Buchtipps nicht nur zum Fest
Mittwoch, 19. Dezember 2012 | Text: Gastbeitrag
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Das Weihnachtsfest kommt jedes Jahr so plötzlich – ehe man sich versieht, prangt der 24ste am Kalender, und noch kein Geschenk ist gekauft. In diesem Momenten kommen Büchertipps wie die folgenden gerade richtig.
Das Weihnachtsfest kommt jedes Jahr so plötzlich – ehe man sich versieht, prangt der 24ste am Kalender, und noch kein Geschenk ist gekauft. In diesem Momenten kommen Büchertipps wie die folgenden gerade richtig. Das Team von „Der andere Buchladen“ hat die folgenden Tipps für die Leser von „Meine Südstadt“ zusammen gefasst.
Neal Stephenson, Error
Übersetzung: Gräbener-Müller, Juliane; Stingl, Nikolaus
Manhattan 2012, 1023 Seiten, 24,99 €
Richard Forthrast, der Schöpfer des überaus populären Online- Spieles T´Rain, hat ein Problem. Seine Nichte Zula ist verschwunden. Nachdem er ihr einen Job in seinem Imperium verschafft hat, gehen einige Dinge schief – sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt. Von Zula fehlt jede Spur, und bevor er auch nur ansatzweise versteht, was eigentlich die Ursache dafür ist, befindet er sich in einem turbulenten Abenteuer. Neal Stephenson, der Schöpfer von „Cryptonomicon“ und des opulenten „Barock Zyklus“, hat durch seine Werke Begriffe wie Avatar geprägt und zählt zu den maßgeblichen Vertretern des Cyberpunk. Seine Stärken liegen sowohl in der visionären Erzählkunst des Science- Fiction Autoren als auch in der akribischen Arbeit eines Schriftstellers, der den Leser in vergangene Zeiten führt. Stephenson ist reich in seiner Wortgewalt und Phantasie. Dennoch sind seine Geschichten humorvoll und mit feinem Witz gewürzt.
Kai Maß: „Dieses Buch sei jedem empfohlen, der Freude an kunstvoll verwobenen Erzählsträngen und informativer Unterhaltung hat.“
Leaf Fielding, Hippie Business
Übersetzt von Marion Hertle
Walde und Graf bei Metrolit 2012,
256 Seiten, 22,95 €
1977 gelang der britischen Polizei nach Jahren der Überwachung ein Schlag gegen zwei Drogenringe, die für den Vertrieb von Millionen von LSD-Trips verantwortlich waren. Mittendrin steckte Leaf Fielding, der seine Sicht der Dinge in dem Buch „Hippie Business“ darstellt. Leaf Fielding: Aussteiger, Weltenbummler, Biofood- Verkäufer. Als Kind der 60er geraten für ihn nach seinem ersten LSD- Trip bürgerliche Normen ins Wanken; er glaubt, dass die Menschheit durch die Einnahme von LSD zu einer besseren Gesellschaft werden könne. Sein Weg vom kleinen Dealer bis zum größten Verkäufer und Produzenten der Droge ist gespickt mit Anekdoten und Erlebnissen, die ihresgleichen suchen. Keineswegs den Drogenkonsum verherrlichend, führt Fielding den Leser durch knapp zwei Jahrzehnte seines Lebens. Man nimmt an völlig schrägen Reisen teil, lernt Menschen namens Electric Eel kennen und teilt Fieldings trostlose Zeit in englischen Gefängnissen. Dabei erkennt man erstaunt, dass der Autor eigentlich ein netter Junge ist.. „Der andere Buchladen“ weist alle Leser auf dieses Buch hin, die einen Blick hinter die Kulissen des Drogengeschäftes werfen wollen. Abseits von knallhart erzählten Krimis stellt diese Biographie eine ebenso spannende wie informative Lektüre dar.
Karl Marlantes, Matterhorn
Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
Arche Verlag 2012, 669 Seiten, 24,95 €
Waino Mellas ist 19 Jahre alt und Second Lieutenant des Marine Corps. 1969 toben die Gefechte des Vietnamkrieges auch an der Grenze zu Laos und dem Norden des Landes. Als unerfahrener Offizier bekommt er den Auftrag, mit seinen Männern einen Hügel mit dem taktischen Namen Matterhorn einzunehmen, um dort eine Artillerie-Basis zu errichten. Seine Mission hat Erfolg, doch ein neuer Befehl zwingt ihn, die gewonnene Position aufzugeben. Kaum den mörderischen Kämpfen im Dschungel entkommen, erwartet ihn und den Zug Marines eine weitere Herausforderung: die Rückeroberung des Hügels – denn mittlerweile hat sich der Feind in den ausgebauten Stellungen festgesetzt.
Karl Marlantes hat 30 Jahre an diesem beeindruckenden Roman geschrieben. Als Veteran des Vietnamkrieges verarbeitet er darin seine Erfahrungen und Erlebnisse. Der hochdekorierte Ex-Offizier ist dabei in der Lage, dem Leser einen schonungslosen Blick in das Leben und Sterben derjenigen Männer zu vermitteln, die an diesem Krieg teilnahmen. Fern von Pathos und falscher Soldatenromantik zeichnet der Autor detaillierte Charaktere und will dabei weder schockieren noch beschönigen. Die Ehrlichkeit dieses Kriegsromans tritt in jeder Zeile zutage; selten vermischen sich erzählerische Kraft und profundes militärisches Wissen zu solch einem Gesamtbild.
Ingeborg Drews, Mein Paris trägt grüne Schuhe
Roland Reischl Verlag 2012,
322 Seiten, gebundene Ausgabe.
„Wild“ wächst sie auf, ihr Spielplatz sind die Kriegstrümmer des Kölner Vorstadtviertels. Als es jedoch für die Erwachsenen wieder aufwärts geht, stößt Laura Wassenberg mit ihren eigenen Ideen zu Hause auf Unverständnis. Immerhin kann sie bei ihrer Gebrauchsgrafiker-Lehre die Freude an der Malerei ausleben. Und sie findet einen Ort, der ihr als Insel der Glückseligen erscheint: die Eisdiele des Pierluigi „Gigi“ Campi an der Hohen Straße in der Innenstadt. Hier swingt es, treffen sich Künstler, Jazz-Musiker und andere „Typen“. Fasziniert vom kosmopolitischen Ambiente, wagt Laura den Ausbruch. Nahezu mittellos fährt die 21-Jährige nach Paris, um an einer Kunsthochschule zu studieren. Wird sie die Hürden meistern? Angelehnt am Nouveau Roman zeichnet Ingeborg Drews in ihrer autobiografischen Erzählung den Weg nach, den Laura im Jahre 1960 über die Champs Élysées beschreitet: äußerlich gefasst, aber gedanklich voller Sprünge zwischen Vergangenem und Zukunft, Elternhaus und Künstlerleben, deutschem Nachkriegs-Mief und der Bohème.
Tipps von Friederike Dobisch
Gaito Gasdanow
– Das Phantom des Alexander Wolf
Übersetzt von Rosemarie Tietze
Hanser Verlag, 190 S., geb., 17,90 €
Meisterhaft komponiert, stilistisch hervorragend, großartig übersetzt! Ein russischer Klassiker ist zu entdecken: Gaito Gasdanow, 1903 in Sankt Petersburg geboren und 1971 in München gestorben, ist einer der wichtigsten russischen Exilautoren. Der Ich-Erzähler dieses 1947 erschienenen Romans erinnert sich, wie er im russischen Bürgerkrieg einen Mann niederschoss und auf dessen weißem Pferd floh. Als er dieses tragische Erlebnis Jahre später in einem Buch bis ins kleinste Detail beschrieben sieht, macht er sich auf die Suche nach dem Autor dieses Buches…..
Julie Otsuka – Wovon wir träumen
Aus dem Englischen von Katja Scholtz
Mare Verlag, 160 S., 18 €
„Auf dem Schiff waren die meisten von uns Jungfrauen.« So beginnt die berührende Geschichte einer Gruppe junger Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Picture Brides von Japan nach Kalifornien reisen, um japanische Einwanderer zu heiraten. Bis zu ihrer Ankunft kennen die Frauen ihre zukünftigen Männer nur von den strahlenden Fotos der Heiratsvermittler, und auch sonst haben sie äußerst vage Vorstellungen von Amerika, was auf der Schiffsüberfahrt zu wilden Spekulationen führt: Sind die Amerikaner wirklich behaart wie Tiere und zwei Köpfe größer? Was passiert in der Hochzeitsnacht? Wartet jenseits des Ozeans die große Liebe? Aus ungewöhnlicher, eindringlicher Wir-Perspektive schildert der Roman die unterschiedlichen Schicksale der Frauen: wie sie in San Fransisco ankommen (und in vielen Fällen die Männer von den Fotos nicht wiedererkennen), wie sie ihre ersten Nächte als junge Ehefrauen erleben, Knochenarbeit leisten auf den Feldern oder in den Haushalten weißer Frauen (und von deren Ehemännern verführt werden), wie sie mit der fremden Sprache und Kultur ringen, Kinder zur Welt bringen (die später ihre Herkunft verleugnen) – und wie sie nach Pearl Harbor erneut zu Außenseitern werden.
Joanna Bator – Sandberg
Aus dem Polnischen von Esther Kinsky
Suhrkamp Verlag, 331 S., 11,99 €
Endlich mal wieder ein richtig guter Roman, der sowohl inhaltlich als auch sprachlich überzeugt. Mit großer Erzählfreude bringt uns Joanna Bator das Leben in dem niederschlesischen Ort Walbrzych näher. Dort wohnen Menschen, die nach dem Krieg aus den polnischen Ostgebieten in die ehemals deutsche Bergbauregion umgesiedelt wurden. So auch die Familie Chmura, die im 9. Stock einer Plattenbausiedlung lebt, die auf einem sandigen Abraumhügel gebaut wurde. So unsicher wie der Untergrund der Häuser sind auch die Lebensläufe dieser entwurzelten Menschen. Deshalb versuchen sie, Sicherheit durch sozialen Aufstieg und Halt in einer engstirnigen Normalität zu finden. Leider entspricht das einzige Kind der Chmuras zum Entsetzen der Mutter so gar nicht den geforderten polnischen Kriterien. Die Tochter Dominica ist weder blond noch blauäugig, sondern rundum dunkel und fremdartig – die geborene Außenseiterin, die sich dazu noch zu den wenigen Andersartigen in dieser auf Konformität bedachten Gesellschaft hingezogen fühlt. Aber nicht nur diese Familiengeschichte trägt das Buch. Es gibt viele Nebenfiguren, mit denen Bator lebensnah und anrührend den trostlosen Kosmos der 70er Jahre füllt. Und das alles in einer fast poetischen, phantasievollen und trotzdem nie die Realität verfehlenden Sprache.
Kim Leine – Die Untreue der Grönländer
Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein
Suhrkamp Verlag, 331 S., 9,99 €
Sind Grönländer untreu? Die Bewohner der kleinen Siedlung in Ostgrönland, wo es gut acht Monate im Jahr dunkel ist, sind jedenfalls keine Kinder von Traurigkeit: Sie feiern und genießen, lieben und betrügen einander. Hierher verschlägt es den Dänen Jepser aus Kopenhagen. Völlig unvorbereitet auf das, was auf ihn zukommt, beginnt er mit seiner Arbeit als Leiter der örtlichen Krankenstation. Er behandelt alkoholisierte Tuberkulosekranke genauso wie fiebrige Kinder und zieht auch mal einen Backenzahn. Vor allem behandelt er der Reihe nach die Spielerinnen des örtlichen Fußballvereins – und erlebt mit ihnen sein blaues Wunder.
Arktische Stürme, Bären im Keller und Schüsse aus dem Dunkeln, Orgien in Salomons »Diskutek« und ein Pokalsieg der Frauenfußballmannschaft – der dänische Schriftsteller erzählt schaurig-schöne Geschichten von ausgelassenen Grönländerinnen, die es mit der Treue nicht so ernst nehmen.
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