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Familie

Eine besondere Oase

Montag, 31. August 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Wer an sein Alter denkt, muss sich auch mit der Frage auseinandersetzen, wie er im Alter leben will. Und was er macht, wenn er pflegebedürftig wird. Ob er zu Hause bleiben kann oder den Gang in ein Seniorenheim wählt. „Meine Südstadt“ hat sich das Clara-Elisen-Stift am Kartäuserwall angesehen und sich mit Bernd Zeller, dem Heimleiter und mit Bewohnern unterhalten.

Meine Südstadt: Herr Zeller, Sie sind der Leiter des Clara-Elisen-Stiftes. Warum machen Sie diesen Job?
Bernd Zeller: Weil ich ein sozial eingestellter Mensch bin und ein Faible habe für ältere Menschen. Ich habe selbst Theologie studiert, eine Ausbildung in der Altenpflege und in Betriebswirtschaft gemacht. Jeder Mensch wird älter, hat seine Wehwehchen und muss auch im Alter gut betreut und versorgt werden. Das ist wichtig für den letzten Lebensabschnitt. Ich möchte später mal genauso betreut werden wie die Bewohner.

Was für ein Verhältnis haben Sie zu den Bewohnern?
Bernd Zeller: Ich gehe auf sie zu. Begrüße sie, gehe zur Geburtstagsfeier, bin bei Veranstaltungen präsent, spreche mit ihnen. Weil ich wissen will, wie es ihnen geht. Auch, wenn jemand im Sterben liegt, ist das meine Aufgabe. Vom Menschlichen her, von meiner Denkweise.

Wie viele Bewohner und Mitarbeiter hat das Stift?
Bernd Zeller: Hier sind 83 Bewohner, die in Einzelzimmern leben. Davon sind 30 % Männer, 70 % Frauen. Die jüngste Bewohnerin ist 62 Jahre, die älteste 98 und das Durchschnittsalter beträgt 86 Jahre. Zurzeit haben wir 70 Mitarbeiter, ohne die Ehrenamtlichen. Wir haben viele langjährige Mitarbeiter, die schon bis zu 25 Jahre in allen Bereichen tätig sind. Ich selbst bin seit dem 1. April 2002 Leiter des Stiftes und habe 25 Jahre Berufserfahrung in dieser Funktion. 

Wenn man sich ein Seniorenheim vorstellt, dann hat man oft Tristesse vor Augen. Aber das Clara-Elisen-Stift sieht ganz anders aus. Das Haus ist hell und einladend, davor stehen Bäume und Bänke, dahinter liegt ein kleiner Park. Die Mitarbeiter sind sehr freundlich. Es wirkt wie eine Oase der Ruhe in der Südstadt.
Bernd Zeller: Mir liegt die Zufriedenheit der Bewohner und der Mitarbeiter sehr am Herzen. Und mir ist wichtig, dass das Clara-Elisen-Stift hier in der Kölner Innenstadt auch weiterhin als diese Oase der Ruhe und der Zufriedenheit gilt. Ich habe deshalb einen hohen Anspruch an meine Mitarbeiter, an die Qualität der Pflege und Betreuung, an das Essen. Ich führe regelmäßig Gespräche mit Bewohnern, mit Angehörigen, mit Mitarbeitern. Da gucke ich, wo was hapert und wo es gut läuft. Und da höre ich auch immer wieder: Das Clara-Elisen-Stift ist überschaubar, es ist nicht so groß, ist individuell und hat eine gewisse familiäre Atmosphäre. Es ist auch gut eingebunden in die Nachbarschaft, Kindergarten, Schulen, Severinstraße, Karneval.

Wer kommt Karneval zu Ihnen?
Bernd Zeller: 2015 war das Kölner Dreigestirn vor Ort. Wir haben immer auftretende Gruppen, wir haben eine Sitzung, Tanzgruppen, Büttenredner, Sänger. Wir gehen mit Bewohnern auch zur Mädchensitzung im Gürzenich.

Sie haben ja viele kulturelle Veranstaltungen. Wie werden die finanziert?
Bernd Zeller: Ich habe ein gewisses Budget über den Pflegesatz, das nennt sich soziale und kulturelle Betreuung. Darunter fallen Konzerte, Ausflüge, Sommerfest, Einzelbetreuung, Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke für Bewohner. Dann haben wir aber auch noch einen Förderverein, der uns regelmäßig unterstützt für Konzerte, Sommerfest, Fortbildung der Mitarbeiter. Aber auch Ausstattung wie Computer oder mal ein Pflegebett oder ein Lifter. Das wird alles gerne genutzt. Die Bewohner freuen sich über einen Tanztee oder Bingo oder ein Konzert. Ohne Förderverein wären bestimmte Dinge gar nicht machbar.

Vielen Dank, Herr Zeller, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch genommen haben! Ich verabschiede mich von Ihnen und spreche mit einigen der Bewohner. Frau Tibackx, Sie wohnen seit 4 Monaten im Clara-Elisen-Stift. Wie war die Umstellung für Sie?
Josephine Tibackx: Es war nicht leicht für mich. Nicht so, wie wenn man einen Mantel ablegt und ist dann zu Hause. Ich kam mir anfangs sehr fremd vor. Ich hatte immer für mich selbst gesorgt, gekocht, das ist jetzt nicht mehr so, da muss man sich erst umgewöhnen. Aber hier sind ja ganz goldige Leute, die ich mag, mit denen ich z.B. mittags esse oder frühstücke oder etwas unternehme. Es hat sich also schon etwas verbessert.

Was unternehmen Sie denn so alles?
Josephine Tibackx: Ich gehe z. B. gerne zu den Konzerten. Eines meiner Lieblingslieder ist „Satisfaction“ von den Stones. Wenn das gespielt wird, fängt Herr Zeller an zu tanzen und ruft zu mir rüber: „Komm Tibackx, wir tanzen!“ Das mache ich dann, tanze mit ihm und habe meine Freude daran. Er ist ein Mensch, der andere Menschen sehr motivieren kann.

Sie verstehen sich gut mit ihm?
Josephine Tibackx: Herr Zeller ist ein liebenswerter und lebenslustiger Mensch, wofür ich ihn auch bewundere. Er hat eine schwere Aufgabe, muss nicht nur die Einrichtung leiten, sondern macht auch all die Dinge, die damit verbunden sind. Trotzdem ist er immer gut gelaunt, er hat für mich einfach eine tolle Ausstrahlung. Und wenn er nicht verheiratet wäre, dann würde ich ihn nehmen! (lacht)

Meine Südstadt: Frau Horbach, Sie sind die Vorsitzende des Heimbeirates. Welche Funktion hat er?
Maria Horbach: Wir sind so etwas wie der Betriebsrat der Bewohner, der einmal im Monat tagt. Die Küche nimmt dran teil, der soziale Dienst ebenso. Dann wird besprochen, was es zu essen gibt, was man verbessern kann. Wir nehmen auch Wünsche entgegen und geben sie an die Heimleitung weiter. 

Können Sie Beispiele nennen?
Maria Horbach: Sind die Leute mit der Wäscherei zufrieden, mit der Putzkraft, mit dem Essen? Oder wenn es Probleme mit Hausbewohnern gibt, kann man überlegen, wie man die abstellen kann. Aber eigentlich haben wir kaum Probleme.

Sie arbeiten also gut mit der Heimleitung zusammen?
Maria Horbach: Im Großen und Ganzen sind alle hier zufrieden. Denn ein schöneres Haus kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben viel Abwechslung und viel Programm, tragen auch selbst dazu bei. Ich mache z. B. abends mit den Leuten Kniffeln.  Alle 14 Tage kommen zwei Klinik-Clowns, sehr lustig, sehr lieb. Die bringen eine Geige und Rumbakugeln mit und gehen dann zu den Leuten, die nicht aufstehen können. Teils haben sie ja auch Schmerzen, die sie darüber vergessen. Ab und zu wird mal ein alter Film gezeigt, den können wir wünschen. Vom Yoga bis zum Kreuzworträtsel ist alles dabei. Und das sind Sachen, die das Leben schöner machen.

Meine Südstadt: Frau Dylong, Sie haben das stolze Alter von 92 Jahren erreicht und leben seit 7 Jahren hier. Hatten Sie Anpassungsschwierigkeiten?
Maria Dylong: Nein, ich war schon am zweiten Tag zufrieden und habe Herrn Röhl (ein Mitarbeiter, Anm. d. Redaktion) auf seine Frage, wie es mir geht, gesagt: „Ich meine, wenn ich so überlege: Es ist, als wenn ich hier meinen Urlaub verlebe. Als wenn ich das Zimmer gebucht hätte, so wohl fühle ich mich. Wer hier ist, der ist in einem der besten Hotels.

Wie empfinden Sie den Alltag hier?
Maria Dylong: Das ganze Personal, vom Heimleiter bis zum Praktikanten, alle sind freundlich. Vor allem, wenn man selbst freundlich ist. Ich habe noch niemals eine Beschwerde gehabt. Es gibt täglich eine frische Mahlzeit, was ich gar nicht gedacht hätte, weil ich das aus Krankenhäusern, ich war ja elfmal im Krankenhaus nach dem Herzinfarkt, nur mit dem vorgekochten Essen kenne. 

Und Ihre Mitbewohner?
Ich freue mich, wenn ich Heimbewohnern begegne, ich freue mich, wenn ich ein Wort mit ihnen wechsle, sofern es angebracht ist. Ich freue mich eigentlich den ganzen Tag. Das ist sehr schön.

Noch eine sehr persönliche Frage, wenn Sie gestatten. Sie werden bis zu Ihrem Tod hier bleiben. Macht Ihnen der Gedanke ans Sterben Angst?
Maria Dylong: Nein, überhaupt nicht, weil ich alles in die Hände Gottes lege. Er ist mein Freund und wird mich so führen, wie er es am besten meint.

Haben Sie denn selbst schon mal erlebt, dass hier jemand verstorben ist?
Maria Dylong: Ja, z.B. mit einer Frau, mit der ich mich erstklassig verstanden habe. Wir waren richtige Freundinnen, Freundinnen bis zum Tod. Wie sie gestorben ist an dem Tag, am 7. Juni vorigen Jahres, da bin ich noch gerufen worden, sie ist eingeschlafen, ob ich möchte sie noch sehen. Da bin ich sofort gegangen und konnte ihr noch über die Hände streicheln. Ich habe gesagt: „Jetzt habe ich eine echte Freundin verloren.“ Ich freue mich, dass ich bei einem Toten sein kann, weil ich das auch gerne möchte, dass mir jemand die Hände hält, wenn ich tot bin.

Ein sehr verständlicher Wunsch! Vielen Dank, Herr Zeller, Frau Tibackx, Frau Horbach und Frau Dylong, für das Gespräch!

Text: Alida Pisu

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