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Politik Wahlen

Ein ganz normaler Wahlsonntag?

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: J.C. Schillmöller

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Sonntags, morgens um 8.30 Uhr ist nichts los in der Südstadt. Normalerweise. In der Grundschule KGS Mainzer Straße brennt aber Licht, die Türen sind offen, es ist Wahltag in Köln. Wir bekommen ein neues Stadtoberhaupt. An den Scheiben im Eingang hängen weiße Zettel. Darauf ist ein Haus mit rotem Dach abgedruckt, und wenn man genau hinsieht, dann erkennt man sogar eine graue Urne im Erdgeschoss. „Wahlgebäude“ steht auf dem Zettel.

Ein ganz normaler Wahltag also? Alles andere als das. Die OB-Kandidatin Henriette Reker ist am Samstag früh auf einem Markt in Braunsfeld niedergestochen worden. Die gute Nachricht: Nach Auskunft der Ärzte ist sie außer Lebensgefahr, dürfte sich wieder ganz erholen. „Meine Südstadt“ will wissen: Hat der Vorfall irgendwen beeinflusst? Die nicht repräsentative Antwort unserer Mini-Nachfrage vor der Schule lautet: Nein.

 

Aber fangen wir drinnen an. Ich muss ja erstmal selbst mein Kreuzchen machen. In meinem Klassenzimmer läuft Vivaldi, und die Wahlhelfer sind gut drauf. Ich bekomme meinen Zettel und denke kurz dran, dass diese Wahl schonmal fast schiefgegangen wäre – eben wegen der Zettel und der Schriftgröße dessen, was da drauf steht. Das Papier ist grau, es gibt keinen Umschlag. Ich mache mein Kreuz und stecke den Zettel in die Urne, deren Schlitz der Helfer korrekterweise mit einem Blatt Papier abdeckt.

 

Keine politischen Aussagen

 

Am Tisch sitzen sie, die heimlichen Helden der Demokratie – ich komme mit Peter aus Ehrenfeld und Ulrike und Josef aus der Südstadt ins Gespräch. Als Wahlhelfer dürfen sie keinerlei politische Aussagen tätigen, und daran halten sie sich penibel. Peter wünscht sich aber ganz offen, dass trotz des Vorfalls gestern möglichst viele Menschen kommen und von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen – egal, für wen. „Man sollte sich nicht beeinflussen lassen von welchen Aktivitäten auch immer“, sagt er. 

 

 

„Es reicht nicht, immer nur in den Medien zuzusehen. Wir sind alle aufgefordert, was zu tun“, sagt Ulrike. Sie zitiert Kennedys Spruch: „Frag nicht, was Dein Land für Dich tun kann. Frage, was Du für Dein Land tun kannst.“ Sie selbst ist nicht zum ersten Mal Wahlhelferin, sie hat schon viel erlebt, vor allem beim Auszählen von Briefwahl-Stimmen. „Da siehst Du alles Mögliche. Die Leute machen ihrem Unmut Luft, mit Karikaturen, mit bemalten Wahlzetteln, ich habe da schon ‚alles Quatsch‘ gelesen“, sagt sie. Sind solche Stimmen dann ungültig? „Wichtig ist für uns, dass man den Wählerwillen eindeutig erkennen kann“, sagt sie.

 

„Das beeinflusst mich in keiner Weise“

 

Ich stelle mich draußen vor die Grundschule. Ich möchte noch ein paar Menschen fragen, die hier wählen gegangen sind. Ich frage nur Leute, die schon gewählt haben, die wieder rauskommen aus der Schule. Leah zum Beispiel, eine junge Frau, die für Sonntag früh ziemlich gut ausgeschlafen aussieht. Sie sagt mir klipp und klar: „Nein, das gestern, das hat mich nicht im Geringsten beeinflusst. Es war tragisch, aber das beeinflusst mich in keiner Weise“. Was wünscht sie sich für Köln? „Weniger Chaos“, sagt sie, lacht und steigt auf ihr Rad.

 

Ein Paar im gesetzten Alter tritt aus der Grundschule: Es sind Roswitha und Clemens, beides alteingesessene Südstädter. „Ich verurteile das total, was gestern passiert ist“, sagt Roswitha. „Das darf nicht sein. Ich begreife immer noch nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist.“ Clemens nickt. „Naja“, meint er, „zum Glück isset nochmal jot jejange“. Hat der Angriff gestern sie beeinflusst? Auch hier ein klares Nein.

 

Roswitha räumt allerdings ein, dass sie zwischen zwei Kandidaten geschwankt habe. Aber ihre Entscheidung sei am Ende aus anderen Gründen gefallen – nicht wegen des Angriffs gestern. Sie wünscht sich für Köln, dass die Stadt wieder sauberer wird. Dass ältere Gebäude bereits dann repariert und renoviert werden, wenn das noch keine Riesenbeträge verschlingt. Und, besonders wichtig: Bezahlbarer Wohnraum. Aber das würden wohl alle sieben Kandidaten für diese Wahl unterschreiben.

 

Geht wählen!
 

Und so schlendere ich zurück durch den herbstkalten Morgen zum Eierplätzchen und wünsche mir auch, dass wir alle heute ein Zeichen setzen. Dass wir eine Wahlbeteiligung hinlegen, die sich gewaschen hat. Denn das ist Demokratie: Dass der oder die OB sich auf ein möglichst großes Votum stützen kann, ganz gleich, wer am Ende gewinnt. Also Leute, solltet ihr noch zögern, überhaupt zu gehen: Macht Gebrauch von eurem Stimmrecht. Wählt den Mann oder die Frau, die in Köln ein paar Weichen stellen kann. Wir empfehlen niemanden. Wir sagen nur eines: Geht wählen.

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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