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Auf ein Kölsch mit...

„Gibt nichts Dauerhaftes außer der Veränderungen“

Donnerstag, 3. Dezember 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

…steht auf dem Schild an der Wand, direkt neben dem Dönerspieß. Eine Tafel voller Lebensweisheiten. So kann man sich das Warten auf die Falafel verkürzen mit Sprüchen wie „Bevor wir Rechtes wissen, was das Leben heißt, ist es schon halb vorbei“. Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. Dinge, die unveränderlich schienen, verschwinden, tauchen woanders wieder auf oder sind für immer in der Erinnerung derer versenkt, die sie wertschätzten. Wie gerne denkt man an seine Kindheit zurück und stellt fest, dass das, was elementar schien, fort ist.

 

Der Imbiss Peperoni hat nach siebzehn Jahren seine Türen für immer geschlossen. Das mag pathetisch klingen, aber für die vielen Stammgäste und die Bewohner des gegenüber gelegenen Johanneshauses ist es ein einschneidender Eingriff in ihren liebgewonnenen Alltag. So schreibt jemand in unserer Facebook-Gruppe: „Mehran ist einer der nettesten Menschen, die ich hier in der Südstadt kenne. Er backt nicht nur leckere Pizza, er ist auch für viele, viele Menschen im Viertel Anlaufstelle und heimlicher Sozialarbeiter.“ Meine Kollegin und Freundin, Fotografin Barbara Siewer sagt, bei ihm gibt es den „besten Falafel“, und Barbara hat die Welt gesehen und weiß, wovon sie spricht.

 

Am vorletzten Tag gehe ich ins Peperoni und bitte Mehran um ein Interview. Er steht wie jeden Tag hinter der Theke und legt Rotkraut auf ein Stück Brot. Er ist sehr freundlich, aber hat gar keine Zeit. Wir vertagen unser Gespräch auf die Woche danach, „dann habe ich sehr viel Zeit; am Sonntag muss ich hier draußen sein“.

Ich schaue mich in dem Imbiss um. Man sieht ihm seine 17 Jahre an. Ein Südstädter, den ich vom Sehen kenne, kommt herein und knüpft nahtlos an ein Gespräch an, das er wohl vorher schon mit Mehran hatte. Mehran greift in die gläserne Theke nach einer Flasche Ouzo und schenkt dem Gast in ein Schnapsglas ein. Ich gehe zu einer kleinen Familie, die an einem der Tische sitzt und Pizza und Pommes isst.

„Wir kommen jeden Dienstag, Freitag und Samstag her. Es gibt hier sonst keine guten Pommes.“ Die Drei wohnen um die Ecke, und auch alle anderen Mietparteien ihres Hauses kommen regelmäßig zum Essen ins Peperoni. „Hier schließt die letzte Bastion der alten Südstadt. Mehran war auf eine Art wie die Mama. Wer das war? Eine griechische Mama in der Kittelschürze, die hat uns Kindern an Karneval immer Pommes geschenkt. Das war dort, wo jetzt die Speisekammer drin ist.“

 

Mehran Mombini und ich sitzen im Café. Es ist die Woche danach. Sein Laden ist leer. Am  letzten Freitag hat er nochmal alle seine Freunde und Stammgäste zu einem letzten Essen eingeladen. Jetzt ist es vorbei. „Es ist für mich ungewohnt, einfach hier zu sitzen und einen Kaffee zu trinken. Ich habe das nie gemacht. Jetzt würde ich eigentlich Brötchen schmieren.“ Sieben Tage die Woche hat er gearbeitet, nur fünf Tage im Jahr war der Laden geschlossen. 360 Tage im Jahr, 17 Jahre lang.

 

360 Tage im Jahr, 17 Jahre lang im „Peperoni“ gestanden.

 

„Letzte Nacht konnte ich nicht einschlafen. Da habe ich im Bett gelegen und mir ausgerechnet, wie viele Brötchen ich in all den Jahren selbst gebacken und selbst geschmiert habe. Vor fünfzehn Jahren habe ich damit angefangen. Ich bin auf 270.000 Brötchen gekommen.“ Es sind die fünfzig Brötchen, die er jeden Tag an Menschen verschenkt hat, die hungrig und ohne Geld in seinen Laden kamen. Mehran, der Sozialarbeiter. „Ich habe immer nur mit Essen geholfen, nie mit Trinken.“

 

Mehran Mombini kam vor 35 Jahren aus dem Iran nach Köln. Eigentlich wollte er in die USA, aber als der Iran amerikanische Geiseln nahm, war das Studium in den USA aus politischen Gründen nicht mehr möglich. Sein Cousin schlug ihm vor, in Köln an der Sporthochschule zu studieren. Er bekam ein Stipendium vom iranischen Staat, 800 Dollar im Monat, und zog nach Köln. Zwei Monate, nachdem er das Studium aufgenommen hatte, begann der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, und das mit den 800-Dollar-Stipendium war Geschichte. So begann er mit Gelegenheitsjobs.

 

Wenn man jung ist, jobbt man in der Gastronomie. Jahrelang arbeitete er mal hier, mal da, und ab 1986 fest in der Opera an der Alteburger Straße. 1998 wurde er 40 und spürte, dass etwas Neues passieren muss. Da machte auch gerade der kleine Imbiss neben der Opera zu. Ein alter Grieche hatte dort 21 Jahre lang seinen kleinen Laden (1977-1998). Mehran nahm einen Kredit über 130.000 DM auf und kaufte dem alten Herrn den Imbiss ab. „Friteuse, Backofen, Stühle, Tische, tolle Lage. Man konnte Geld verdienen.“ Die Ära Peperoni begann.

 

Familie hat Mehran keine. „Ich bin nie dazu gekommen. Ich stand 12 Stunden am Tag im Laden. Ich war mit meinem Laden verheiratet. Ich hatte nicht mal ein Handy.“ Er packt das Handy aus, das er sich gestern gekauft hat und sucht seine Telefonnummer raus, die er mir gibt. Mehran sagt: „Ich habe mir gestern Abend seit sechs Jahren wieder was zum Essen gekocht. Ungewöhnlich.“

 

Während er mir von der Geschichte erzählt, wie es zur Schließung des Ladens kam, und es ist eine Geschichte, die mit dem Vermieter und dem Nachmieter zu tun hat, und wo ich beide Seiten hören müsste, um sie hier aufschreiben zu können, während er mir also die Geschichte erzählt, die ihn aufwühlt und beschäftigt, kommen immer wieder Menschen vorbei, die ihn grüßen. Es scheint, als kenne ihn jeder Passant, und die meisten sind erstaunt, ihn hier sitzen zu sehen, einfach so, beim Plaudern bei einer Tasse Kaffee mit einer Frau.

 

Ein Passant setzt sich zu uns.: „Mehran, Du hier? Ich habe Dich noch nie woanders als in Deinem Laden gesehen.“ „Ja“, antwortet Mehran, „ein Freund sagte neulich zu mir: Endlich bist Du raus aus dem Kloster.“ Der Passant sagt zu mir: „Sie schreiben über Mehran? Dann muss auf jeden Fall drin stehen, dass er einen neuen Laden sucht. Hier in der Südstadt.“

 

Hiermit ergeht also ein Aufruf: Mehran sucht ein neues Lokal zu kostengünstigen Konditionen Nähe Bonner Straße. Wer was weiß, darf sich gerne bei uns melden. Wir leiten es an Mehran Mombini weiter.

 

 

 

Text: Jasmin Klein

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