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Gesellschaft Sport

„Fußball war und ist kein unpolitischer Raum“

Mittwoch, 18. Mai 2016 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Ein Satz stand sozusagen wie in Stein gemeißelt den ganzen Abend über der Veranstaltung und war die unbestrittene Basis aller Diskussionsbeiträge: „Fußball war und ist kein unpolitischer Raum.“ Die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatte eingeladen in die Lotta. „HoGeSa, PEGiDA & Co im Fußball – Die ,Old School‘ und die Ausweitung der Kampfzone“ lautete im Vorfeld der Europameisterschaft das Thema auf dem Podium. Dort saßen beziehungsweise standen Jonas Gabler und Richard Gebhard Rede und Antwort.

(Bild oben: Richard Gebhard, Jonas Gabler und Dr. Marcus Meier)

 

Gabler ist Politologe und Sportwissenschaftler und war bis 2015 Mitarbeiter in der Kompetenzgruppe Fankulturen an der Universität Hannover. Er hat veröffentlicht zu den Themen Fußball, Fankulturen und Rechtsextremismus. Er ist Mitherausgeber des Sammelbandes „Zurück am Tatort Stadion. Diskriminierung und Antidiskriminierung in Fußball-Fankulturen“. Gebhard ist Publizist und Erwachsenenbildner in Aachen: Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen zur extremen und neuen Rechten sowie zu Fragen des Fussballs und der Gesellschaftspolitik. Zu HoGeSa unter anderem „Die Mär vom unpolitischen Hooligan“, in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ stehen in seinem Lebenslauf. Dr. Marcus Meier, Geschäftführer der christlich-jüdischen Gesellschaft, führte mit ein paar Sätzen in das Thema ein. Er erinnerte an den HoGeSa-Auftritt (Hooligans gegen Salafisten) 2014 hinter dem Kölner Hauptbahnhof, bei dem die Polizei völlig überfordert gewesen sei.

 

Seitdem nähmen die Ordnungskräfte diese Szene wesentlich ernster. Eine Wiederholung der HoGeSa-Gewaltexzesse im öffentlichen Raum sei im vergangenen Jahr im Ansatz erstickt worden. Man müsse allerdings die Frage stellen, ob rassistische Motive von HoGeSa- und PEGiDA-Anhängern übereinstimmten. Gebhardt berichtete: „2014 haben wir zum ersten Mal Hooligans auf der Straße erlebt mit einer klaren politischen und zwar rechten Agenda. Hooligans sind durch ihr traditionelles Männer- und Selbstbild empfänglich für die rechte Szene. Sie waren nie komplett rechts, aber es gab Überschneidungen. Die Rechten haben immer wieder versucht, den Fußball sozusagen als ,Kontakthof‘ zu nutzen.“

Engagement gegen rechts

 

Diskriminierung sei zum Beispiel ein Thema, um das in den Kurven gekämpft werde. Sie sei im Stadion am deutlichsten sichtbar. Die Frage, die in der Kurve gestellt werde, laute: „Welche Form von Diskriminierung akzeptieren wir?“ „Die Fußball-Fankultur im Stadion“, so Gebhardt, „ist geprägt von einer Art karnevalesken Verhaltens: Hier kann man sich benehmen wie nirgends sonst.“ Den Wettkampfgedanken, der vom Spielfeld übertragen werde, inszeniere man auf der Bühne als Schauspiel „Wir gegen die anderen“. Viele rechte Fans empfänden sich als männlich, deutsch, heterosexuell und „von hier“. Denen der anderen Mannschaft spreche man möglichst alle dieser „Eigenschaften“ ab.

 


„Fußball war und ist kein unpolitischer Raum“

 

„Es gibt aber in vielen Vereinen Leute in den Kurven, die sich gegen Rechts engagieren“, wandte Gabler ein und erinnerte daran, dass auf etlichen Tribünen Ultras ohne rechtes Gedankengut rechte Hools verdrängt hätten. Nicht zuletzt die Vorsänger der Ultra-Fans hätten in den meisten Stadien die Macht der Hooligans gebrochen. „Ultras identifizieren sich zu hundert Prozent mit dem Verein. Sie leben das über nicht in erster Linie in Gewalt aus, sondern auch in anderen Dingen. Hooligans identifizieren sich auch mit dem Verein. Ihre Ebene ist aber oberflächlicher. Sie leben ihre Identifikation, in dem sie sich für den Verein schlagen. Die Ultras haben neben der Gewalt viele andere Ausdrucksformen“, erklärte Gabler den wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Fan-Lagern. Jedem müsse aber klar sein: Nicht jeder Ultra    sei gegen Rechts ausreichend sensiblisiert. Und der Druck auf die Ultras wachse: „Sie werden in manchen Stadien von Hooligans bedroht, die ihre Macht zurückerobern wollen.“

Hools als PEGiDA-Ordner

HoGeSa ist nach den Beobachtungen von Gebhardt kein „Phänomen der Stadien“, auch wenn bei einem Spiel von Aue gegen Dresden erstmals „Merkel muss weg“ skandiert worden sei. Und bei den PEGiDA-Veranstaltungen in Dresden und Leipzig erlebe man immer mehr HoGeSa-Anhänger als Ordner. Sind also die Hools, ist also die „old school“ zurück, die im Stadion noch einmal zeigen will, wie Fankultur geht? 80 Prozent der Fanbeauftragten deutscher Profiklubs haben bei einer Tagung darauf mit Ja geanwortet. Noch ist aber einiges im Fluss. Während sich in Mönchengladbach Anhänger des Islamisten-Predigers Pierre Vogel und Hools mit Flaschen bewerfen, verprügeln Leipziger Hooligans AFD-Anhänger.
 

Text: Stefan Rahmann

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