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Südstadt

Frühlingspapst – Lükes liebes Leben

Montag, 4. März 2013 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Bernhard Schindele/ Wikimedia

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Gäule sind schon wieder durch. Als letzte Fast-Food-Kette hat es IKEA getroffen. Hottehü in Köttbullar! „Wahrscheinlich Schaukelpferd“, gab mein Junior lakonisch von sich, als die Meldung im Radio kam. Wie immer hat er keine Ahnung vom wahren Leben. Bei IKEA gibt´s gar kein Schaukelpferd, sondern nur einen Schaukelelch, der heißt Ekkore und der ist wohlauf und jederzeit lieferbar. Außerhalb des Hackfleischbällchen. Jetzt ist verschimmelter Gammel-Mais vom Balkan dran, der erst im deutschen Viehfutter und dann auf unseren Tellerchen gelandet ist. Und der hat´s im Gegensatz zu den Pferdchen wirklich in sich. Der Schimmelpilz Aflatoxin gilt schließlich als höchst krebserregend. Aber für uns Endabnehmer bestand zu keiner Zeit irgendeine Gefahr. Sagen die Behörden. Normal. Eben lässt mich die Redaktion des ZDF-Magazins WISO per Mail wissen, dass sie bei mehreren Discountern Keime in Hackfleisch gefunden hat. Näheres in der heutigen Sendung. Keime im Hackfleisch – ist doch kalter Kaffee. Regt sich noch irgendwer auf? Kaum.

Knöterich weg

Aber bei Knöterich. Zugegeben, ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Leserbrief verfasst. Wer vom Schreiben lebt, hat nach Feierabend wenig Lust auf sowas. Doch bisweilen ist es schon erstaunlich, was Zeitgenossen heutzutage zur Tastatur greifen lässt, um andere Menschen an ihrer Sicht der Dinge teilhaben zu lassen. Mag sein, dass auf dieser Südstadt-Seite eher selten Themen abgehandelt werden, die das Blut der Leser in Wallung bringen. Das generelle Feedback ist eher mau. Wutbürger machen da kaum von sich reden. Jedenfalls bis letzte Woche. Dann kam die Meldung, die geradezu ein Erdbeben auslöste: Der Knöterich ist weg! Die Fassade des Bistros „Capricorn i Aries“ an der Verkehrsinsel auf der Alteburger Straße steht plötzlich nackig da. Der Hauseigentümer hat das Grünzeug entfernt. Ist für Passanten nicht schön so ein Kahlschlag, kommt aber vor und ist auch nicht strafbar. Und plötzlich waren sie da, die Lesermeinungen. 36 (!) Einträge auf unserer Facebook-Seite. Toll! Leute, habt ihr sonst keine Sorgen?

Papst weg

Von ähnlicher Diskrepanz zwischen Bedeutung und öffentlicher Wahrnehmung war der Hype um den Papst-Rücktritt. Okay, sowas kommt bei den Katholen nicht alle Tage vor, aber das kollektive Rauschen im Blätterwald und ganztägige Life-Übertragungen (keineswegs nur beim Bayrischen Rundfunk und auf Bibel-TV) seiner letzten Amtshandlungen und seines Umzugs in seinen provisorischen Altersruhesitz scheinen mir doch einigermaßen grotesk. Sind wir eben nicht mehr Papst. Na und? Schön und gut, der Verein hat hierzulande noch immer rund 24 Millionen Mitglieder. Aber ich hege doch die Vermutung, dass es sich bei denen zu 75 Prozent um schlichte Karteileichen, bzw. Folklore-Christen handelt. Womit ich jene Zeitgenossen meine, die in ihrem Alltag mit Religion und den katholischen Verhaltenskodex eines gottgefälligen Lebens eigentlich nix am Hut haben, aber zu Weihnachten und Ostern die Kirchen voll machen, weil’s da so schön heimelig zugeht und es doch irgendwie dazugehört. So wie Tannenbaum und Ostereier. Die Gewissenhaften holen sich den Text des „Vater unser“ vorab mit Hilfe von Google drauf. Und natürlich lassen sie auch ihre Kinderchen taufen und stecken sie demnächst wieder in drollige Kommunionanzüge und weiße Kleidchen. Warum? Wissen sie auf Nachfrage auch nicht zu begründen und sind geradezu beleidigt, dass man sich in ihre privaten Angelegenheiten einmischt. Als hätte man sie nach ihren bevorzugten Sexualpraktiken gefragt. Und selbst die jüngsten Skandale bringen sie nicht dazu, vielleicht mal einen Kirchen-Austritt in Erwägung zu ziehen. Hat der FC eigentlich auch zahlende Mitglieder, die nicht mal wissen, dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert. Obwohl, heute dauert ja kaum ein Spiel mehr 90 Minuten. Irgendwas hat da immer ein Nachspiel. Vermute mal, da steht was Kleingedrucktes im Vertrag, den der DFB mit dem Hersteller jener hübschen Digital-Tafeln abgeschlossen hat, die die Vierten Offiziellen kur vor Ende der Partie immer in die Fernsehkameras halten. Was soll´s?!.

Steine weg

Ab heute ist erstmal Frühling. Was mich natürlich unbändig freut. War ja nicht mehr wirklich zu erwarten, dass dieser steinlausgraue Himmel noch mal aufreißen würde. Habe mich gerade noch zurückhalten können, am Samstag mit Tausenden von Rentnern die Garten-Center zu stürmen. Die Frauen (okay: manche) werden wieder rote Schuhe und geblümte Kleider tragen und rauchend draußen sitzen. Fein. Aber es werden auch wieder Mütter dabei sein. Wobei ich gegen diese Spezies im Prinzip nicht habe. Wohl aber gegen die Exemplare, die sich pünktlich zum großen Knospensprießen wieder mit ihrem Nachwuchs, Reiswaffeln und Dinkelkekse im Gepäck, in der Außengastro des punktgenau wieder öffneten „Haus Müller“ einfinden werden.   
   
Bei gutem Wetter kann das Plätzchen An der Eiche richtig lauschig sein. Unter den ausladenden Baumkronen lässt es sich mit freiem Blick auf das bunte Treiben auch tagsüber bestens aushalten. Da können sich Eltern bei Latten, Kaltgetränken und Salaten mit Irgendwasstreifen gemütlich niederlassen, ohne die lieben Kleinen aus dem Blick zu verlieren, die sich derweil am Brunnen vergnügen, der das Plätzchen (mehr oder weniger) ziert. Dass der in den Sommermonaten überhaupt plätschert, ist bekanntlich nicht der Stadt, sondern einem anonymen Sponsor zu danken. So können die Kinderchen je nach Alter mit nackten Füßen im kühlen Nass herumwatscheln oder ihre monströsen Pump Guns nachladen. Alles schön, alles gut. Aber der Platz ist nun mal gepflastert und schon jetzt fehlen da rund um den Brunnen wieder ein paar Steine. Für eine ideale Angrifffläche ist also bereits gesorgt. Woran sich in den nächsten Monaten wieder viele kleine Racker erfreuen und emsig weitere Steine ausbuddeln werden. Was ihnen nicht anzulasten ist. Wohl aber jenen Müttern (Das noch immer gängige Familienmodell bringt es nun mal mit sich, dass da meistens Mütter sitzen.), die ihnen, Latte schlabbernd, dabei seelenruhig zusehen und ihre Kinderchen auch noch anfeuern: „Schön machst du das, Paul.“ Nein, Paul macht das nicht schön, sondern er ruiniert gerade einen öffentlichen Platz! Unter diesem Pflaster liegt kein Strand. Nur Dreck. Erdreistet man sich, die Erziehungsberechtigten darauf hinzuweisen, erntet man pure Verständnislosigkeit. „Meine Güte, die paar Steine.“  Was soll man dazu sagen? Asoziales Pack mit Hochschulabschluss? Passt schon. Aber jede Petition zum Erhalt von Knöterich unterschreiben. Geht´s noch? Garnichts Erfreuliches aus der Wirklichkeit? Schon. Letzten Samstag hatte ich die Ehre im Eigelstein-Viertel die hinreißende Caroline Peters zu interviewen, die in „Mord mit Aussicht“ die Eifel-Kommissarin Sophie Haas spielt. Auf dem Weg zum Ort des Geschehens entdeckte ich in der Weidengasse ein Plakat, das für ein Konzert mit einer türkischen Sängerin warb, die darauf in Abendrobe abgebildet war. Doch von dem Poster war erstaunlich exakt der Teil, auf der ihr Rock abgebildet gewesen sein muss, weggerissen. Hatte da womöglich ein Verehrer Hand angelegt, der wissen wollte, was die Dame drunter trug? Schöne Vorstellung.   
 

Text: Reinhard Lüke

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