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Südstadt

Eine lebensrettende Idee

Sonntag, 9. August 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Wir alle haben sie gesehen: die Bilder hunderttausender Jesiden, die 2014 im Nordirak vor den Truppen der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ geflohen sind. Mütter mit ihren Kindern, alte und kranke Menschen. Mit nicht mehr auf der Flucht als mit dem, was sie in ihren Händen tragen konnten. Der Hitze, dem Hunger und den Angriffen der Dschihadisten ohnmächtig preisgegeben. Immer in Angst um ihr Leben. Tausende Kilometer entfernt und über Länder-Grenzen hinweg, ließen Menschen sich von diesem Anblick so bewegen, dass sie beschlossen, Hilfe zu leisten. Die spontane Idee: „Ein Rettungswagen für Jesiden“ wurde mit vereinten Kräften in Angriff genommen und wider Erwarten tatsächlich realisiert. „Meine Südstadt“ sprach mit der Südstädterin Gülseli Baur, einer der Initiatorinnen und ihrem Vater Yüksel U?urlu.

 

Meine Südstadt: Seit gestern ist ein Rettungswagen auf den Weg nach Lalisch im Irak. Dort soll er medizinische Hilfe leisten. Wie kam es dazu?
Gülseli Baur: Mein Vater, der sich selbst mal einen Rettungswagen bei ebay geschossen und als Wohnmobil umgebaut hat, hatte so einen Rettungswagen im Internet entdeckt. Er hat am Telefon rumgesponnen: „Wäre es nicht irre, wenn wir den Wagen den Jesiden schenken könnten?“ Das war zu der Zeit, als jeden Abend in den Nachrichten die Schreckensmeldungen kamen und man sich total hilflos fühlte. Ich habe gedacht: „Das wird nicht klappen“, aber trotzdem an ein paar Freunde eine e-mail geschickt, ob jemand Lust habe, da mitzumachen. Und dass es ungefähr 10.000 Euro kosten würde. Und in derselben Nacht haben sich noch mindestens zehn Leute gemeldet und gesagt, dass sie mitmachen. Manche gaben 50 Euro, manche 1.000, manche 300 Euro, so dass wir nach 24 Stunden schon bei ungefähr 4.000 Euro waren. Damit war klar: Es ist ein Interesse da. Und dann habe ich’s an alle geschickt. Nach 3 Tagen hatten wir 8.000 Euro zusammen, für die wir den Wagen ersteigern konnten.

 

Bild: Gülseli Baur

 

Ausschließlich durch Sammeln im Freundes- und Bekanntenkreis?

Gülseli Baur: Ja. Freunde, Verwandte, Bekannte von meinem Vater, Conni Uebel und mir. Wir haben das an alle geschickt. 

Yüksel U?urlu: Der Wagen ist ein amerikanischer Ambulance-Wagen, wie man ihn in New York auf der Straße sieht. Wir haben es so konzipiert, dass der Wagen für den Arzt wie eine mobile Arztpraxis funktioniert. Er kann von Dorf zu Dorf fahren und Untersuchungen machen. Auf dem Dach ist eine Sonnenkollektor-Anlage für Strom, so dass er autonom durch die Berge kurven kann. 

 

Wie ist der Wagen denn ausgestattet? 

Yüksel U?urlu: Wir haben ihn leer übernommen. Sauerstoff-Flaschen, alles wurde abgebaut, auch die Trage haben wir nicht bekommen. Alles das müssen wir noch vor Ort besorgen lassen. 

 

 

Haben Sie das Geld dafür?

Yüksel U?urlu: Es ist noch etwas Geld da, aber es ist für Medikamente vorgesehen. Weil der Wagen so ausgerüstet sein soll, dass für den Arzt alles drin ist. 

Gülseli Baur: Wir hatten noch mal rumgemailt und auch bei Firmen angefragt, ob die etwas sponsern. Wir haben jetzt im Wert von ungefähr 20.000 Euro Medizin, Bestecke und anderes zum Untersuchen und Operieren. Von einer Praxis haben wir ein Sterilisationsgerät bekommen. Wir sind relativ gut ausgestattet, wir haben z. B. jetzt 100 Pipetten, aber die sind irgendwann weg, es verbraucht sich ja.

Yüksel U?urlu: Es leben allein 10.000 Leute in einem Flüchtlingscamp, die dann auch betreut werden. Für die ist der Wagen ein Geschenk des Himmels. Das war am Anfang ja auch unser Beweggrund. Als die Jesiden von ISIS umzingelt wurden, wussten wir ja erst nicht, was wir tun sollten. Und jetzt wollen wir nicht nur den Wagen schenken und „Tschüss“ sagen, sondern dran bleiben, Nachhaltigkeit zeigen. 

 

Wie sieht es denn in dem Gebiet aus, in das der Wagen jetzt fährt? Finden dort noch Kampfhandlungen statt?

Yüksel U?urlu: Es ist ein Kampfgebiet. Allerdings nicht überall und nicht immer. Die Jesiden kennen sich in dem Gebiet perfekt aus und wissen, wo man den Wagen einsetzen kann. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir den Wagen schenken und er nach drei Tagen von ISIS gekapert wird. Wo Kampfgebiete sind und wo einigermaßen Frieden ist, das ist bekannt.

 

Es ist ja nun schon sehr lange her, dass die Tragödie der Jesiden ihren Anfang nahm. Warum hat es so lange gedauert, bis sie den Wagen startklar hatten?

Gülseli Baur: Weil wir alle berufstätig sind. Jeder hat Vollzeit etwas zu tun. Allein diese Zoll-Geschichten… Und wenn dann keiner da sitzt, der das von morgens bis abends machen kann, sondern jeder hat zwei Stündchen am Abend noch schnell  neben seinem anderen. Dann ist das halt der Preis dafür, dass es dauert, weil es keiner vollzeitmäßig leisten kann.

 

Musste der Wagen denn noch instand gesetzt werden? 

Gülseli Baur: Wir haben alles Mögliche neu gemacht. Auch neue Reifen. Es musste viel umgebaut werden. 

Yüksel U?urlu: Das, was nötig war, haben wir eines nach dem anderen alles einbauen und installieren lassen. So professionell, dass es dann auch eingesetzt werden kann. Das dauert. 

Gülseli Baur: Dann wollten die Leute gerne spenden und haben gefragt: „Können wir nicht Spendenquittungen kriegen? Dann können wir es absetzen.“ Daraufhin hat Moritz Bach, die vierte Person, die eingestiegen ist ins Boot, uns bei Aktion Medeor (das größte Medikamenten-Hilfswerk Europas, d. Redaktion) ein Spendenkonto einrichten lassen. Und über Medeor können dann auch Spendenquittungen ausgestellt werden.

 

Wie funktioniert das?

Gülseli Baur: Die haben sozusagen für uns ein Konto eingerichtet, wo die Leute hin gespendet haben. Und von diesem Geld haben die dann die Medikamente gekauft. Das hat auch sehr viel Zeit gekostet und es hat uns auch geärgert. Aber so ist es, wenn man es nebenbei macht. 

 

Ist das nicht irgendwann auch demotivierend?

Yüksel U?urlu: Nein, überhaupt nicht. Man muss sein eigenes Brot verdienen. Das ist das Problem. Und währenddessen müssen wir auch einen unendlichen Organisations-Kram erledigen. 

Gülseli Baur: Dafür dauert es länger, aber das ist nicht schlimm. Ich habe stundenlang telefoniert mit Ärzte ohne Grenzen. Die haben gesagt: „Das könnt ihr nicht machen. Ihr wisst doch gar nicht, ob die Reifen, die ihr drauf habt, auf dem Boden überhaupt fahren können.“ Alle versuchen, einem auch Angst einzujagen. Aber unser KFZ-Mechaniker ist Syrer, der hat die Reifen, die für diese Gebiete vorgesehen sind, auch drauf gemacht. 

 

Was ist Ihnen besonders wichtig an dieser Sache?

Yüksel U?urlu: Hilfsorganisationen betrachte ich als etwas schwerfällig und zu kommerziell beinahe. Also, die helfen schon und da kommt ja auch Hilfe an. Aber vielleicht ein Teil des Geldes von den Leuten, die hier ihre Spenden abgeben, bleibt auf der Strecke. Es wird nicht geklaut, aber sehr viel wird für Verwaltungen ausgegeben. Das ist vielleicht auch nötig, aber mir tut es immer leid, wenn ich sehe, dass ein Manager 5.000 Euro kassiert für seine Dienstleistungen für Hilfsorganisation XY. Das stört mich, ehrlich gesagt. Da habe ich gedacht, man kann auch individuell mit ein paar Leuten so etwas starten und helfen, in so einer Notsituation. Und wir haben tatsächlich, was wir alles eingenommen haben, jeden Groschen aufgelistet, wofür wir ihn ausgegeben haben. Wir selbst arbeiten natürlich umsonst. 

 

D.h., man kann wirklich sagen, 100 % der Summe fließt in dieses Projekt?

Gülseli Baur: Ja, komplett. 

 

Frau Baur, Herr U?urlu, herzlichen Dank für das Gespräch! 

Meine Südstadt wird den Rettungswagen auf seiner Fahrt in den Irak begleiten und darüber berichten, was vor Ort geschieht. 

Text: Alida Pisu

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