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Kultur

Frauen an der Macht

Mittwoch, 20. April 2011 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Der 23. April ist der Welttag des Buches. Was liegt da näher, als die wichtige Instanz der Literatur in Köln vorzustellen, die – wie der Zufall es will – mitten in der Südstadt liegt: Das Literaturhaus.
 
„Wenn zwei Männer an der Spitze einer Organisation stehen, dann fällt das interessanterweise keinem auf“, sagen Bettina Fischer und Insa Wilke unisono. Und sie haben recht. Fischer ist schon seit vielen Jahren als Geschäftsführerin dabei, Wilke stieß als neue Programmleiterin im Sommer 2010 dazu. Gemeinsam entscheiden sie über die Geschicke des Kölner Literaturhauses.
 
Seit 1996 gibt es das Literaturhaus in Köln, von 1999 bis 2007 residierte es im Mediapark, danach zog es in die heutigen Räume an der Schönhauser Straße, an der Grenze zwischen der Südstadt und Bayenthal. Hier ist ein Ort der Begegnung mit Autoren und ihrer Literatur unterschiedlicher Couleur entstanden. Mit dem Umzug sollte zugleich ein verändertes Auftreten des Vereins einhergehen, etwas Neues sollte entstehen. Das Ergebnis war und ist das erste Junge Literaturhaus Deutschlands, das sich an ein Publikum zwischen 12 und 20 Jahren wendet.
 
Mit dem Weggang des langjährigen Programmleiters Thomas Böhm im vergangenen Sommer eröffnete sich eine weitere Chance zur Neuausrichtung. Insa Wilke brachte neue Themen in die Kölner Literaturszene, sie setzt deutliche Akzente und zieht damit auch eine andere Klientel an. Das Programm hat sie seitdem stärker gesellschaftspolitisch geprägt, unter andere, indem sie Frauen und ihre Literatur deutlicher in den Fokus der Betrachtung gerückt hat. Dabei geht es ihr jedoch nicht um Quotenpolitik, sondern vielmehr um klare Statements, die ein zeitgemäßes Bild der Gesellschaft darstellen.
 
Diese Statements kommen darüber hinaus auch durch Veranstaltungen wie mit Dogan Akhanli zum Ausdruck, einem türkischstämmigen Schriftsteller, der seit fast zwanzig Jahren in Köln lebt, im vergangenen Jahr aus unhaltbaren Gründen in der Türkei verhaftet und für Monate im Gefängnis festgehalten wurde. Indem das Literaturhaus ihn und sein literarisches Werk präsentiert, setzt es ein Zeichen gegen politische Verfolgung und die Verletzung von Menschenrechten.
 
Als neue Programmleiterin will Insa Wilke ein Publikum ansprechen, das bislang nicht den Weg in die Räume des Literaturhauses gefunden hat. Die Fokussierung auf politische Themen ist ein Schritt in diese Richtung. Doch auch durch die Verlegung von Veranstaltungen an andere Orte der Stadt und zu späterer Stunde soll unter anderem ein jüngeres Publikum angesprochen werden. Der Tsunami-Club wird so zum regelmäßigen Veranstaltungsort, genauso wie das Blue-Shell. Die Filmpalette und der Stadtgarten, das Theater im Bauturm, die Orangerie und eine Reihe anderer Locations öffnen in den nächsten Monaten ihre Pforten für das Publikum des Literaturhauses.
 
Wechselnde Moderatoren begleiten die Veranstaltungen und lassen die Autoren nach den Lesungen erlebbar werden. Oft sind die zahlreichen ausländischen Autoren zum ersten Mal in Köln oder in Deutschland und haben das Bedürfnis, den Besuchern ihrer Lesungen über die Literatur hinaus etwas mitzuteilen, etwas aus ihrer Heimat zu erzählen. So wird jede Lesung zu einem nachhaltigen Event.
 
Doch gerade bei dem Thema Events fällt die beinahe vollständig fehlende Kooperation mit dem größten Literaturfestival in Köln ins Auge: Die Zusammenarbeit von Literaturhaus und lit.cologne ist minimal, erst seit kurzem gibt es erste Annäherungsversuche, die auf ein nachhaltiges Zusammenwirken hoffen lassen. Denn es gibt bei aller Unterschiedlichkeit in der Programmatik und Zielrichtung doch einen entscheidenden Aspekt, den beide Institutionen miteinander verbindet: Die Vermittlung von Literatur. So existieren zur Zeit zwei Literatur-Einrichtungen in unserer Stadt, denen eine gemeinsame Arbeit sicherlich gut täte.
 
Spannend ist es auch, wenn es um die Frage nach der Zukunft es Buches geht. E-Books erobern den Markt, doch Bettina Fischer zeigt sich weiterhin optimistisch, dass das Buch weiterhin Bestand haben wird. Ihrer Meinung nach bietet das Buch Qualitäten, die durch eine elektronische Variante nicht ersetzt werden können. Ästhetik und Haptik, die Gestaltung und die alle Sinne ansprechende Aufmachung stehen für sie dabei im Zentrum. Der technischen Neuerung gesteht sie zwar einen praktischen Nutzen zu, der sich aber wohl eher in Sach- und Fachbuchtiteln oder Lexika niederschlagen werde. Und auch auf Reisen, für diejenigen, die viele Bücher unterwegs lesen, birgt das E-Book ganz praktikable Vorteile: Anstatt fünf Bücher mit sich herum zu tragen, braucht man nur ein einzelnes Gerät. Fischer steht auf dem Standpunkt, dass uns das schon oft totgesagte Buch auch weiterhin begleiten wird.
 
Zwei Frauen stehen also an der Spitze des Kölner Literaturhauses. Das ist gut so, denn sie bringen einen neuen Drive in das Programm und die Ausrichtung des Vereins. Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass die leicht elitäre Nuance nach und nach zugunsten einer publikumsorientierten Neuausrichtung verändert wird. Die Geister werden sich scheiden, ob dies dem Literaturhaus zum Vorteil gereicht oder nicht. Während der eine das Interesse an hoher Literatur lieber in gewohnt etablierten Kreisen verortet, sieht der andere eine große Errungenschaft darin, Literatur auch einem breiteren Publikum zu vermitteln.
 
Das Junge Literaturhaus ist mittlerweile ein fester und wichtiger Bestandteil des Literaturhauses. Daher werden wir in der nächsten Zeit einen separaten Artikel veröffentlichen, der sich explizit mit dieser Institution beschäftigt.
 
Das Literaturhaus im Netz.

 

Text: Stephan Martin Meyer

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