Ein Kessel Buntes
Dienstag, 23. Januar 2018 | Text: Judith Levold | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Sonntagnachmittag gegen 16h. Ich spaziere mit meinem Sohn durch die Mainzer Straße. Draußen kommen uns viele junge Leute mit kleinen Kindern beim Frischluftschnappen auf dem Laufrad entgegen. Drinnen, durch die Fenster spinksend, beobachte ich viele Menschen, die gemütlich um die Kaffeetafel vereint sitzen – Sonntag eben. Wo sie alle nicht waren: Im Jugendzentrum Baui im Friedenspark.
Konflikt an erster Stelle
Ich dagegen komme genau da her: Gerade habe ich das erste Nachbarschafts-Treffen von „Bunt im Block“ dort vorzeitig verlassen müssen – das Kind probte den Aufstand. Doch waren wir lange genug da, um deutlich zu spüren, dass ordentlich Druck im Kessel steckte: Etwa 80 Nachbarn hatten sich versammelt, um sich, moderiert von WDR-Reporterin Anke Bruns (wohnhaft im Kunibertsviertel), zu informieren und zu debattieren. Manche von Ihnen gänzlich unvorbelastet, andere, um Dampf abzulassen und das vorweihnachtliche Facebook-Gezanke um „Bunt im Block“ – eine Art Tag des guten Lebens in klein zwischen Rheinufer und Bonner Straße südlich vom Ubierring – jetzt analog fortzusetzen. Immerhin, ein Fortschritt, wie ich finde, was die Streitkultur betrifft. Auch wenn gleich zu Beginn beim eröffnenden Erklär-Vortrag von „Bunt im Block“-Organisator Thomas Schmeckpeper unhöfliche Störfeuer die Atmosphäre mit Aggression aufluden. Zugegeben: es war nicht geschickt von Schmeckpepper, die Info-Veranstaltung damit zu starten, dass er die Homepage, auf der sich Nachbarn mit etwaig geplanten Aktionen anmelden können, umständlich erklärte. Besser wäre gewesen, den Konflikt zwischen Initiatoren und Kritikern von Bunt im Block als Erstes aufzugreifen und Grundsätzliches im Gespräch zu klären. Die kritischen Punkte, die schon seit Wochen für Ärger sorgen bei manchen Anwohnern, betreffen vor allem Größe und Termin von „Bunt im Block“, aber auch die Außenkommunikation bezüglich Finanzierung, Motivation und Organisationsaufwand.
Wem gehört die Südstadt?
Dass da was im öffentlichen Raum stattfinden soll – vorausgesetzt es haben überhaupt genug Nachbarn Lust dazu, auf autofreien Straßen etwas Buntes zu machen – stört einige, die neben Parkproblemen und möglicher Vermüllung durch zu viele Besucher, weitere Südstadt“vermarktung“ und ungebremsten Kommerz fürchten. Und augenscheinlich genervt sind, dass sie nicht gefragt wurden, obwohl sie doch die Ur-Südstädter sind oder etwa nicht? Aber das ändert sich ja mit diesem ersten Nachbarschaftstreffen im Baui. Da wird jedeR gefragt und jedeR kann seine Meinung äußern. Die Diskussion wird also nach dem Opening direkt hitzig und kontrovers, das Ganze diene nur dazu, ortsansässige Gastronomen fett verdienen zu lassen, man sei als AnwohnerIn nicht ordentlich informiert worden undsoweiter hagelt es Kritik. Mein Kollege Stefan, der länger bleiben konnte, hat mir ein paar wörtliche Zitate notiert. Demnach habe der im Vorfeld wegen seiner Unterstützung von Bunt im Block arg kritisierte Hans Mörtter gesagt: „Es ist ein Wahnsinn, was hier abgeht. Wir schaffen doch nur einen freien Raum, den die Bürger nutzen können. Entscheidend für uns ist die Begegnung. Die Begegnung auf den Straßen ist uns wichtig. Es gibt in der Südstadt viele Alte. Immer noch. Die kommen kaum noch raus aus ihrer Wohnung. Die sollen mit ihren Nachbarn in Kontakt treten können. Die Stadt stellt den Bürgern deren Stadt zur Verfügung.“ Er beschreibt damit den Geist von „Bunt im Block“ ganz gut und beschreibt ihn auch dann noch treffend, wenn Initiator Thomas Schmeckpeper, der neben seiner Halbtagsstelle im Rathaus an drei Tagen pro Woche „Bunt im Block“ plant, dafür bezahlt wird. Auf dem Gehaltsniveau eines Erziehers. Es fließt immer noch jede Menge Ehrenamt ´rein in das Ganze, und es wird niemand reich dabei, außer vielleicht: Reich an Erfahrung, aber das nur am Rande.
Neue Nachbarschaft
Barbara Moritz, Mainzerstraßenanwohnerin und früher Chefin der Grünen im Rathaus, saß auch unter den Skeptikern links vor dem Podium und antwortete auf Hans Mörtters Beschreibung des Hauptziels „Begegnung“: „Gegen diese Ziele habe ich nichts. Begegnungen im öffentlichen Raum sind was Tolles. 1978 habe ich ein Fest auf der Mainzer Straße organisiert. Da hatten wir null Personalkosten. Alles war ehrenamtlich. 60.000 Euro Kosten fallen an, wenn man es groß aufzieht. ,Bunt im Block‘ ist meiner Meinung nach zu groß geplant.“ Nun mag man sagen, ja, vor vierzig Jahren war alles besser und die Gummistiefel noch aus Holz, aber ein Fest rein ehrenamtlich zu organisieren in nur einer Straße mit Nachbarn, die man alle persönlich kennt, ist eben nicht vergleichbar mit der Idee, einen ganzen Block zu mobilisieren mit vielen Menschen die man selbst nicht oder nur flüchtig und die einander eben auch gar nicht oder nur flüchtig kennen. Was sich ja idealerweise ändern kann. Es gibt halt über die Jahre jede Menge neue Nachbarn, und klar kann man kritisieren, dass es so groß sein soll, gleich ein ganzer Block. Aber man kann es mit der gleichen Berechtigung auch gut oder spannend finden. Zu behaupten, es gebe einfach genug Straßenfeste in der Südstadt – und unter diesem Label würde „Bunt im Block“ beim Ordnungsamt geführt -, ist eben auch einfach eine Behauptung – das Interesse der NachbarInnen als eigentliche MacherInnen des Tages im Mai selbst wird zeigen, ob es im Veedel genug Straßenfeste gibt oder ob die BewohnerInnen mehrheitlich Bock haben, so ein „anderes“ Straßenfest mal miteinander auszuprobieren.
Nach dem Treffen ist vor dem Treffen
Ein Ergebnis des 1. Nachbarschaftstreffens war jedenfalls das Abstandnehmen der Veranstaltungsplaner, die Aktion stadtweit zu plakatieren – von Nachbarn soll dann eben auch wirklich und vor allem für Nachbarn und deren Gäste (und vielleicht auch Ex-Nachbarn?) werden. Außerdem wurde vereinbart, dass man sich in circa vier Wochen erneut trifft und die weiteren Entwicklungen bespricht. Das leidige Thema Parken am 27. Mai? Hier sicherte Thomas Schmeckpeper zu, dass in maximal einem Kilometer Entfernung Ersatzparkfläche zur Verfügung stehen werde. Die Probeabstimmung am Ende des zweistündigen Treffens im Baui zum Thema „Bunt im Block“ ergab, dass ein Drittel der Anwesenden gegen diese Veranstaltung und etwa die Hälfte dafür stimmten. Die restlichen Leute waren noch unentschieden, weil sie sich erst mal überhaupt informieren wollten. Einige von ihnen besuchten tags drauf Thomas Schmeckpeper im Büro an der Alteburger Straße – sie wollten Unterschriftenlisten abholen, damit in ihren Mietshäusern ihre direkten Nachbarn mobilisieren und „was Schönes auf die Beine stellen“.
Im November vergangenen Jahres war Bunt im Block bei einem Fraktionsvorsitzendentreffen in der Bezirksvertretung Innenstadt erstmalig als Idee vorgestellt worden. Die Grünen in der BV Innenstadt wollten daraufhin in der BV-Sitzung von Dezember einen Beschluss erwirken, demzufolge die BV die Verwaltung (Ordnungsbehörde) um logistische und organisatorische Unterstützung für das Vorhaben bittet. Mit der Begründung: „Die nichtkommerzielle Sondernutzung des öffentlichen Raumes kommt vor allem den dort lebenden Menschen und dem Zusammenhalt innerhalb der Nachbarschaft zugute. Zudem steht die Förderung der Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger innerhalb des Veedels bei „Bunt im Block“ im Vordergrund.“ Es wurde auf der BV-Sitzung am 7.12. aber letztlich gar nicht über das Thema entschieden.
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