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Aufgeschnappt: FC St.Pauli-Präsident unterstützt LOTTA-Haus. +++ Auszeichnung für den Bildband „Fotogeschichten Kölner Südstadt“ +++ Vorweihnachtlicher Endspurt im Theater 509 +++

Auf ein Kölsch mit...

Ekel in Frohsinn

Mittwoch, 10. November 2010 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Auf einen Milchkaffee mit Ecki Pieper, dem Frontmann von Köbes Underground, der Hausband der Stunksitzung. Im „echten Leben“ arbeitet Ecki Pieper als Diplom-Psychologe bei Zartbitter, Kontakt-und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen.

Was magst Du am Filos?

Das ist ja, wenn man so will, die Vereinskneipe der Stunksitzung. Hier hat man sich getroffen zum Schreiben, Herr Becker und Herr Jünemann schreiben hier wohl immer noch ihre Frühstückspause, Moritz Netenjakob war hier auch immer, der „Machoman“ geschrieben hat und der ja auch Autor der Stunksitzung ist, das das war ja auch hier lange Zeit sein Büro. Und zu bestimmten Anlässen treffen wir uns hier, man kennt hier ganz viele Leute. Hier ist es immer nett, ein Elferrat im Jahr kommt vom Filos, dann wird hier noch schön gefeiert. Auch im Karneval ist es hier einfach nett und schön.

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In Eurem Lied „Ich war noch niemals in Köln Kalk“ besingt Ihr einen Mann, der nie aus seinem Veedel herauskommt, ist das typisch für die Südstadt? Einmal Südstadt, immer Südstadt?

Ich glaube, dass ist typisch für jedes Veedel in Köln. Köln ist ja kein Moloch, es hat eher eine dörfliche Struktur und die Leute mögen Ihr Veedel meist, wenn es denn ein Veedel ist, was ja nicht auf alle Stadtteile Kölns zutrifft. Aber für die Südstadt gilt das sicherlich. Auch mit wechselnder Geschichte, damals noch als Geheimtipp, heute als schickeres Viertel, das dann stellenweise auch zu teuer wird. Mit Familie und Kindern wird’s dann irgendwann schwer.
Ich finde aber, dass die Südstadt im letzten Jahr wieder so ein bisschen die Kurve gekriegt hat, auch da sie kulturell ein starkes Zentrum bildet, durch das alte Pfandhaus, den Umzug der Comedia. Wenn die Bahn erstmal fertig ist, dann wird es hier wieder sehr attraktiv wieder sein.

Die Befürchtung ist ja, dass sich durch den Rheinauhafen dahingehend einiges verändert.

Ja, naja, das Proseccoviertel… Das ist eben irgendwo auch der Preis, den man bezahlt, wenn so ein Gelände umstrukturiert wird, das schafft aber auch eine Menge Arbeitsplätze, denke ich. Ich weiß nicht, ob man sich in zehn Jahren darüber noch beschweren wird. Da wohnen sicherlich viele Leute, die sehr viel Geld haben, aber die Büros sind nicht voll von Leuten, die achttausend netto verdienen. Das sieht schick aus, aber da gibt’s ja auch nette.

Gab es Köbes Underground schon vor der Stunksitzung?

Nein. Köbes gibt’s für die Stunksitzung. Gegründet wurde die Stunksitzung ja vom Kölner Spielezirkus. Die sind im Sommer mit ihren Plan- und Bauwagen als erster deutscher Mitmachzirkus durch die Gegend gefahren mit ihrem Trecker. Und im Winter haben sie sich gefragt, was machen wir denn jetzt mal. Und da gibt’s ja nun eigentlich ein schönes Fest in Köln, was aber darniederliegt für „die Szene“. Die klassischen Sitzungen waren noch viel staubiger als heute. Da gab es nichts, vor allem nicht für die politische Szene, die damals ja noch viel aktiver war als heute. Und für die haben sie dann aus Spökes mal so’n Abend organisiert. Die erste Hälfte des Abends haben dann die Stunker das Programm gestaltet, den Rest des Abends die Musikkabarettgruppe „Laut & Lästig“, bei denen Didi Jünemann und Bruno Schmitz noch Mitglieder waren. Ab dem zweiten Abend haben sie die Nummern dann gemischt.
1987 hat der Spielezirkus seine Proberäume in der Wissmannstraße renoviert und haben darum keine Sitzung hinbekommen. Also hieß es, dann gibt es eben in dem Jahr keine Stunksitzung. Da hat dann wieder Jürgen Becker gesagt, das ist ja schade, dann machen wir’s klein und gemütlich in der Comedia. 1985 habe ich da in der Stunksitzung gekellnert, im nächsten Jahr die Kellnerei organisiert und da ich in der Zeit in einer kleinen, schlechten Band gespielt habe, sprach Jürgen Becker mich an, ich solle mir ein paar Leute zusammensuchen und Musik machen. Das hab ich gemacht, und wir haben uns dann direkt Tanzkapellenuniformen gebastelt und Tanzmusik und Schnulzen gespielt. Das kam gut an, und als im nächsten Jahr die Leute vom Spielezirkus wieder dabei waren, wollten wir das nicht direkt wieder kippen, also haben wir aus den beiden Bands eine gemacht, dadurch waren wir zu zehnt.

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Die Band hieß da noch immer anders. „The dead Lambsdorfs“ als Replik auf „The dead Kennedys“, „Elmar geht nach Lüdenscheid“, als „Frankie goes to Hollywood“ berühmt war, „Schwester Christa und ihre Brinkmänner“ zu Schwarzwaldklinikzeiten, „Joschka und die Fischerchöre“. Aber als wir dann mit größer werdendem Repertoire auch außerhalb der Stunksitzung aufgetreten sind, war das mit den wechselnden Namen dann schlecht, da das dem Wiedererkennungswert nicht so guttat. Dann haben wir uns zusammengesetzt und uns einen Namen gesucht, eigentlich gibt es erst seitdem, also seit 1993 Köbes Underground. Wir machen das alle nicht hauptberuflich, bei uns alle Jobs. Manchmal schwer zu organisieren, aber es macht einfach Spaß.

Wie seid Ihr auf Euren heutigen Namen gekommen?

Wir saßen im Päffgen, suchten einen Namen, und uns fiel ein, dass Nico von Velvet Underground mit dem Inhaber des Päffgen verwandt war, da haben wir gedacht, dass ist ja schon mal eine schöne kölsche Basis. Und da man dann in den Brauhäusern so schön freundlich bedient wird, vor allem, wenn man ein Wasser bestellt – „Willste nen Handtuch dabei?“ – stand dann der erste Teil des Namens auch schnell fest. Der Köbes stellt ja einen Gegenentwurf zur klassischen Bedienung dar, das hat uns gut gefallen.

Gibt es für Euch Tabus?

Ja, gibt es. Wenn wir einmal den Ententanz spielen, müssen wir uns sofort auflösen. Den hat sich mal einer gewünscht, aber für uns war schnell klar, nee, machen wir nicht. Musikalisch gibt es ansonsten keine Tabus. Wenn wir uns vorbereiten, dann muss jeder seine fünf Hasslieder mitbringen. Davon haben es dann schon viele in die Stunksitzung geschafft, denn das löst ja eine Emotion aus. Auch Ekel ist eine Emotion, die man umwandeln kann in Frohsinn. Gerade diese Lieder haben sehr oft was, da macht dann auch „Marina Marina“ Spaß, als „Jaqueline Jaqueline“, obwohl auch das eins der Hasslieder war. Inhaltlich gibt es eigentlich auch keine selbst auferlegten Tabus. Es gibt schon mal Diskussionen, ob jetzt etwas rassistisch ist oder zu weit unter der Gürtellinie. Aber das ist weniger das Wesentliche, sondern eher, wie ist da die Gesamthaltung.

Manchmal muss man sogar politisch unkorrekt sein, denn Witz entsteht ja dann, wenn man etwas nicht erwartet. Wir provozieren nicht auf Teufel-komm-raus, das wäre ja ätzend. Man kann sich auch auf die Bühne setzen und da hinkacken. Das ist sicher eine Provokation – aber wozu? Das hat keinen Sinn. Es gab mal eine indische Nummer zum Thema Ayurveda, bei der wir Windeln und Turban getragen haben – und sonst nichts. Da haben wir auch kurz überlegt, ob das für uns jetzt ok ist. Aber dann hat Winni Rau gesagt: Wenn man sowas trägt, weiß man, dass man es nicht geschafft hat. Und dann war die Sache in Ordnung. Wir konnten über uns selbst lachen. Mit den Klischees ist es ja wie mit den Märchen, die haben was. Die meisten finden sie doof, aber trotzdem sind sie über Jahrhunderte hindurch weiter erzählt worden. Sie sind unlogisch, grausam, alt – aber sie bieten irgendwas für die Menschen. Auch der Karneval ist ja ein Klischee, und die Roten Funken sind eins und das Festkomitee ist eins. Aber eben auch der alternative Karneval, die Alternativen, die Emanzen, die Autonomen. Die haben mal zu Zeiten der Hausbesetzungen ein Transparent in der Stunksitzung entrollt, auf dem Stand: Weißhausstraße muss bleiben! Ja, hat Jürgen Becker damals gesagt: „Finde ich auch. Wie soll man sonst von der Inneren Kanalstraße zur Luxemburger kommen. Das fanden die unmöglich. Die hatten ja keinen Humor. Da gab’s lange Sitzungen und Diskussionen hinterher. Wir haben auch schonmal zwei Stunden über die Farbe der Tischdecken diskutiert. Das war nicht effektiv, aber hinterher waren alle zufrieden.

Ihr seid mal als Gegenbewegung zum konservativen Sitzungskarneval entstanden. Inzwischen ist es aber schwieriger, an Karten für die Stunksitzung zu kommen als an welche für eine Herrensitzung im Gürzenich.

Unser Motto war immer: Karneval instandbesetzt. Weil Karneval lange Zeit ein Fest war, das nicht für die gesamte Bevölkerung da war. Das Anti-Karnevalslied „Nit vöör Koche“ von BAP hätten damals viele unterschrieben. Das hat sich durch die Stunksitzung und durch viele andere Sitzungen, die es inzwischen gibt, verändert. Da ist ganz viel Farbe entstanden, zu der wir einen Beitrag geleistet haben. Das hat dem Festkomitee gezeigt: Es geht auch anders, und die Leute haben nichts gegen Qualität. Es müssen nicht frauenfeindliche Witze sein, das hat nichts mit dem Leben der Leute zu tun.
Natürlich gab es auch im klassischen Karneval Sterne. Von Karl Berbuer zum Beispiel, vom Colonia Duett, Willi Ostermann – sogar vom Eilemann-Trio teilweise. Das sind schöne Lieder. Punkt. Aber uns ging es um etwas andere. Das „Festordnende Komitee“, wie es offiziell je heißt, hatten die Preußen eingeführt, um das rege Treiben an Karneval zu kontrollieren. Die Herrschenden hatten damals die Angst, dass der Karneval auch im Rheinland zu einer Revolution führen könnte. König, Bauer und Jungfrau sind eigentlich nichts anderes als eine Benimmpolizei für organisierten Frohsinn. Das war für politisch eher links, leicht anarchisch, selbstbestimmt lebende Menschen, wie im „Spielezirkus“ damals nicht akzeptabel. Also haben wir einen Gegenentwurf gemacht. Und würden übrigens bis heute nicht mit einem eigenen Wagen am Rosenmontagszug teilnehmen. Karneval und Klüngel sind in Köln immer noch engstens verbunden. Da muss man sich nur mal ansehen, wer auf den Wagen vom Festkomitee oder der Prinzengarde mitfährt: Politik, Unternehmer, Hochfinanz. Da wird auch über Geschäfte geredet. Eigentlich ein Fall fürs Kartellamt. Das ist nicht unsere Abteilung – auch wenn viele sagen, bei der Stunksitzung gehe es nur noch ums Geld. Wir brauchen 30 Sitzungen, um nur die 800.000 Euro wieder rein zu bekommen, die wir vorfinanzieren. Und da sind die fünf Monate Arbeit jedes Jahr noch gar nicht mit drin. Für das Monatsgehalt würde sich kein Studienrat in die Schule stellen. Da wird keiner reich von.

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Beim Südstadtzoch fahrt ihr aber mit …

Ja, es gibt ja ganz viele Verbindungen in die Südstadt. Ganz viele Stunker wohnen hier und haben hier auch Läden. Der Südtstadtzug war ja irgendwann eingeschlafen, und dann gab es welche, die ihn wiederbeleben wollten. Josef Schnelle zum Beispiel, der Filmkritiker. Hier gibt’s so viel, warum eigentlich keinen Veedelszoch mehr, haben die gefragt. Und die haben auch uns gefragt, ob wir was dazu tun würden. Erst mal finanziell, das tun wir nach wie vor. Und dann hatten wir die Idee, dass es doch toll wär, wenn der Zug auch einen Wagen hätte. Da waren wir jahrelang die einzigen, sonst gab es nur Fußgruppen. Und der Abschluss am Platz an der Eiche ist immer so nett. Man steht auf dem Wagen, hört selbst nicht, was man da eigentlich macht. Aber man sieht, dass die Leute einen Riesenspaß haben – und wir auch. Für mich ist das eigentlich fast der Höhepunkt der Saison. Ich kämpfe seit Jahren dafür, dass wir danach nicht noch die letzte Sitzung abbauen müssen, sondern dienstags länger in der Südstadt bleiben könnten und dann abends da auch die Nubbelverbrennung machen können. Anne Rixmann und ich sind dafür, aber wir haben noch keine Mehrheit. Noch nicht. Aber wir arbeiten dran.

Eines Eurer schönsten Lieder rechnet mit den Mottoliedern von Marie-Luise Nikuta ab. Hat sie sich eigentlich jemals bei Euch gemeldet?

Nicht bei mir. Aber Kollegen mussten mal an einer Podiumsdiskussion teilnehmen, weil sie sich über den Song „Marie-Luise“ so aufgeregt hat. Das war ein schönes Lied. Und diese Mottolieder sind einfach so scheiße. Die setzt sich mit irgendjemandem ins Studio, wenn sie das neue Motto weiß, hackt drei Harmonien in den Computer, und dann war’s das. Ich bin gespannt aufs nächste Jahr und das Motto „Köln hat was zu beaten.“ Das ist ja wieder so oberdämlich und klingt so unsäglich altbacken nach den 50ern. Wir haben uns entschieden, dass wir mehr auf Pop-Musik stehen. Aber das Motto „Köln hat was zu poppen“ ist wahrscheinlich nicht sehr zukunftsträchtig.

Text: Nora Koldehoff

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