Ein Türmchen für Jede*n
Donnerstag, 7. März 2019 | Text: Desiree Gorges | Bild: Desiree Gorges
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Die signalfarbene Botschaft der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB), die am Rande des Rheinauhafens die Aufmerksamkeit mancher Passanten erhascht, verheißt Befriedigung auf einer ganz speziellen Ebene: Man(n) darf hier stehen und Gutes tun. Für ein sauberes Köln. Die Stätte, an der die gute Tat vollbracht werden kann, gibt der klangvolle Schriftzug auf dem Schild pfeilgerichtet preis: Nachturinal.
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BagatelleWo ist denn bloß dieses Nacht-Urinal, wird sich unweigerlich fragen, wer bei Tageslicht die Augen in Pfeilrichtung schwenkt. Der Pfeil zeigt auf einen mächtigen Turm, den Bayenturm. Das frühere Wahrzeichen Kölns, von dem im 13. Jahrhundert der Ausruf Kölle Alaaf zum ersten Mal ertönt sein soll, ist wahrlich ein Turm mit Substanz. Vom mittelalterlichen Wall der Abwehr und des Schutzes zum neuzeitlichen Hüter feministischer Geschichte – so könnte man den Werdegang des Bayenturms beschreiben, der seit 25 Jahren auch als FrauenMediaTurm bekannt ist.
Ja, der Turm, auf den der Pfeil tagsüber zeigt, gehört den Frauen. Das Nachturinal hingegen – so lässt sich zur dunklen Stunde feststellen – ist ein Turm exklusiv für Männer. Ein edelstählerner, der aus dem Kopfsteinpflaster „wächst“, um die Notdurft aufzufangen, die einen Mann schon mal überkommen kann. Im sichtgeschützten Nachtschatten des FrauenMediaTurms darf er dann stoppen und sich so lange erleichtern, bis Mitarbeiter der AWB das Türmchen zum Tagesanbruch wieder im Boden versenken.
Ein Zeichen der Gleichberechtigung?
Mit Blick auf die Gleichberechtigung ist diese Installation gewiss ein starkes Zeichen. Ein Turm für Frauen, ein Turm für Männer, das ist gerecht. Ein Klo für Männer, aber keins für Frauen, das wiederum scheint nicht so gerecht. Denn eine öffentliche Nachttoilette für Damen sucht Frau am Turm vergebens. Wie kann das sein? „Frauen wird jederzeit zugetraut, nach einer Toilette zu suchen. Männern nicht“, vermutet Julia Hitz vom FrauenMediaTurm. Die Kulturmanagerin weiß aus eigener Erfahrung, wie beliebt der Turm bei wildpinkelnden Männern ist – auch tagsüber. Das Resultat sei vor allem im Sommer nicht zu überriechen. Dass mit dem Bau des Rheinauhafens vor einigen Jahren das Nachturinal unter den Fenstern ihres Arbeitsplatzes installiert wurde, kam den Mitarbeiterinnen des FrauenMediaTurms vor diesem Hintergrund ganz gelegen. Nur das Hinweisschild wollten sie nicht vor ihrem Eingang wissen. „Eine Kollegin, die gerade zur Arbeit kam, konnte im letzten Moment verhindern, dass das Schild direkt am Turm aufgestellt wird“, weiß Julia Hitz, die auch für die Öffentlichkeitsarbeit im FrauenMediaTurm zuständig ist und sich offizielle Fotos vom Turm mit einem Nachturinal-Schild als Dauerbeiwerk nicht so gerne vorstellen möchte.
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Wie intensiv das Nachturinal genutzt wird, lässt sich kaum sagen. Die AWB erheben dazu keine Zahlen, bei der Rheinauhafen Verwaltungsgesellschaft (RVG) zeugen nur Rechnungen und Wartungsverträge von dessen Betrieb. Im Kampf gegen die Wildpinkler hat das Nachturinal dennoch einen Beitrag geleistet: „Das Nachturinal hat da zweifellos geholfen, diese Unsitte zumindest zu begrenzen“, ist sich Thomas Beez, Geschäftsführer der RVG, sicher. Im Toilettenkonzept der Stadt Köln sind laut AWB-Sprecher Wilfried Berf aber keine weiteren Nachturinale mehr vorgesehen. Im Rheinauhafen gehört noch ein zweites Nachturinal unter der Severinsbrücke zum Inventar.
Ob diese einzigartigen Einrichtungen genutzt werden oder nicht, ist in der luxuriösen Umgebung wohl nicht so relevant. Mann sollte sich die Gelegenheit dennoch nicht entgehen lassen. In eine 35.000 Euro teure Toilette gepinkelt zu haben – damit kann sich schließlich nicht jede*r brüsten. Die Mauern des FrauenMediaTurm hingegen schaut man sich tagsüber am besten von innen an. Informationen zu Öffnungszeiten und Besichtigungen gibt es auf frauenmediaturm.de.
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