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Gesellschaft

Gay-Romance aus der Südstadt

Donnerstag, 17. November 2022 | Text: Sofie Reichel | Bild: Sofie Reichel

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Es darf gespoilert werden: Den neusten Band seiner „Gaystorys“-Reihe veröffentlicht der Autor Stephano schon vorab kapitelweise in seinem Blog. Unter dem Pseudonym schreibt der Schriftsteller Stephan Martin Meyer über gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern und die individuellen Herausforderungen, die sie mit sich bringen.

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In einem Atelier in der Südstadt entstehen die Texte aus der Reihe „Gaystorys“. Seit November 2021 sind es bereits vier Romane und eine Vorgeschichte. Alle spielen sich im selben Universum ab. Warum Meyer seinen Fokus inzwischen statt wie früher auf Kinderbücher jetzt auf Gay Romane legt, hat gute Gründe. Die Idee war im Grunde eine Weiterentwicklung seines schwulen Jugendromans zum Themenkomplex „Coming Out“.

Schwule Protagonisten „begründen“

„Wir leben in Zeiten des Internets“, sagt Stephan Martin Meyer. „Das heißt, du hast Zugriff auf alles. Und wenn du irgendwo das Häkchen setzt: ‚Ja, ich bin 18 Jahre alt‘, glaubt das Internet dir das. Und dann ist Sexualität, also auch expliziter Sex, Teil der Jugendkultur im weitesten Sinne“, stellt er fest. Vor diesem Hintergrund entstand seine Idee, genau so auch für Erwachsene zu schreiben. Denn schon immer wollte er Schwulen-Romane schreiben, aber die Haltung deutscher Verlage zu diesem Genre habe ihn daran lange gehindert, erzählt er. Zwar würden die Verlage inzwischen offener gegenüber Sexualität, aber das sei nicht immer so gewesen. „Ich brauchte immer eine Begründung, warum die Protagonisten schwul sind“, berichtet der Autor. Und als er noch jünger gewesen sei, habe es kaum Romane mit schwulen Hauptcharakteren gegeben, also auch keine role models für ihn. Genau das aber habe er sich damals gewünscht.

Schlechte Qualität

Doch nicht nur das bewegte ihn zum Verfassen eigener Gay Romane. Sondern auch, dass es vor allem im Selfpublishing-Bereich Texte gebe, die nur mit Klischees spielten und durch kein Lektorat gelaufen seien. Was die Qualität der Geschichten leiden ließe, so Meyer. Es kämen deshalb zu wenig bis keine guten Bücher überhaupt auf den Markt, was wiederum die Selfpublisher*innen in ein schlechtes Licht rücke. Meyer hat sich deshalb zur Aufgabe gemacht, das Ganze selbst in die Hand zu nehmen. Also die Romane zu schreiben und sie auch selbst zu veröffentlichen, mit Qualitätsanspruch.

Keine Schwulenszene auf dem Dorf

In seinem ersten Roman der Gaystorys-Reihe mit dem Titel „Neustarten“ geht es um Tom, der aus der Provinz in die Großstadt zieht. Nicht nur die Eindrücke der neuen Umgebung, sondern vor allem seine Sexualität und damit verbunden die Probleme, die in der Heimat auf ihn warten, sind die Konflikte, die Tom im Laufe der Geschichte durchlebt.

Die GayStorys-Reihe von Stephan Martin Meyer

Meyer habe einfach interessiert, wie eine Person aus der Provinz auf eine Großstadt reagiert. „Es ist immer schwierig, sich zu outen. In Städten, wie Berlin oder Köln ist es vor allem im Freundeskreis zwar auch nicht leicht, aber geschmeidiger, sich zu outen“, sagt der Schriftsteller. In dörflichen Strukturen sei das anders, abgesehen von den Medien, hätten die Menschen auf dem Land kaum Berührungspunkte mit der Schwulenszene. „Ich habe dann überlegt, was passiert mit so einer Figur, wenn sie jetzt mit der Schwulenszene in einer Metropole konfrontiert wird, die ganz anders funktioniert als das, was dieser Mensch aus dem Dorf kennt“, erzählt er weiter. Das Konzept Serie hatte Meyer dafür sofort im Kopf, es sollten viele Charaktere mitspielen, und daraus neue Geschichten entstehen.

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Nachdem Meyer drei weitere Bücher veröffentlicht hatte, startete er mit seinem nunmehr fünften Band ein neues Projekt. Den Text „Dorfidylle“ veröffentlicht er stückweise innerhalb eines Blogs. In der Geschichte geht es um David, der den umgekehrten Weg geht und von Berlin aus in die Provinz gezogen ist. Obwohl die Menschen in seinem Umfeld wissen, dass er schwul ist, möchte er sich in dem kleinen Örtchen nicht outen. Der wohlhabende Mann aus London, der nun ebenfalls in die Provinz zu seinem Onkel gezogen ist, macht das Ganze nicht leichter …

Experiment und Herausforderung

Während des Schreibprozesses wird einmal die Woche ein neues Kapitel veröffentlicht und erscheint kostenfrei auf seinem Blog. Die Idee für die Veröffentlichung innerhalb eines Blogs hat Meyer von Anja Niekerken. Sie bietet Online-Seminare zu Marketing für Autor*innen an und konnte auch berichten, dass in den USA die Veröffentlichung von Büchern über Blogs stark trendet. „Viele Leute springen auf Gratis-Produkte an“, so Meyer. Zudem kommt so auch viel Feedback und sein Bekanntheitsgrad könne sich steigern. Außerdem empfindet Meyer das sowohl als Experiment als auch als Herausforderung, denn der Roman entsteht ja gerade erst.

Mut zum sich-Outen

Auch der Austausch mit seinen Leser*innen kann sehr hilfreich für einen Autoren sein. Zwar wird der Plot der Geschichte durch die Kommentare nicht beeinflusst, aber manche Kritik oder Anregung bringt den Verfasser schon ins Grübeln. Auch früher schon erreichten ihn Rückmeldungen von Leser*innen zu seinen Büchern. Eine ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. „Ein Leser hat die bis dahin erschienenen Romane gelesen und dadurch den Mut gehabt, sich zu outen“, erzählt der Autor.

Stephano, der Name, unter dem Stephan Martin Meyer veröffentlicht. (Foto: Sofie Reichel)

Eine Zielgruppe reicht

Wen er mit seinen Büchern vor allem anspricht, hatte ihn zunächst überrascht. „So 70-80 Prozent meiner Leser*innen sind weiblich“, erzählt er. Er fragte bei einer Leserin nach, die angab, dass ihr egal sei, welches Geschlecht und welche Sexualität Protagonist*innen in Büchern hätten. Stephan Martin Meyer konzentriert sich trotzdem auf die schwule Zielgruppe. „Denn es ist schwierig, die Bücher und das Marketing auf zwei Zielgruppen zuzuschneiden“, findet er.

Buchmarkt habe gepennt

Das große Geld macht er mit seinen Büchern nicht. Die Umsetzung der Gay-Romane konnte er anfangs durch ein Stipendium des Landes NRW finanzieren. Seine Haupteinnahmen erwirtschaftet er jedoch mit seiner Tätigkeit als Grafiker. Unter anderem gestaltet er auch Buchlayouts für andere Autor*innen.
Seine bisher veröffentlichten Bücher kann man sowohl als Taschenbuch bei Books on Demand, aber auch als E-Book bei Amazon kaufen. Der Verkauf der E-Books bei Amazon sei für ihn eine gute Lösung, da Amazon einiges für die Sichtbarkeit der Autor*innen tue. Vor allem über Kindle-Unlimited verdiene er mittlerweile mehr. Der deutsche Buchmarkt aber habe seiner Ansicht nach diesbezüglich „etwas gepennt“.

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Als erfahrener Autor kennt Stephan Martin Meyer die Branche und ist mit vielen anderen Autor*innen im Kontakt. Er findet, dass in der Branche vieles noch nach alten Mustern laufe, die nicht mehr zeitgemäß seien. Er wünscht sich, dass die Verlage hier in Deutschland flexibler werden. Aktuell seien sie immer noch sehr vorsichtig und kauften sich lieber Lizenzen aus dem Ausland, so Meyer. Für die Zukunft hofft er, dass seine Bücher ein größeres Publikum erreichen, aber dafür muss er sich wohl noch gedulden. Nicht leicht, denn: „Leider bin ich total ungeduldig“, gibt er lachend zu.

Text: Sofie Reichel

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