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Politik Wahlen

Fluch der Karibik oder Alternative für Köln? Die Piraten!

Donnerstag, 26. April 2012 | Text: Antje Kosubek | Bild: Karsten Schöne

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ganz Deutschland schaut gespannt auf den 13. Mai, denTag der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland kann richtungsweisend für die Bundespolitik werden. Was wird aus den etablierten Parteien? Und – Wie viele Prozentpunkte kann die Piratenpartei erreichen?
Montagabend, kurz nach acht in einem Kölner Brauhaus. Man trifft sich zum Piratenstammtisch. In der Raucherlounge, die dafür extra geräumt wurde, sind schnell alle aufgestellten Stühle besetzt und man muss improvisieren. Der Raum füllt sich immer mehr und viele, die auch dabei sein wollen, müssen im Gang stehen bleiben.
Fast 70 Interessierte sind gekommen: Frauen und Männer jeden Alters – tatsächlich generationsübergreifend. Dass die Piraten darauf setzen, programmatisch möglichst alle Mitglieder einzubinden, wird hier sehr deutlich. Es wird rege diskutiert über erneuerbare Energien, den nächtlichen Lärm am Brüsseler Platz, aber auch darüber, wer in dieser Woche noch Flyer verteilen oder Infostände betreuen kann.
Wir sind verabredet mit Thomas Brühl, dem Direktkandidaten für die Piratenpartei im Wahlkreis 13 (Köln I). Er ist 34 Jahre alt und arbeitet in Zollstock als
Plattform-Manager bei der IT-Tochter eines Kölner Versicherungsunternehmens. Seit 2009 ist Thomas Brühl Mitglied der Piratenpartei und kandidiert jetzt als Direktkandidat für den Wahlkreis 13, welcher Alt- und Neustadt Süd sowie den Stadtbezirk Rodenkirchen umfasst.

Meine Südstadt: Via Twitter konnte man Ihren Urlaub in den USA verfolgen, wie war’s?
Thomas Brühl „Sehr schön, aber auch zu kurz. Der Urlaub war schon lange geplant, da dachte noch keiner an eine vorgezogene Landtagswahl in NRW.“
 
Hat man da nicht das Gefühl ein gläserner Mensch zu sein?
Thomas Brühl „Ich sehe ich nicht so, denn ich bestimme ja alles selbst. Leute, die wie ich  Twitter nutzen, sind die Konsequenzen doch bewusst. Doch für junge Menschen, denke ich, ist mehr Medienkompetenz wichtig, dass sollte bereits in der Schule auf dem Lehrplan stehen.“

Wie sieht der Alltag im Leben eines Piraten aus?
Thomas Brühl „So wie bei jedem, der politisch aktiv ist. Ich habe viel Kontakt mit der Presse, kümmere mich um organisatorische Fragen, bin mit Wahlkampf beschäftigt und gebe auf Infoständen Antworten zu unserer Partei. Wir machen das ja alle ehrenamtlich, also nach der Arbeit, da hat der Tag schon mal mehr als 15 Stunden und ich weniger Schlaf. Ich kann aber auch meine früheren beruflichen Erfahrungen z.B. am Messestand nutzen und weiß, wie ich mit den Menschen in Kontakt kommen kann.“
 
Den Umfragen zufolge liegen die Piraten in NRW bei 10 Prozent und mehr, wie erklären Sie sich diesen/Ihren Erfolg?
Thomas Brühl: „Ich denke, dass liegt zum Einen daran, dass wir kleine Einstiegshürden haben, jeder kann ganz viel mitgestalten. Zudem haben viele das Gefühl wirklich etwas bewegen zu können, wie bei den offiziellen Parteitagen durch das volle Stimmrecht. Wir haben kein Delegiertensystem, hier kann sich jeder einbringen und mitmachen.“

Die Piraten profitieren offensichtlich von der fehlenden Anziehungskraft der „etablierten“ Parteien auf die Bürger. Sind sie deshalb eher eine Protestpartei, die die große Gruppe der „Nichtwähler“ mobilisiert?
Thomas Brühl: „Es ist ja keine Politikverdrossenheit der Bürger, sondern eine Parteiverdrossenheit, die sich bemerkbar macht. Sie haben durch uns das Gefühl wieder etwas verändern zu können. Trotzdem muss ich sagen, dass die Umfragen aber auch nicht überbewertet werden sollten. Wir werden sehen, wie die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ausgehen.“

Welche Position haben Sie zum Urheber- & Verwertungsrecht aus Piratensicht?
Thomas Brühl: „ Da verweise ich auf unser Wahlprogramm, wir stehen für ein freizuügigeres Urheberrecht, dass sich dem digitalen Wandel anpasst. Wir sind für eine  größere Verfügbarkeit von Informationen und Wissen im Internet und nicht dafür den Urheber zu enteignen.“

Der FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner spottete mit: „Das Programm der
Piratenpartei klingt nach Linkspartei mit Internet-Anschluss“. Was können Sie ihm
entgegnen?

Thomas Brühl „Er sollte erstmal die Parteiprogramme lesen. Schließlich sagen wir ja auch nicht, die FDP ist die CDU in Händen von Hoteliers. Wir wollen die Bürger mehr an der Politik beteiligen, als nur alle vier Jahre an der Wahlurne. In der Politik muss das Allgemeinwohl an erster Stelle stellen und nicht Einzelinteressen.“
 
Was beinhaltet Ihr Wahlprogramm für Köln konkret? Und, was wollen Sie als Direktkandidat der Kölner Innenstadt bewirken?
Thomas Brühl „Da die Landtagswahl vor der Tür steht und ich das erste Mal im Wahlkampf  stehe, sind unsere Themen eher übergeordnet. Also Landesthemen, wie Bildung und mehr Bürgerbeteiligung.“

Apropos Schulpolitik: Die Piraten schlagen eine Neuorganisation mit
einem Schulsystem weg von der Gliederung sowie kostenlosen „digitalen Endgeräten“ für alle Schüler vor. Die Realität in den Schulen sieht ja eher gegenteilig aus, sie sind chronisch unterfinanziert. Dass Klassenräume von den Eltern angestrichen werden, ist längst keine Ausnahme mehr. Wie wollen Sie dieses Projekt finanzieren?

Thomas Brühl: „Das wichtigste Gut ist die Ausbildung unserer Kinder, eine Ressource in die dringend investiert werden muss, um auf dem globalen Markt bestehen zu wollen. Doch wie wir das finanzieren wollen, wissen wir noch nicht, bzw. gibt es noch keinen konkreten Finanzierungsplan.“

Im Wahlprogramm steht außerdem, dass die Piraten in NRW einen Modellversuch für den fahrscheinlosen ÖPNV anregen. So ein Projekt mit der KVB – Ist das nicht aussichtslos? Für die kürzlich statt gefunden Initiative aus Leipzig war die KVB jedenfalls nicht zu begeistern (Die Leipziger Verkehrsbetriebe wollten Autofahrern im April die „Öffentlichen“ schmackhaft machen und erlauben bis Freitag Freifahrten im Stadtgebiet. Einzige Bedingung: Als Ticket  muss die Autozulassung vorgelegt werden.)
Thomas Brühl „Es gibt diese Projekte ja schon in der belgischen Stadt Hasselt und in Tallin (Estland) ist es für 2013 geplant. Diese Städte haben ja nun auch nicht unüberlegt gehandelt und was spricht denn dagegen, diesen Modellversuch in NRW und in Köln zu starten?“

In den letzten Tagen sind die Piraten immer in die Kritik geraten, ein Auffangbecken für rechtsradikales Gedankengut zu sein. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Berliner Piratenfraktion Delius brachte mit seinem Vergleich zur NSDAP das Fass zum überlaufen. Hat die Partei ein problematisches Verhältnis zum Rechtsextremismus?
Thomas Brühl: „Man kann das ganz klar in unserer Satzung §1 im letzten Satz nachlesen, dort steht: ‚Totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art lehnt die Piratenpartei Deutschland entschieden ab.’
Auf dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende soll ein zusätzliches Positionspapier verabschiedet werden, aus dem klar hervorgeht, dass in unserer Partei nationalsozialistisches Gedankengut nicht geduldet wird und zum Mitgliederausschluss führt bzw. die Mitglieder zum Rücktritt aufgefordert werden. Auch bei unserem wöchentlichen Stammtisch am Montag hatten wir dazu eine längere Diskussion. Ich sehe das Problem nicht als grundsätzliches innerhalb der Partei, sondern durch Einzelpersonen verschuldet, die durch so ein Interview, wie im Spiegel, viel verbrannte Erde hinterlassen.“

 

Herr Brühl, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

 

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