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Gesellschaft Südkids

“Früh übt sich Engagement für Menschenrechte”

Donnerstag, 26. Mai 2011 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Asl? Güleryüz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Jeden Dienstag um 13:30 Uhr trifft sich die “Amnesty International Schülergruppe” der Kaiserin-Augusta-Schule. Zwischen 12 und 18 Jahre alt sind die Mitglieder der aktiven Gruppe und scheuen keine Mühen, wenn es ums Engagement für die Menschenrechte geht.

Dienstag vor drei Wochen habe ich Wassily Nemitz, den 18-jährigen Leiter der Gruppe, und die Amnesty-Schülergruppe zum ersten Mal an der Kaiserin-Augusta-Schule besucht. Seit fünf Jahren gibt es diese Gruppe an der Schule und an dem Tag war das Thema des Tages eine zentrale Frage: Was sollen wir zum 50. Geburtstag von Amnesty International machen? Sie wollten durch eine Aktion auf das runde Jubiläum aufmerksam machen. Es ist erstaunlich in welch kurzer Zeit die Gruppe kreativ wurde -zielorientiert machten sich die Schüler sich an das Thema: Was ist das Anliegen? Was wollen wir? Wie setzen wir es um? Was brauchen wir dafür?

Die Gruppe betreut einen Gefangenen in Syrien. Der Militärarzt Kamal al-Labwani war seiner Regierung gegenüber sehr kritisch eingestellt, hatte sich öffentlich dazu geäußert und war Mitglied der Oppositionsbewegung. Der Arzt forderte mehr Demokratie für sich und seine Mitbürger. Dieses Begehren brachte ihm zunächst 3 Jahre Gefängnis ein. Diese drei Jahre hatte al-Labwani genutzt, um künstlerisch tätig zu werden. Er schrieb Bücher und malte Bilder. Nach seiner Freilassung reiste er nach England und verkaufte dort einige seiner Gemälde. Mit dem Erlös finanzierte er eine Reise in die USA, um auf die Zustände in seinem Heimatland aufmerksam zu machen.
Die 12-jährige Maike, die Mitglied in der Amnesty-Gruppe ist, beschreibt eines seiner Gemälde so: “In einem Bild, da hat er so eine gefrorene Gesellschaft dargestellt und da meinte er, dass seitdem der jetzige Regierunsgschef in Syrien an der Macht ist, ist die Gesellschaft eingefroren.”
Da ist es natürlich nicht verwunderlich, dass Kamal al-Labwani direkt nach seiner Rückkehr nach Syrien wieder im Gefängnis landete, diesmal für 12 Jahre. 2008 wurde seine Haftstrafe auf 15 Jahre erhöht. Seit 2002 sitzt al-Labwani nun im Gefängnis. Unermüdlich schreibt die Schülergruppe Briefe an die syrische Regierung und fordert seine Freilassung. Die Aktion zum 50. Geburtstag von Amnesty wollten sie nutzen, um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen und an Dr. al-Labwani zu erinnern.

 

Schnell wurde beschlossen, dass man dafür am besten in die Kölner Innenstadt gehen sollte. Wassily erklärte sich bereit, eine Erlaubnis von der Polizei einzuholen. Ein Infostand alleine erregt nicht so viel Aufsehen. Da waren sich alle einig. Was zieht die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich? Was hat Symbolcharakter? Und macht Spaß? Eine Menschenrechtswaage musste gebaut werden! Na klar! Was ist das denn? Eine überdimensionale Waage. Die eine Waagschale sozusagen besteht aus einem Käfig, der ein Gegängnis symbolisieren soll. In diesem Käfig sitzt ein Mitglied aus der Gruppe stellvertretend für Kamal al-Labwani. Die andere Waagschale ist ein Eimer. Jeder Passant, der mit seiner Unterschrift, die Freilassung von al-Labwani unterstütz, darf einen Stein in den Eimer werfen. Wenn so viele unterschrieben haben, dass der Eimer schwerer als der Käfig ist, hebt sich der Käfig und der Mensch darunter ist frei!

Die 18-jährigen Mitglieder der Gruppe Lena, Maja, Matthes, Naval, Vivienne und Wassily überlegen, wie die Waage gebaut werden soll und was dafür an Materialien benötigt wird. Da wissen “die Großen” besser bescheid! “Die Kleinen” Alina und Maike werden ein Plakat für den Aktionstag vorbereiten. Passanten sollen dort Informationen über Syrien und Kamal al-Labwani lesen können. Ein Foto von ihm darf nicht fehlen!
Nun fehlt nur noch das Datum für die Aktion. Da der 28. Mai der Geburtstag von Amnesty ist, sollte sie vor diesem Datum statt finden, sind sich alle einig. Also, Samstag, der 21. Mai. Gebongt! Dann ist auch klar, dass die Gruppe bereits am Dienstag in einer Woche einkaufen gehen und am gleichen Tag auch mit dem Bau der Menschenrechtswaage beginnen muss. Insgesamt eine Stunde hat es gedauert, auf diese Idee zu kommen, alle nötigen Vorbereitungen zu besprechen und Aufgaben zu verteilen. Extrem effektive Gruppenarbeit, nenne ich das!

Gesagt, getan – mit der Bahn sind sieben Mitglieder der Gruppe letzten Dienstag zum nächsten Baumarkt gefahren und haben die Einkäufe erledigt. Zurück auf dem Schulhof der Kaiserin-Augusta-Schule wurde die Menschenrechtswaage aufgebaut. Werkzeuge haben “die Großen” von Zuhause mitgebracht und auch der Hausmeister hat ausgeholfen. Am Samstag soll die Waage am Wallrafplatz vor dem WDR Funkhaus aufgebaut werden. Die Erlaubnis der Polizei gilt für die Zeit zwischen 13 und 18 Uhr.

 

Schnell sind Informationsstand und Menschenrechtswaage auf dem Wallrafplatz aufgebaut. Die Aufgaben werden verteilt: die 12-jährigen Alina, Eva, Lennart und Maike sprechen Passanten an und sammeln Unterschriften. Maja, Matthes und Wassily informieren am Stand. Vivienne spricht auch Passanten an und Lena macht Fotos. Die 12-jährige Vivien sitzt im Käfig und liest die “Erklärung der Menschenrechte”.
Nach zweieinhalb Stunden frage ich, wie sie sich fühlt: “Ich fühle mich so beobachtet. Die Leute starren einen alle an. Mein Rücken ist langsam steif, meine Beine tun ein bisschen weh. Ich hatte ein Eis, das ist schon mal positiv, hätt’ gern einen Anwalt, ich möchte hier raus. Eben waren ja ziemlich viel Leute hier und haben unterschrieben. Ein bisschen Bedenken habe ich schon, weil hier passiert irgendwie nichts, und es sind schon so viele Steine im Korb. Ich hoffe, ich komme bald raus!“

Um 18 Uhr hat die Amnesty-Schülergruppe der KAS 150 Unterschriften gesammelt, unendliche Male die gleiche Leier erzählt, viele Abweisungen auch erhalten, Eis gegessen, viel Wasser getrunken und nicht aufgegeben!

100 Amnesty-Schülergruppen gibt es an deutschen Schulen. Das gibt uns Hoffnung für die Zukunft. Es ist wichtig, dass die heranwachsende Gesellschaft, sich schon früh mit politischen und sozialen Problemen der Welt beschäftigt und sich einsetzt. Die 12-jährige Eva weiß, warum sie Mitglied bei Amnesty International geworden ist: „Ich find’s nicht richtig, dass Menschen einfach wegen dem, wie sie sind oder dem, an das sie glauben, eingesperrt werden. Und deshalb finde ich es schön, wenn ich helfen kann.“

Termin:
Wenn Ihr Mitglieder der Südstadt-Gruppe und der Schülergruppe kennen lernen möchtet, dann könnt Ihr am Samstag, 28. Mai ab 18 Uhr am Aachener Weiher mit auf den 50. Geburtstag von Amnesty International anstoßen! Alle sind herzlich eingeladen mitzufeiern!

 

Text: Aslı Güleryüz

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