Gouda to go
Montag, 3. Juni 2019 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Komme ich nach einwöchiger Abwesenheit nach Hause, piept´s bei mir im Garten. Testet da einer seinen neuen Rauchmelder oder sonst eine Alarmanlage? Nach ein paar Stunden dieselben Geräusche nochmal. Diesmal tuckert im Schritttempo ein fetter SUV durch den Torbogen auf den Parkplatz im angrenzenden Hinterhof. Aha, vermutlich ein Neubewohner. Weil sein überdimensionierter Kinderwagen aber offenbar so breit ist, dass seine Sensoren beidseitig drohende Feind-, bzw. Wandberührung melden, sendet die Karre fiepende Warntöne aus. Derart alarmiert, passiert der vorsichtige Wagenlenker das Hindernis jedes Mal in der kleinstmöglichen Geschwindigkeit. Weshalb sich die nervige Piepserei jedes Mal locker über zwei Minuten hinzieht. Vermutlich könnte man den Alarm auch abschalten. Aber dann wüsste der Mann in seinem Großraum-Vehikel ja nicht, dass da zwei Wände in seiner Nähe sind. Einfach nach links und rechts zu schauen, wäre eventuell auch eine Möglichkeit, aber wozu hat man schließlich all diese wunderbaren Sensoren mit ihren Warntönen? Wer sich so klein fühlt, dass er meint, zur Personenbeförderung einen Traktor fahren zu müssen, sollte doch vielleicht wirklich aufs Land ziehen, wo es noch vielfach um die Frage geht, wer den Größten hat.
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Tanzetage Köln – Jeder Mensch ist ein TänzerAuslauf im Anhänger
Ich war seit ewigen Zeiten mal wieder an der holländischen Küste. Wohin mich normalerweise absolut nichts zieht. Aber weil Freunde zu einem wunderbaren Fest dorthin geladen hatten, musste das mal sein. Also Zelt ins Auto und los. Bei der Anreise entlang der Deiche fielen mir die vielen Senioren auf, die hinter ihren E-Bikes geschlossene Fahrrad-Anhänger hinter sich herzogen, wie man sie von Kindertransporten in der Südstadt kennt. Erstaunlich, dachte ich mir, all diese Großeltern, die mit ihren nicht schulpflichtigen Enkeln in die Ferien fahren. Auf dem Campingplatz angekommen, fuhren dann alsbald auch einige dieser Radler mit Anhang vor. Doch aus den mitgeführten Wägelchen sprangen dann keineswegs missgelaunte Kleinkinder sondern durchweg kläffende Hunde in allen Größen hervor. So sieht das also aus, wenn Bello im Urlaub Auslauf bekommen soll. Bei näherer Betrachtung stellten sich die Anhänger als ausgeklügelte Spezialfahrzeuge heraus. Mit Halterung für Wasserflaschen und seitlich angebrachten Befestigungen für Trink- und Fressnäpfe. Wusste gar nicht, dass es auch dafür inzwischen einen Markt gibt. Überhaupt scheinen Wohnmobilisten nicht mehr ohne Hund zu reisen. Schließlich sind die Tierchen ja auch eine wunderbare Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Herrchen und Frauchen erwarten geradezu, dass zweibeinige Neuankömmlinge auf dem Areal erstmal den Hund kraulen, ihm mit Sätzen wie „Du bist aber ein Feiner!“ ihre Aufwartung machen und anschließend die Eigentümer nach Rasse, Alter und Stammbaum des Hundes befragen. Wer wie ich Bellos nicht sonderlich zugetan ist, derlei Begrüßungsrituale verweigert und lediglich mit einem Zelt unterwegs ist, wird für die Zeit seines Aufenthaltes mit missbilligenden Blicken bestraft.
Wenn die Hundis nicht gerade ausgefahren werden, hocken sie wie ihre Besitzer wortlos vor ihren mobilen Eigenheimen und warten darauf, dass es Zeit für die nächste Mahlzeit wird. Diesbezüglich tun sich Holländer und Deutsche (andere Nationen waren nicht vertreten) übrigens nichts.
Nachhaltiger Kitsch
Was ich gegenüber früheren Jahren vermisse, ist das paarweise Ausrichten der Satellitenschüsseln auf den Wohnmobilen bei Ankunft auf dem Campingplatz. Während die Frau des Hauses auf den Fernseher blickte, machte sich Männe auf dem Dach an der Schüssel zu schaffen. Von drinnen kamen dann immer Kommandos wie „rechts“, „bisschen zuviel“ oder „etwas nach links“. Das Ritual konnte locker zehn Minuten dauern, bis irgendwann der finale Befehl kam: „Stop! Is´ gut so. Nicht mehr bewegen!“ Im High-Tech-Zeitalter hört man hingegen nur noch ein leichtes Surren, mit dem die Schüssel vollautomatisch hochgefahren und ausgerichtet wird.
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LutherkircheWas ich in den touristischen Hochburgen längs der Küste auch vermisst habe, sind die klassischen Andenkenläden. Früher gab es dort in jedem Kaff mindestens einen Souvenirshop, in dem man lebensnotwendige Dinge wie Schneekugeln mit Windmühlen drin, allerliebst bemalte Aschenbecher, Sets mit Schnapsgläsern mit landestypischen Motiven oder bunte Miniatur-Holzschuhe als Schlüsselanhänger erstehen konnte. Heute sind diese Läden Lokalitäten gewichen, in denen allerlei Deko-Plunder für Heim und Garten feilgeboten wird. Windmühlen und Tulpen aus Holz, Kerzen im Glas mit Nordsee-Sand und alles Erdenkliche in Filz. Potthässlicher, aber vermutlich total nachhaltiger Kitsch.
Hollands Küsten zugemüllt
Ansonsten hat der Holländer ja mit der Nachhaltigkeit erstaunlich wenig am Hut. Zumindest stehen in jedem Supermarkt massenhaft transparente Plastikbecher mit Deckel in der Kühlung, in denen Preziosen wie ein paar dicke Scheiben Salami, sieben geschmacklose Gouda-Würfel, Oliven und sonstige Antipasti, Gurkenscheiben, Mini-Tomaten und diverse vorgeschnittene Obstsorten angeboten werden. Essen to go im Kunststoffbecher. Wo sich hierzulande unsere Discounter inzwischen zaghaft mühen, Obst und Gemüse mit etwas weniger Plastik unters Volk zu bringen, scheinen unsere Nachbarn diesbezüglich kaum Hemmungen zu haben. Dabei stehen die gefüllten Kunststoffbecher keineswegs nur in den Supermärkten in Strandnähe für den kleinen Imbiss zwischendurch. Auch in den Märkten im nahen Rotterdam bot sich dasselbe Bild. Ich will den Holländern ja im Prinzip nichts Böses, aber ich fände es eigentlich nur gerecht, wenn all ihre Becher irgendwann an ihren sandigen Gestaden angespült würden. Wäre doch praktisch. Bräuchte man für die Kinder nicht eigens Schüppchen und Eimerchen mitzunehmen.
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