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Kultur

„Er wurde die Gräuel nie los“

Freitag, 10. Juni 2016 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Als Schauspielerin gehört Maria Schrader im Film und auf der Bühne seit Jahrzehnten zu den Besten im Lande. Bis zur Spielzeit 2012/13 war sie Ensemblemitglied des Schauspiels Köln, bevor sie zusammen mit Intendantin Karin Beier nach Hamburg wechselte. Nach ihrem Regiedebut „Liebesleben“ (2007) nach dem Roman von Zeruya Shalev hat sie nun mit „Vor der Morgenröte“ ihren zweiten Film inszeniert. Darin geht es um die letzten Jahres des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig, der vor den Nazis floh und sich 1942 im brasilianischen Exil das Leben nahm. Neben Josef Hader in der Hauptrolle sind in der Produktion noch andere Hochkaräter wie Aenne Schwarz, Barbara Sukowa, Matthias Brandt und Charly Hübner mit von der Partie. Ein in jeder Hinsicht kluger, ungewöhnlicher und unbedingt sehenswerter Film. „Vor der Morgenröte“ läuft im Odeon.

Mit Maria Schrader und Ko-Autor Jan Schomburg sprach Reinhard Lüke am 5. Juni 2016 in Köln

Beginnen wir mit dem Hund…
Maria Schrader: Welchem Hund?

Dem in der New Yorker Wohnung von Zweigs Ex-Frau. Das Tier läuft durch die Räume, als wäre es komplett unerzogen. Wo bekommt man einen derart genialen vierbeinigen Darsteller her, so perfekt dressiert ist, dass er einen nichtdressierten spielen kann?
MS: Von wegen genial. Der Hund und seine Trainerin waren eine einzige Katastrophe. Laut Drehbuch sollte er nur zu Füßen von Stefan Zweig liegen und sich von ihm kraulen lassen. Doch dann ist das Tier wie wild in der Wohnung rumgelaufen und hat sich sogar über den Kuchen hergemacht. Nach einer halben Stunde Chaos bin ich beim Dreh zum ersten und einzigen Mal richtig laut geworden, das nützt natürlich auch nichts. Dann habe ich beschlossen, die Wildheit und Unerzogenheit in den Film einzubauen, jetzt sieht es beabsichtigt aus und ist wahrscheinlich auch interessanter als  der ursprüngliche Plan.

Wieso Stefan Zweig?
(Maria Schrader hat den ganzen Tag noch nichts gegessen und muss jetzt dringend etwas gegen ihren Hunger tun. Also antwortet Ko-Autor Jan Schomburg für sie.)

Jan Schomburg: 2011 ist der inzwischen leider verstorbene Produzent Denis Poncet, der unbedingt einen Film über Zweig machen wollte, an Maria herangetreten und hat ihr das Projekt angeboten, weil er von ihrem Regie-Debut „Liebesleben“ sehr angetan war. Dazu muss man wissen, dass Stefan Zweig in Frankreich bis heute eine größere Popularität genießt und mehr gelesen wird als bei uns. Maria hat mich dann gefragt, ob ich da als ihr Ko-Autor mitmachen möchte und so bin ich zu dem Film gekommen. Nachdem wir dann viel von und noch mehr über Stefan Zweig gelesen hatten, war uns klar, dass wir uns auf seine rastlosen, letzten Jahre im Exil beschränken wollten.

MS: Wir fanden es einfach spannend, dass jemand physisch dem Nationalsozialismus entronnen war, bis zum Ende ohne materielle Sorgen quasi in einem Paradies lebte, aber die Gräuel im fernen Europa doch nie loswurde.

Biopics liegen ja derzeit mächtig im Trend, aber Ihr Film verweigert sich dem gängigen Muster, indem er sich auf vier Momentaufnahmen plus Prolog und Epilog beschränkt. Welche Überlegungen stehen hinter diesem Konzept?
MS: Schlicht die Frage, wie kann man solch ein bewegtes wie bewegendes Leben wie das von Stefan Zweig in einem einzigen Film unterbringen? Und unsere Antwort darauf lautete sehr früh: Man kann es nicht, also lassen wir es. Statt seine Biographie in eine chronologische, melodramatische Form zu zwängen, haben wir uns entschieden, uns auf wenige, sehr unterschiedliche Momentaufnahmen zu beschränken. Das erlaubt uns, ins Detail gehen zu können und den Figuren, nicht nur Stefan Zweig, nahe zu kommen. Es ist ein Mosaik von Szenen, und die Leerstellen, die Wochen oder auch Jahre, die wir dazwischen überspringen, gehören dazu und sollen vermitteln: Es sind Ausschnitte, wir können kein ganzes Leben erzählen, wir können auch nicht ein vollständiges Portrait von Stefan Zweig liefern. Niemand kann das.

Im Film gibt es ein geradezu babylonisches Sprachengewirr mit entsprechend vielen Untertitelungen. Von sowas sind die Produzenten in der Regel nicht begeistert…
JS: In den Produzenten hatten wir Verbündete, die Finanzierung allerdings gestaltete sich schwieriger. Immer wieder ging es darum, dass man deutschen Zuschauern keine Untertitel zumuten könne, dabei sind es ja höchstens 15 Prozent des Films. Und wie soll man das darstellen, wenn die Hauptfigur selbst mehrere Sprachen spricht und verschiedene Länder bereist? So gibt es da Situationen, in denen Spanisch gesprochen wird, was dann ins Portugiesische übersetzt wird. Es wäre doch eine groteske Beschneidung gewesen, diesen Sprachenreichtum durch eine durchgehend deutsche Synchronisation zu ersetzen.

Und wie war die Umgangssprache am Set? Vermutlich Englisch…
MS: Hatte ich mir auch so vorgestellt, aber wir mussten dann feststellen, dass viele unserer älteren, südamerikanischen Darsteller dessen nicht mächtig waren. Also haben wir zahlreiche Dolmetscher beschäftigt.

 

Bei einem Biopic stellt sich ja immer die Frage nach Authentizität und Fiktion. Wieviel Freiraum haben Sie sich diesbezüglich gelassen? Ist beispielsweie die Sequenz, in der Stefan Zweig von einem Dorfbügermeister, der ihn permanent als „Herr Zeig“ anspricht und dann eine Dorfkapelle eine herrlich schräge Version von „An der blauen Donau“ spielen lässt, historisch verbürgt?
MS: Nicht exakt so. Der hypernervöse Bürgermeister und seine Frau sind erfunden. Aber es ist überliefert, dass bei dem Besuch eines brasilianischen Gefängnisses für Zweig der Donauwalzer gespielt wurde. Soviel inszenatorische Freiheit habe ich mir also gegönnt. Stefan Zweig hat in Wahrheit auch keine Zuckerplantage besucht, sondern Kaffee und Tabak, aber die hohen Zuckerrohrpflanzen fanden wir einfach filmischer.

Brasilien, Stefan Zweigs letzter Aufenthaltshort, kommt im Film nicht wirklich vor, sondern wird von Locations der Insel São Tomé vor der Westküste Afrikas gespielt. Warum das? 
MS: Wir haben uns diverse Locations in Brasilien, auf La Réunion und in Costa Rica angeschaut, die aber allesamt nicht so aussahen wie das brasilianische Petrópolis im Jahre 1942. So sind wir dann letztlich auf São Tomé gekommen. Die Menschen, die Drehorte und Landschaften waren ein Geschenk für den Film und auch für uns. Die Brasilianer im Team konnten nicht fassen, wie sehr die Vegetation und Architektur dem historischen Brasilien ähnelte, gleichzeitig haben wir Afrika ein wenig kennengelernt, das war eine aufregende Zeit. Allerdings wurde dort vor uns noch nie ein Film gedreht, es gab überhaupt keine produktionstechnische Infrastruktur, und vom Fox Terrier bis zum Spiegelschrank und den historischen Autos mussten wir alles dorthin verfrachten lassen.  

Mit Josef Hader spielt ein Mann den Stefan Zweig, der im Hauptberuf Kabarettist ist und als Schaupieler bislang eher schräge Charaktere verkörpert hat. Wie kam es zu der Wahl?
MS: Ich war mir trotz und auch wegen seiner bisherigen Filme, in denen seine Figuren ja auch immer einen Hang zur Melancholie haben, sicher, dass er die Idealbesetzung ist. Da ich Josef Hader bis dahin nicht persönlich kannte, habe ich ihm einen Brief geschrieben und möglichst gut und wohl formuliert versucht zu erklären, warum ich ihn in dieser Rolle sehe. Zum Glück hat er sehr schnell zugesagt und ich finde, er ist ein wunderbarer Stefan Zweig.
 

Vielen Dank für das Gespräch.

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