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Gesellschaft Politik

„Es hat einen politischen Umbruch gegeben“

Freitag, 2. März 2012 | Text: Gastbeitrag | Bild: Karsten Schöne

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Vor drei Jahren, am 03.03.2009, erlebte Köln die wohl größte Katastrophe der Nachkriegsgeschichte: Den Einsturz des historischen Archivs am Waidmarkt. Wenige Tage später stand für engagierte Bürger fest: Jetzt ist Schluss mit lustig! Einer von ihnen war Frank Deja, der seitdem in der Initiative „Köln kann auch Anders“ tätig ist.
Über seine damaligen Beweggründe, die politische Kultur in Köln und die Folgen des Archiv-Einsturzes sprach Frank Deja mit Dorothea Hohengarten und Wassily Nemitz.

Meine Südstadt: Herr Deja, Sie haben vor drei Jahren nach dem Einsturz des Stadtarchivs die Initiative „Köln kann auch anders“ mitgegründet – wie kam es dazu?
Frank Deja: Nach dem Einsturz des Archivs war ich zunächst völlig fassungslos. Wenig später wurde mir klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Schon seit Jahren sind mir Köln und insbesondere die Kölner Politik auf die Nerven gegangen, bei aller Liebe für die Stadt. Im Freundeskreis stellten wir eines Abends fest, dass viele von uns die gleichen Gedanken hatten: So geht es nicht weiter, Schluss mit lustig. Das war dann unser erster „Schlachtruf“. Wir stellten bald unsere Forderungen auf, damals waren das vor allem der Rücktritt des Oberbürgermeister Fritz Schramma sowie aller Funktionsträger, die durch Missachtung und Verharmlosung aller Warnsignale in die Vorgeschichte dieser Katastrophe verstrickt sind. Wir schickten alle in unserem E-Mail-Verteiler einen Aufruf, am nächsten Montag vor das Rathaus zu kommen. Zu unserem Erstaunen kamen sehr viele Menschen dorthin. Wir stellten fest: Köln kann ja auch anders! So kam es dann zum Namen der Initiative „Köln kann auch anders“.

Was sollte Köln anders können?
Es musste einfach eine andere politische Kultur einkehren. Die Stadt hat den damaligen Zustand nicht verdient.

Drei Jahre später: Kann Köln wirklich anders?
Jein. Unser Anspruch war und ist es, durch bürgerschaftliches Engagement und Dialog zwischen dem Rathaus, der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern zur Erneuerung der politischen Kultur beizutragen. Wir verstehen uns nicht als Gegenrat zur offiziellen Kölner Politik, sondern wollen den Bürgern, die sich in diesem Sinne einmischen möchten, Möglichkeiten dazu geben.
In unserer Aktivität sticht natürlich die Initiative „Mut zu Kultur“ zum Erhalt des Schauspielhauses besonders heraus. Aber auch kleinere Initiativen, wie unsere Stadtgespräche im Domforum oder allein die Tatsache, dass wir zu städtischen Veranstaltungen eingeladen werden, zeigen, dass Köln zumindest ansatzweise anders kann. Das Ganze ist aber natürlich ein langer Prozess.

Empfindet die Stadtverwaltung Ihre Aktivität als störend?
Diese Frage müssen Sie besser an die Spitze der Stadt richten… Wir haben den Eindruck, dass wir nicht durchweg als störend empfunden werden.
Meiner Meinung nach läuft in der Stadtverwaltung etwas grundsätzlich falsch. Sie müssen sich nur den Krankenstand angucken, da fällt Ihnen direkt auf, dass da etwas nicht stimmt. In jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen wäre der Vorstand längst ausgewechselt und untersucht worden, warum so viele Mitarbeiter sich scheinbar überfordert fühlen.
Und dass man mit der Politik einfacher ins Gespräch kommen kann als mit der Verwaltung, liegt auch an den Strukturen.

Welche Strukturen?
Die Aktivität unserer Initiative mischt die Stadtverwaltung auf und bereits scheinbar abgeschlossene Planungen werden durch uns hinterfragt. Das produziert natürlich Arbeit für die Mitarbeiter. Wenn sie aber schon so völlig überarbeitet sind, dann sind sie von zusätzlichen, störenden Elemente wie uns natürlich wenig angetan. Das ist ansatzweise ja auch verständlich.
Von daher ist es, Sie hatten ja nach den Strukturen gefragt, natürlich erforderlich, dass die Politik, wenn sie in Verlautbarungen mehr Bürgerbeteiligung auf ihre Fahnen schreibt, auch entsprechende Gelder und Ressourcen in der Verwaltung bereit stellt.

Ist das in Zeiten, in denen die Stadt am Rande eines Nothaushalts wirtschaftet, überhaupt möglich?
Die Politik geht den Haushalt immer noch nach einer alten Denke an. Es werden nur die Ausgaben betrachtet. Soll dann gespart werden, sucht man Mittel, die gekürzt werden. Unserer Meinung nach müsste man andersherum dort heran gehen und fragen: Was wollen wir mit dem kleinen Betrag, der uns zur Verfügung steht, anfangen? Was soll bewirkt werden? Ein sehr einfaches Beispiel sind die Ausgaben für Bildung und Jugend: Wenn wir dort Mittel kürzen, sparen wir zwar kurzfristig. In wenigen Jahren kostet uns das ganze aber ein Vielfaches!

Ist das ein spezifisches Kölner Problem? Die rot-grüne Landesregierung hat den von Ihnen vorgeschlagenen Kurs eingeschlagen und wird dafür beschimpft und lächerlich gemacht.
Nein, das ist natürlich nicht nur ein Kölner Problem. Es ist einfach auffallend, dass andere Städte schon viel weiter sind als wir. Beispielsweise findet man im Kölner Rats-Informationssystem zwar inzwischen viele Informationen. Sie sind aber derart schlecht aufbereitet, dass man sich kaum zu Recht findet. In München werden dort ganz neue Wege eingeschlagen. Natürlich sind manche Städte noch weiter zurück als wir, aber warum sollten wir es in Köln nicht besser machen, wenn es geht?

Sie halten jeden Montag vor dem Rathaus eine „Ständige Bürgervertretung“ zu verschiedenen Themen ab – was soll das bewirken?
Im Wesentlichen soll sie drei Funktionen erfüllen: Erstens ist sie ein Symbol, dass wir noch da sind und nicht locker lassen. Zweitens soll sie Forum sein, um über Dinge zu sprechen und sich über neue Themen zu informieren. Und drittens wollen wir uns dort selbst präsentieren und als Ansprechpartner für die Bürger da sein, die uns kennen lernen wollen.

Was waren die positivsten Momente, die Sie dort erlebt haben?
Ein schöner Moment war, als der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Karl-Jürgen Klipper, raus kam und sagte, dass sich seine Fraktion sich soeben dem Bürgerbegehren zum Schauspielhaus angeschlossen habe. Sicherlich haben die auch parteitaktische Ziele damit verfolgt, aber da habe ich mich einfach gefreut und gemerkt: Anscheinend bringt das, was wir hier machen, etwas.
Grundsätzlich habe ich aber mehr Situationen erlebt, die erstaunlich waren. So kam der damalige KVB-Vorstand Reinartz vor das Rathaus und diskutierte mit den Anwesenden kontrovers über den Archiv-Einsturz. Und ein Highlight war sicher ein leidenschaftliches Streitgespräch zwischen Martin Stankowski und dem Grabungsleiter der archäologischen Zone Sven Schütte vor großem Publikum.

Wann wird „Köln kann auch anders“ überflüssig? Die Felder, auf denen sich die Initiative bewegt, sind ja sehr vielfältig: Sie bearbeiten die Felder Gebäudewirtschaft, den Offenen Ganztag, Transparenz, Politische Kultur, Antikorruption…
Sicherlich ist es richtig, dass wir anders als normale Bürgerinitiativen nicht klar irgendwann sagen können: Jetzt hat sich die Politikkultur geändert. Das ist ja ein Prozess. Wir fördern alles, was mehr Transparenz, Verantwortungsbewusstsein und Korruptionsbekämpfung verspricht und setzen uns gegen alles ein, das dem entgegen steht.

Nochmal zur ursprünglichen Frage zurück: Wann lösen Sie sich auf?
Fragen Sie mich das in zwei Jahren nochmal! (lacht) Ich persönlich würde es dann machen, wenn ich einmal sagen kann: Das ist wirklich gut gelaufen hier in Köln, da kann ich stolz auf Köln sein.

Auf dem Weg zu einer besseren politischen Kultur: Was sollte sich auf jeden Fall ändern? Wo gibt es noch am meisten zu tun?
(überlegt) Die Kölner bringen viel mit, um die Kultur zu verbessern. Ich glaube, dass man schon beim Rat anfangen muss. Die Politiker dort dachten vor allem anfangs, wir würden uns von der Aktion einen eigenen Vorteil verschaffen und nicht einfach nur aus bürgerschaftlichem Engagement heraus agieren.
Es herrschte jahrzehntelang eine Kultur des Geben und Nehmens bei den Politikern in dieser Stadt – Beispiel ist die Seilbahn. Warum dafür eine eigene Betreibergesellschaft mit zwei Geschäftsführern gegründet wurde, ist mir rätselhaft. Aber so kann man natürlich künstlich neue Posten schaffen, weil irgendjemand „versorgt“ werden muss. Die Ankündigung des OB, Verantwortungsposten nur noch nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch zu besetzen, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Bleibt abzuwarten, ob das auch umgesetzt wird.

Muss die Änderung also in den Köpfen der Politiker beginnen?
Es gibt viel Gerede von der Politikverdrossenheit. Ich glaube, es sind gar nicht alle Menschen politikverdrossen. Vielmehr haben die 90 ehrenamtlich tätigen Ratsmitglieder mit riesigen Aktenbergen zu kämpfen. Ich kann nachvollziehen, dass sie sich häufig ohne Gegenprüfung an die Empfehlungen von Fraktionsvorsitz und Verwaltung halten. Ein Verbesserungsvorschlag unsererseits ist, dass sich Politiker, wenn sie Vorlagen bearbeiten, bei Bürgern erkundigen, ob es, wie von der Verwaltung oft behauptet, wirklich „keine Alternative“ zu einer Maßnahme gibt. Das stellt sich häufig nämlich als nicht wahrheitsgemäß heraus – beim Schauspielhaus hieß es auch, ein Neubau sei „ohne Alternative“.

Sollten Kommunalpolitiker hauptamtlich arbeiten? Würde das etwas an der Problematik ändern?
Das hängt von den Menschen ab. Das wäre vielleicht ein Schritt, aber sicher kein Allheilmittel. Denn man muss auch die Frage stellen, ob manch ein Ratsmitglied nicht vielleicht eine verengte Sicht hat.

Zum Schluss: Hat Köln aus dem Archiv-Einsturz genügend Lehren gezogen?
Es ist erkennbar, dass es einen politischen Umbruch gegeben hat. Auch die KVB zeigt spürbar eine andere Haltung.

Welche?
Zum Beispiel diese: Am 03. März wird auf den Bahnsteig-Anzeigern der KVB an den Einsturz des Stadtarchivs erinnert. Außerdem wird ein Shuttlebus zwischen unserer Veranstaltung an diesem Tag am Waidmarkt und der städtischen im Archivcenter in Porz eingerichtet werden.
 

 

Unter dem Motto „Schutt und Schande“ bittet „Köln-Kann-Auch-Anders“ zum Gedenken an das Geschehen um 13:13 Uhr an den Waidmarkt. „Offene Fragen“ – Eine szenische Darstellung, musikalisch begleitet von „Trööt op Jück“. Anschließend Wortbeiträge von Frank Möller und Oliver König.

 

Das Historische Archiv der Stadt Köln wird mit einem „Tag der offenen Tür“ im neuen Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum in Köln-Porz, zwischen 11 bis 17 Uhr, allen interessierten Besucherinnen und Besuchern anschaulich vorstellen, wie weit die Arbeiten zur Rettung und Wiederherstellung der über 30 Regalkilometer Archivmaterial sind.

Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum in Köln-Porz/Lind, Frankfurter Straße, 50, 51147 Köln.

Text: Gastbeitrag

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