„Flieg Sanierung flieg, denn morgen gibt es Krieg!“ (Teil II)
Montag, 11. Oktober 2010 | Text: Betsy de Torres | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Klaus von Wrochem ist als „Klaus der Geiger“ nicht nur der bekannteste Straßenmusiker Deutschlands. Er ist auch eine der wichtigsten Figuren unseres Veedels – kaum einer verkörpert die wilde, widerspenstige und politische Südstadt der 70er und frühen 80er Jahre besser als er. Betsy de Torres traf den 70-Jährigen zum ausführlichen Interview, das wir auf MEINE SÜDSTADT in drei Teilen veröffentlichen. In Teil I berichtete Klaus von Wrochem von seinen Erlebnissen in den 70er Jahren, von amerikanischen Einflüssen und Dauer-Konfrontationen mit der Polizei. Hier kommt der zweite Teil.
MEINE SÜDSTADT: Statt Täglich grüßt das Murmeltier könnte es heißen Täglich grüßt die Zelle ! Du bist zehn bis zwölf Jahre lang jeden Tag auf die Schildergasse gegangen und…?
Klaus von Wrochem: Ich habe gespielt, wurde verhaftet, in die Zelle gebracht und festgehalten bis zum Geschäftsschluss, dann wieder entlassen, um am nächsten Tag an gleicher Ort und Stelle zu stehen. Ich habe den Leuten in meinen Liedern erzählt, wie viele Blutflecken ich in der Zelle gesehen habe, wen ich da getroffen hatte und so weiter. Das war schlecht für die Polizei, aber für die Leute total interessant (lacht).
…Und als ich gestern gut gelaunt so auf der Straße stand, ja leck´mich doch: von allen Seiten kam da das Ordnungsamt. Danach der Großeinsatz in Grün mit Bums und feste druff! Danach durft ich die Kacheln zähln im Bunker vom Bullenpuff. Und als ich rauskam aus dem Knast, kurz nach Geschäfteschluß, und die Leute war´n am jubeln, da wusste ich was ich muss: Ich muss auf die Straße wie gehabt, alles andre ist egal. Ob böser Traum, ob guter Traum: Mein Traumjob ist es allemal. Traumjob, Traumjob, is ja wunderbar. Alles roger, alles easy, alles klar! (Traumjob)
Zur gleichen Zeit herrschte in der Südstadt der 80er Jahre eine wahnsinnige Wohnraum-Spekulation. Die Wohnungen wurden am laufenden Band gekauft und verkauft. Wie habt ihr darauf reagiert?
Wir haben den Mieterkampf gemacht! Wir haben mit unseren Nachbarn zusammen riesige Demos um den Chlodwigplatz gemacht. 45 Leute mit Kindern und Kinderwägen. Wir sind auf die Zwangsversteigerung unserer Wohnungen gegangen. Keiner wollte uns haben, weil wir immer gesagt haben Wer uns kauft, der hat uns am Hals. Seht mal zu, ob ihr uns wegkriegt!“ Das war natürlich eine feine Sache!
Jetzt wohn ich doch schon jahrelang in der Mainzerstraß. Mit Kind und Kegel leb ich da, das Leben macht uns Spaß. Wir strecken uns zur Decke, so gut es eben geht, denn für Leben ist es nie zu spät…… doch das Gesicht das spricht: Ich bin die Südstadtsanierung! Südstadtsanierung! Ich bin das große Geld, was jetzt hier Einzug hält. Und kannst du mich nicht kaufen, denn gehst du besser laufen! Flieg Sanierung flieg, denn morgen gibt es Krieg. (Südstadt-Sanierung)
Dann kam der Eklat! Im Jahre 1982 war Dein Durchbruch als „Klaus der Geiger“.
Ein NDR-Reporter kam nach Köln. Er wollte eine Reportage über Straßenmusiker in ganz Europa machen. Wir haben uns für den nächsten Tag verabredet. Just an diesem Tag gab es einen richtig dicken Einsatz gegen mich, mit Zivilpolizisten, uniformierten Polizisten, dem Ordnungsamt – also das ganze Spiel. Ich wusste, dass der Reporter dabei war und habe natürlich trotz mehrfacher Aufforderung aufzuhören weiter gespielt. Ich sagte, wir sind gleich fertig, lass mal gut sein! Und dann…. dann ging´s richtig ab. Die Polizei kam und hat mir in den Bogen gegriffen. Es gab eine Rangelei. Ich wurde abtransportiert. Die haben mich über die Schildergasse geschleift….! Der Reporter hat alles aufgenommen und Interviews gefahren. Es gab ein riesen Aufschrei in der Bevölkerung. Unglaublich, ein paar Tage später wurde es gesendet, bei NDR, WDR, SWF. Ich war plötzlich im Gespräch.
Die Polizei hat Dir zum Ruhm verholfen?
(grinst) So ist es! Dann kam der „Express“ und hat ein großen Artikel geschrieben. Ich solle mich mit der Polizei vertragen…
Habt Ihr Euch vertragen?
Ja, sie haben sich wohl überlegt, wie kommen wir aus dieser Scheiße raus? Während wir auf Tournee waren, haben sie mir ein Lied zukommen lassen, auf einer Kassette, von einer Polizeikapelle. Richtig nett (singend):
Sehr geehrter Herr von W, ich frag, warum ich Sie nicht seh. Mein Brief an Sie kam nicht retour, ich sag zu mir Wo bleiben Sie nur? Im schönen Wonnemonat Mai gab´s trouble mit der Polizei. Widerstand etc., der halbe Waidmarkt war gleich da. Sie haben nun Gelegenheit, mal reinzuschau´n, allein zu zweit. Den Weg zum Waidmarkt nur nicht scheu´n, im PP Köln, 809. Wir warten, wir warten, (dann kamen Maschinengewehr-Geräusche) wpapapapa, wapapapaap, wir warten, papapapa. Wir warten auf Sie!
Lustig gemacht. Ich hab´s direkt veröffentlicht und habe auf die selbe Melodie eine Antwort zurück gesungen: (singend)
Sehr geehrter P-Präsident, wir hab´m vor Rührung laut geflennt. Sie fragen uns: Wo bleiben wir nur? Doch sind wir grade noch auf Tour, aber wir kommen, wir kommen, wir kommen schon bald!… In Mannheim spielten wir vorm Knast. Das hat Ihren Kollegen nicht gepaßt. Und auch in Wackersdorf am Zaun, da kriegten wir ein´draufgehaun. Wie neulich, wie neulich, wie neulich in Köln. Die Polizei in Köln am Rhein ist anders, ach das ist ja fein: Statt Knarre spielt sie mit der Flöt´, statt Gummiknüppel mit der Tröt‘: Verarscht euch, verarscht euch, verarscht euch doch selbst. Das war der letzte Refrain. (Waidmarkt Lied)
Seitdem habe ich absolut Ruhe…. Warte mal, vor zehn Jahren kam ein kleiner Bulle und meinte, er müsste mir das verbieten. Ich habe es mir natürlich nicht verbieten lassen. Er sagte: „Dann muss ich jetzt Verstärkung rufen“. Ich sagte nur: „Machen Sie das doch“. Er hat telefoniert und ist dann wieder abgezogen…
Der dritte und letzte Teil des Interviews mit Klaus von Wrochem erscheint am Dienstag auf „Meine Südstadt“.
Teil 1: Musik zwischen Straße und Knast
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