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Südstadt

„Gegen eine Stadt sein, heißt ja gleichzeitig: für die Stadt sein!“

Freitag, 20. September 2013 | Text: Judith Levold | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Sagt mir Martin Stankowski im Brustton der Überzeugung bei einem Pfefferminztee in Susis Caffè-Bar am Ubierring. Hier, in seinem zweiten Wohnzimmer, treffe ich meinen Ex-Nachbarn oft, denn hier werden alle wichtigen Themen und Projekte besprochen oder zumindest: angesprochen. Ich will mit ihm über den Severinsbürgerpreis 2013 reden, den er am kommenden Sonntag (22.09.2013) in festlichem Rahmen im Stadtmuseum verliehen bekommt. Und obwohl Interviews mit Bekannten journalistisch schwierig sind, traue ich mir ausreichend Distanz zu – oft genug streiten wir uns nämlich – über die Einhaltung von Sperrfristen, die Qualität von Ausstellungen im Stadtmuseum oder vielleicht Mitbürger, die wir beide nicht mögen, wenn auch aus verschiedenen Gründen…

 
Was sind das denn für Projekte, in denen Du Dich als Bürger Kölns engagierst?
Da gibt es mehrere. Ganz wichtig ist mir das Besucherprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter und Häftlinge im ehemaligen Gestapo-Gefängnis im NS-Dokumentationszentrum. Das habe ich seit Ende der 80er Jahre mitorganisiert. Oder das von 2009-2012 laufende Projekt an einer Hauptschule in Ehrenfeld, wo ich zusammen mit Jürgen Becker und Pfarrer Franz Meurer Jugendlichen bei der Lehrstellensuche geholfen habe. Die Schule wurde aufgelöst jetzt, aber wir hatten die Erfolgsquote von 5 auf 50% gebracht, mit einem Bewerbungsbuch und anderen Maßnahmen. Und ich bin Pate vom Draussenseiter (Kölns Obdachlosenzeitung, Anm. der Redaktion).
 
Was heißt das, Pate sein?
Das heißt, dass ich immer wieder Geld organisiere, Ideen einspeise für die Zeitung, Lobbyarbeit mache.
 
Du hast viel Zeit damit verbracht, die Stadt Köln zu erkunden, andere mit Büchern und Führungen angeregt, die Stadt zu erkunden. Warum ist das so wichtig?
Man muss eine Stadt erkunden, um sie zu verändern. Das geht auf die alte Frage zurück: wem gehört die Stadt? Die Stadt gehört ja nicht Politik und Verwaltung, sondern den Bürgern, die sich da auch einmischen sollten. Zum Beispiel bei ‚Köln Kann Auch Anders‘ – jeden Montag vor dem Rathaus kannst Du sehen, dass sich da sehr unterschiedliche Leute mit ihren Interessen einbringen. Vielen fehlt aber das Konzept, die Idee. Uns wurde früher in den 70ern oft vorgeworfen, eigene Interessen zu vertreten als Bürgerinitiative. Das ist ja nicht grundsätzlich schlecht. Man muss nur in einem Kontext sein: sozial, städtebaulich, ästhetisch. Am Beispiel Hubschrauberlandeplatz Kalkberg. Der soziale Kontext ist: Es ist einfach gemein, den Leuten, die da auf der Rückseite in der GAG-Siedlung wohnen, das Ding da hinzuknallen, den Spiel- und Grünraum wegzunehmen. Stell´ Dir das mal im Hahnwald vor! Und städtebaulich, ästhetisch: es gibt eine Menge anderer Orte, an denen der Hubschrauber stattdessen landen könnte…
 
Du regst Dich ja schon wieder auf…
Ja, aber Du kannst Dich erst aufregen, wenn Du wahrnimmst, wer das nicht tut, ist konservativ oder ein Idiot. Goethe sagte ‚Man sieht nur, was man kennt‘. Ich möchte darüber hinausgehen und sagen: Man muss mehr wissen, mehr kennen, den Kontext sehen. Und sich dann einmischen.
 
Dann bekommst Du den Severinsbürgerpreis also für´s Einmischen?
Das kann ich genau sagen. Der Preis war ja lange so´n Heimatdödelpreis, und die Nummer läuft so nicht mehr. Dann hat mal Tommy Engel den Preis bekommen, das war noch so´n bisschen Heimat aber auch schon Arsch Huh -also Einmischung-, dann hat der Gens den bekommen, dann das Kino ODEON. Und dann haben sie sich gefragt: Wen haben wir hier noch im Veedel? Und dann gedacht, der Stankowski, der ist jetzt alt genug. Ich bin ja jetzt zum ersten Mal, wo ich doch immer auf der Stadt Köln herumhacke, im Dienst der Stadt Köln unterwegs, im Team um Architekt Christian Schaller für die Via Culturalis (Konzeptentwicklung für den Weg zwischen Dom und St. Maria im Kapitol, Anm. der Redaktion). Und da interessiert mich als eine Art Kultur-Mentalitäts-Historiker ja eher: wo kommen die Leute her, die da leben, was essen die, was haben die für Sex – eine Art Sozialgeografie. Ich habe da einen Rollenwechsel durchgemacht, und in dem Zusammenhang sehe ich den Preis…
 
…der ja auch im Zusammenhang mit Engagement FÜR die Stadt steht – Du bist aber oft GEGEN die Stadt…
Ja, das stimmt. Aber gegen die Stadt sein heißt auch zugleich FÜR die Stadt sein. Und der Begriff Bürger tauchte schon 1973 auf bei uns, im von mir mit gegründeten ersten Kölner Volksblatt – Bürger-Initiativen informieren.
 
Fühlst Du Dich als Voll-Kölner, obwohl im Sauerland geboren?
Seit dem 1.07.1972 bin ich hier gemeldet und seitdem Voll-Kölner. Mit dem ‚geboren in‘, das ist doch kitschig. Liebe Kölner: Freut Euch, dass zwei Drittel der Kölner nicht hier geboren sind! Warum interessiere ich mich für Stadtgeschichte? Weil ich NICHT hier geboren bin. Da, wo man geboren ist, ist alles selbstverständlich, da stellt man nix in Frage.
 
Was ist mit Deiner neuesten Infragestellung, dem Thema Haus der Geschichte Köln anstelle eines rein jüdischen Museums auf dem Rathausplatz?
Ja, das ist ja so, dass alle, bei denn wir vorgesprochen haben, das eigentlich eine sehr gute Idee finden…
 
…‘Eigentlich‘ ist so ein Wort…
 Ja, in meiner Jugend wurde das Wort abgelehnt. Das ist so wie „interessant“. Die Worte kommen in meinem Sprachgebrauch nicht vor. Also: Ich oder wir kämpfen weiter für das Haus der Geschichte Kölns, aber die Chancen stehen wohl schlecht, gerade wurde ja der Vertrag unterschrieben mit dem Landschaftsverband. Wir konzentrieren uns daher auf die Konzeptfrage: Wird das Stadtmuseum den Mut haben, ein neues Paradigma der Darstellung zu wählen? Also zum Beispiel: Wie geht die Mehrheit mit der Minderheit um durch die gesamte Geschichte hindurch? Anstelle der Chronologie, das ist doch überholt! Und nicht immer den Dom im Zentrum, ist doch langweilig. Sondern mal durch die Geschichte zu schauen: wie verhielt es sich mit Männern und Frauen, wer und was war oben oder unter, Inklusion und Exklusion. Außerdem wollen wir natürlich die Frage des Museums an welchem Ort weiter offen halten!
 
Wie willst Du das erreichen?
Natürlich durch öffentliche Quälerei. Wie immer. Am Protest hat sich ja methodisch nichts geändert. Protest sagt immer: erst musst Du aufmerksam machen, auch auf bessere Lösungen
 
Hast Du den Severinsbürgerpreis verdient?
Ich …ähh – da geb´ich keine Antwort drauf!
 
Vielen Dank!

 

Text: Judith Levold

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