Su fängk et aan!
Montag, 14. Oktober 2019 | Text: Judith Levold | Bild: K. D. Claßen/J. Levold
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
„Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was das für ein Moment war, als ich das in der Hand hielt“ erzählt Micha Zass über sein 2. Album in der gut gefüllten Torburg, „Eruss op de Strooss“ heißt es, und um das Licht der Welt zu erblicken, brauchten der Südstadt-Gitarrist und Sänger gut zwei Jahre.
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Living Mindfulness – mit Achtsamkeit durchs LebenEruss in de Weetschaff hat es den Kölsch-Rockmusiker und seine Band getrieben, um erstmalig die neuen Songs auf die Bühne zu bringen. „Alle Kölschbands hauen da eine Album nach dem nächsten raus, pünktlich vor Karneval – nur wir, ähh, wir eben nicht.“ Und er möge Karneval ja, aber nicht als Sänger auf der Bühne, sondern lieber auf der Theke, tanzend. „Sons ist man ja selber der Nubbel“ so Micha Zass zur Begrüßung seiner Fans beim Albumrelease-Konzert.
Su fängk et aan
„Keiner luhrt mie hin“ ist eins der neuen Lieder, die rockig, teilweise schroff und zugleich balladig klingen – Zass´ Blick auf die harten Seiten des Alltags, auf die, deren Leben hart ist, findet darin Ausdruck. Wie wenn er über die Frau singt, die ihm täglich in seinem Kiez auf der Merowingerstraße begegnet und nach Geld fragt, und von der er sich fragt „Wo kütt die eijentlich her und wie kütt die eijentlich he he hin?“ Oder „Su fängk et aan“, das die Abgehängten, die mit Wut im Bauch Fremdenhass praktizieren, thematisiert.
An einem der nächsten Morgen nach dem Konzert, bei dem ihn Friends&fans bis spät nachts feierten, treffe ich Micha Zass nur ein ganz bisschen verknautscht auf einen großen Kaffee zum Plaudern und steige gleich mit waschechtem Musikjournalisten-Sprech ein.
Wie war das erste Konzert mit den Lieder vom neuen Album?
Es war toll, die Stimmung war super, aber ich selbst war mit mir nicht so zufrieden – die Band war besser als ich. Ich war ziemlich kaputt und hatte den ganzen Tag geschuftet, alles selbst aufgebaut und so, wir haben ja keine Roadies…
Wo siedelst Du Dich selbst an musikalisch, eher Bläckfööss, Höhner oder Gerd Köster oder Lupo&Co?
Das ist total schwierig zu beantworten. Weil, ich bin nicht so wie, oder so wie…Ich bin wie ich. Ich mache Rockmusik, geradlinig, Kölsch.Ich hab mit elf Jahren mal Schlagzeug gelernt und bin dann auf Bass und Gitarre umgestiegen. Anfangs hab‘ ich auch auf englisch gesungen, aber Kölsch ist die Sprache, in der ich mich am wohlsten fühle.
Was macht denn Deinen speziellen „Style“ aus?
Ich hab´ irgendwie ne komische Art, Gitarre zu spielen, die Anschlagstechnik klingt ein bisschen nach Country, es ist eine Mischung.
Kannst Du von Deiner Musik leben?
Nein, das nicht. Ich hab´nen Brot&Butter-Job als Programmierer. Wenn ich davon unbedingt leben müsste, müsste ich andere Musik machen. Ich will aber diese Musik machen. Bei uns muss man zuhören, die Melodieführung ist oft nicht so „positiv“, eher Moll – und auch mal ein bisschen aggressiv…
Wie entstehen Deine Songs?
Es gibt oft ein äußeres Ereignis, z.B. das in Clausnitz, wo ein Mob den Bus mit den Flüchtlingen angegriffen hat. Ich hab das Bild dieses kleinen Jungen gesehen, der beim Aussteigen diese aggressive Massen sah und angsterfüllt wieder in den Bus zurück ist – da kriege ich Gänsehaut, und dann setz´ ich mich hin und fang einfach an, es wird dann erst wie ein Sprechgesang…
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IG Severinsviertel e.V. – Gutes tun für das VeedelSu fängk et aan – ist ja auch eins der neuen Lieder. Was meinst Du denn mit „Eruss op de Strooss“ in Deinem Albumtitel, eine Aufforderung an alle?
Ja. Ich meine genau das, was jetzt gerade passiert, das muss noch viel mehr werden. Im Prinzip ist mir Fridays for Future dazwischen gegrätscht, weil der Titel stand ja schon fest, ich hab bloß so lange gebraucht, das Album fertig zu machen und da waren die schon da. Ich finde das klasse, dass muss jetzt sein: Rausgehen, sich zeigen, Gegenwind zeigen der Politik gegenüber. Sei es Flüchtlingspolitik, Umwelt oder Verkehr – das kann alles nicht sein, wir müssen da mehr Widerstand leisten. Dagegen, dass die Nazis wieder kommen…In der Politik vermisse ich wirkliche Gestaltung, teilweise auch Verbote. Schwachsinniges nämlich müsste einfach verboten werden, wie Billigfliegen oder so.
Du guckst auch die so genannten „sozial Schwachen“ an, sie finden in Deinen Liedern statt, warum?
Ich bin das jüngste von acht Kindern meiner Mutter und auf der Straße groß geworden. In Höhenberg, da war der Ton schon was rauer – es war aber auch interessanter. Ich lebe zwar gern hier in der Südstadt, es ist alles entspannt, aber es ist einfach taka-tuka-Land, hier ist kein hartes Straßenleben, man vergisst hier, dass es eigentlich hart ist für die meisten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Als nächstes startet Micha Zass mit seiner Band eine kleinere Club-Tour, Auftakt macht am 4.11. das Konzert in der Ubierschänke.
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Kommentare
hallo Micha,
ssstarkes Stück!
Gratuliere!
Heinrich
Hallo Judith,
super Song, super präsentiert, super Video und super Interview. Schön, die Südstadt und bekannte Gesichter zu sehen.
Gruß aus Neuseeland.
Wolfgang