird sorgfältig angekündigt, mit Brief oder per Telefon, denn kein Geburtstagskind soll überrumpelt werden. Manche, gerade alleinstehende Seniorinnen, hätten ja auch nachvollziehbar Angst, einfach die Tür zu öffnen. Andere wünschen keinen Kontakt, was akzeptiert wird, natürlich. Meistens aber freuen sich die Menschen sehr über diese Art der Zuwendung.
Durch die Besuche, die monatlich durch Treffen wie das heutige vorbereitet werden, erfährt der Besuchsdienstkreis viel darüber, was die Menschen bewegt. Stets fragt André Kielbik auch, ob es Besonderheiten gab, z.B. versteckte Hilferufe. Menschen, die viel allein sind, öffnen sich nicht selten, wenn sich jemand Zeit für sie nimmt. Es rührt an, was daraufhin berichtet wird; eine Dame hat Tränen in den Augen, während sie erzählt und sagt auch ganz offen: „Das hat mich sehr berührt.“
Wer sind diese Menschen, die sich Woche für Woche so viele Gedanken um ihre Nachbarn machen? Gemeindemitglieder, die es sich zur Aufgabe gemacht haben vor Ort etwas Gutes zu tun. Eine Dame z.B. sagt: „Nachdem mein Mann gestorben ist, habe ich beschlossen Menschen zu helfen. Das kann ich hier tun.“ Die Jüngste im Bund, Alexandra Wisotzki (46), ist erst seit Oktober 2012 dabei, andere – v.a. pensionierte Lehrerinnen, aber auch eine Fotografin – engagieren sich seit Jahren, ja Jahrzehnten. André Kielbik ist beides sehr wichtig: Er hat die Leitung des Kreises vor vier Jahren übernommen, ist froh über das reichhaltige Wissen der Senioren, sich aber zugleich bewusst: „Wir brauchen beides – Erfahrung und die Dynamik der Jüngeren, um eine Gemeinde lebendig zu erhalten.“
Das Treffen, dem ich beiwohnen durfte, dauerte genau eine Stunde. Etwa 20 Besuche wurden vereinbart, verteilt. Das Folgetreffen vereinbart. Dabei wird genau überlegt, wer wen gut kennt, wer aus welchem Grund der beste Gratulant sein könnte. „Ach, das ist unsere frühere Kinderärztin“, heißt es zum Beispiel. Die Glocken läuten, als wir aufstehen, um für das abschließende Foto nach draußen vor das Martin-Luther-Haus zu treten.
Die gewissenhafte Arbeit dieses Kreises ist ein Beweis für vertrauensvoll gelebte Nachbarschaft. Pfarrer Kielbik, der alle ob seiner Körpergröße überragt, bringt abschließend den kleinen Holzkasten zurück an seinen Platz. Dort, wo die Daten bis zum nächsten Treffen sicher verwahrt werden.
Lesen Sie in Kürze das Interview mit Pfarrer Kielbik.
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