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Lükes Liebes Leben

Frühe Fette, Pofalla und die Wende

Montag, 15. April 2019 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Bei meinen morgendlichen Rundgängen im Rheinauhafen bin ich in der Regel noch nüchtern. Nicht nur, was den Alkohol angeht, sondern ich nehme auch mein Frühstück erst nach meiner Rückkehr in die Wohnung zu mir. Reine Gewohnheit. Anders wäre aber womöglich auch nicht gut. Denn zu den zahlreichen Dienstleister-Fahrzeugen, die da morgens auf dem Gelände unterwegs sind, gehört auch ein knatschbunter Laster in leuchtendem Orange mit putzigen Motiven.

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Aber weil so ein Fahrzeug ja immer auch als rollende Werbefläche genutzt werden will, prangt auf dem Truck in großen Lettern „Fettabscheider, Schwarten, Knochen, Fritteusenfett, Essensreste“. Schon klar, solch eher unappetliche Dinge fallen in der Gastronomie nunmal an und müssen auch fachgerecht entsorgt werden. Aber ob da ein farbenfroh gestalteter LKW den Ekel wirklich mindert? Doch die PR-Strategen des Unternehmens werden das Konzept schon ordentlich durchdacht haben. Ich für meinen Teil brauche diese Infos kurz nach Sonnenaufgang nicht wirklich und weiß zu schätzen, dass mich mein spätes Frühstück vor einem morgendlichen Brechreiz bewahrt.
 

Hannover ist das neue Berlin

Manchmal muss man ja auch mal raus aus der Südstadt. Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich dabei letztens mit der Pofalla-Wende in Berührung gekommen. Eigentlich wollte ich vor gut einer Woche nur mal kurz von Köln nach Osnabrück. Mit dem Zug. Ist ja kein Akt. Die 200 Kilometer. Hat dann aber doch irgendwie länger gedauert, weil am Düsseldorfer Hbf an diesem Morgen gar nix ging und alle Züge umgeleitet werden mussten. Jedenfalls kam ich so in den Genuss einer kostenloser Ruhrgebiets-Tour über Nebenstrecken. Allerdings mit der Konsequenz, dass das Bähnle in Essen schon über eine Stunde Verspätung hatte. In Dortmund näselte dann aus dem Lautsprecher, dass der IC aus „innerbetrieblichen Gründen“ außerplanmäßig nicht bis Greifswald fahren sondern bereits in Rostock enden würde. Man bat um Verständnis. Da es laut Google von Rostock bis Greifswald gut eine Stunde dauert, roch mir das doch arg nach Pofalla-Wende.
 

Pofalla wendet

Pofalla? Ronald Pofalla. Jener einstige CDU-Volksvertreter vom Niederrhein, der als Kanzleramtsminister fungierte, bevor er mangels nennenswerter Fähigkeiten auf einen lukrativeren Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn gehievt wurde. Da sitzt er nun seit 2015 und denkt nach. Zum Beispiel über die Frage, was man denn gegen die leidigen Verspätungen der Züge so tun könnte. Irgendwann kam ihm dabei die geniale Idee: Wenn ein Fernzug eine beträchtliche Verspätung hat und unmittelbar nach seiner Zielankunft wieder in Gegenrichtung starten soll, würde er dieser Verspätung zum Ärger der Reisenden ja schon wieder mit sich rumschleppen. Warum dann nicht den Zug gar nicht bis zur Endstation fahren sondern ihn vorher wenden lassen? Und schon läge doch immerhin der Gegenzug wieder im (Fahr-)Plan.
 

Kein Scherz

Als ich Ende letzten Jahres zum ersten Mal in der „heute-show“ von dieser Idee hörte, habe ich das für einen Scherz gehalten. Auch wenn Welke mehrfach beteuerte, das sei kein Witz. Inzwischen weiß ich, dass die Pofalla-Wende allen Ernstes bei der Bahn im Testlauf ist. Was ja schlicht einer Kapitulationserklärung gleichkommt. Da man auf unabsehbare Zeit offenbar nicht davon ausgeht, Reisende halbwegs pünktlich ans Ziel zu bringen, wird je nach Bedarf einfach der Fahrplan kurzfristig frisiert. Wer also eine Reise in einem durchgehenden Zug von Köln nach Berlin bucht und bezahlt, kann nicht mehr unbedingt davon ausgehen, dass ihn der auch nach Berlin bringt. Vielleicht ist ja schon in Hannover Schluss.

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Soll der Kunde halt sehen, wie er weiter nach Berlin kommt. Muss er eben in einen anderen ICE aus München oder so umsteigen, der in die Hauptstadt unterwegs ist. Falls dieser nicht ebenfalls Verspätung hat und in Hannover die Wende macht. Aber schließlich gibt’s ja auch noch Regionalbahnen. Vielleicht sollte Ronald Pofalla seinen Geniestreich einfach mal konsequent zu Ende denken und Fernzüge von Köln nach Berlin und zurück grundsätzlich nur noch zwischen Dortmund und Hannover verkehren lassen. Da wüsste man doch bei Fahrtantritt gleich, woran man ist. Und womöglich wären die sogar pünktlich.
 

Ihre Post hat´s heute leider nicht geschaft

Ich hoffe nur, das Beispiel macht nicht auch bei anderen Dienstleistern Schule. Mein Postbote ist in der Regel auch ziemlich spät dran. Kann schon mal 15, 16 Uhr werden. Was ich dem guten Mann nicht vorwerfen will. Gehe mal davon aus, er beendet seine Tour bei mir in der Gegend. Nach dem Pofalla-Modell könnte er mich mit Blick auf die Uhr und seine abgelaufene Arbeitszeit aber demnächst womöglich per App informieren, dass meine Post es aus „innerbetrieblchen Gründen“ heute leider nur bis zur Hausnummer X in der Y-Straße geschafft hat. Wo ich sie mir aber jederzeit abholen könne.

Debatte über Trinkgeld für Paketboten

Aber wenn ich das richtig mitbekommen habe, sind derlei Praktiken bei unseren Paketboten ja längst gang und gebe. Habe ich zumindest den erbittert geführten Debatten in unserer facebook-Gruppe entnommen, wo es um die Frage ging, wie viel Trinkgeld pro Lieferung denn für die unterbezahlten Paketknechte angemessen sein könnte. Die Angaben schwankten zwischen 0 und 5 Euro. Wobei manche Totalverweigerer geltend machten, dass selbst ein Euro pro Packerl sie ans Hungertuch bringen würde. Ich gestehe, dass ich mir über diese Frage noch nie Gedanken gemacht habe. Weil ich zum einen Parterre wohne und zum anderen sämtliche jemals im Netz georderten Artikel noch immer an einer Hand abzählen kann. Sollten womöglich die über dreißig eifrigen Diskutanten zu diesem Thema am Ende dieselben sein, die fortwährend die zunehmende Verödung der Südstadt durch Ladenschließungen beklagen? Möglich wär´s.

Text: Reinhard Lüke

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