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Kultur

Et Jüddsche

Donnerstag, 22. Oktober 2015 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

So wurde Henriette Aron, 1898 geborene jüdische Kauffrau aus der Metzer Straße, von ihren Nachbarn genannt. Zwar weiß ich nicht, ob man diese gesprochene Version von „Die Jüdische/Die kleine Jüdin“ tatsächlich so schreibt im Kölschen – ich konnte dazu nichts finden im Netz. Ausgesprochen hat diesen Namen mir gegenüber aber einer, der es wissen muss. Günther Kuhn ist Jahrgang 1933, er wird nächstes Jahr 83. Und, was kaum jemandem in der Südstadt vergönnt ist: er lebt noch in seinem Elternhaus, ja sogar Geburtshaus. Im Parterre der Metzer Straße 35. Bevor er da wohnte, war da ein Laden, „Moderne Schuhsohlerei“, und noch weiter davor führten seine Eltern dort ihren Gemüseladen.

In der Nachbarschaft gab es noch mehr Läden, einer davon, in Hausnummer 31, gehörte Henriette Aron, und da „gab es nur Süßigkeiten, Schokolade und so“, erinnert sich Günther Kuhn. Er lebte als jüngstes von vier Kindern -eins seiner Geschwister starb direkt nach der Geburt- gleich nebenan und war Stammgast in der „Zuckerhandlung“.

„Da bekam man nichts eingepackt, das war alles lose, im Glas. Und am Schluss bekam ich immer noch en Kamell in dr Mund“ erzählt er und zeigt ein Foto, Jhg. 1935. Darauf seine Mutter, ein Cousin und er selbst im weißen Kindermäntelchen auf dem Trottoir – von hinten zu sehen nur, denn sie betreten gerade den Laden von Henriette Aron. „Da gegenüber, da wohnte auch eine jüdische Familie, die Familie Bramberger. Da sagte meine Mutter drüber: die haben immer die Vorhänge zu.“ Erinnert sich Kuhn.

 

Und dass sie einfach plötzlich weg gewesen seien, genau wie „Et Jüddsche“, wie die Erwachsenen Frau Aron nannten. Ob das Thema gewesen sei, zu Hause, frage ich den alten Herrn. „Nee, überhaupt nicht. Und als Kind, denkt man da nicht so drüber nach. Ich war traurig, als sie weg war“. Im fortgeschrittenen Alter dann dachte Günther Kuhn aber doch viel darüber nach, und dann hat er sich irgendwann in den Kopf gesetzt, dass Henriette Aron auf dem Gehsteig vor ihrem ehemaligen Geschäft einen Stolperstein von Künstler Gunter Demnig bekommen soll. 2000 gibt es davon in Köln, 50.000 an 800 anderen Orten in Deutschland. Sie sind kleine Denkmäler für deportierte, misshandelte, eingesperrte und vernichtete Menschen während des Dritten Reichs.

 


„Naja, es war halt der Name, unter dem sie im Viertel bekannt war“, sagt Gunter Demnig

Zum ersten Mal verlegt Gunter Demnig einen Stein mit Zusatz neben dem Namen, dem Geburtsdatum und dem Ort und Datum des Todes des Opfers des NS-Regimes. Bei Henriette Aron steht unter ihrem Namen nämlich nochder Kosename der Nachbars-Kinder für sie: „Kamelle-Oma“. Wieso er das diesmal gemacht habe? „Naja, es war halt der Name, unter dem sie im Viertel bekannt war.“

Günther Kuhn hat überlegt, wie er Informationen über den Verbleib von Henriette Aron bekommen konnte, und dann kam es zu einer „klassischen Friseurgeschichte“, wie Horst Mai, Inhaber des Friseursalons in der Metzer Straße, berichtet. „Günther hat mir beim Haareschneiden von seinem Vorhaben erzählt, ich kannte den Demnig und habe Kontakte gemacht zum NS-Dok, die haben sich dann um alles gekümmert!“ so Mai.
Unter den Gästen bei der Steinverlegung sind neben Pfarrer Hans Mörtter und seiner Frau, Südstadtleben-Macherin Sonja Grupe, auch Dr. Barbara Becker-Jákli. Sie ist beim NS-Dok die Kuratorin für jüdische Geschichte in Köln.

 

Stolpersteinlegung für Henriette Aron. Gunter Demnig und Nachbarn gedenken der ermordeten jüdischen Nachbarin.

Ich habe mich, und sie natürlich auch, gefragt, wie sie denn an die Informationen kommt, was mit den jüdischen Menschen passiert ist, wohin sie gebracht und wann sie getötet wurden. „Das ist in der Tat oft aufwändig und schwierig. Denn die Einwohnerregisterkarten, wo drauf stand, Straße, Hausnr., Etage, Familie Sowieso, soundsoviele Kinder, Alleinstehender Sowieso, Namen, Konfession – die wurden ja alle im Krieg zerstört, die gibt es nicht mehr“. Es gebe aber andere Quellen, in denen man dann suche. Zum Beispiel die Dokumente über die großen Kölner Deportationswellen, Listen etwa, für die die Nazis ja bekanntermaßen eine Leidenschaft hatten.

Dem Schicksal von Henriette Aron kam Becker-Jákli auch auf die Spur: 1941 wurde sie ins Ghetto von Lodz deportiert, 1942 dann ins Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno, wo sie kurz nach Ankunft ermordet wurde.

 

Nachdem diese Informationen herausgefunden waren,  konnte Günther Kuhn endlich seinen Wunsch in die Tat umsetzen lassen und den Stolperstein bestellen. Als ihn ein Reporter vom domradio dazu befragt und er sich in seine Erinnerungen vertieft, kommen ihm verstohlen ein paar Tränchen. Den Stolperstein der Kamelle-Oma verfugen währenddessen zwei Mitarbeiter der Stadt Köln mit dem Besen, spülen ihn blitzblank und jetzt glänzt er, geschmückt von zwei Rosen. Im Talmud heißt es „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Und Henriette Aron soll nicht vergessen werden. Findet Günther Kuhn.

 


Günther Kuhn und Stolpersteine für Henriette Aron.

Text: Judith Levold

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