He’s got the blues
Montag, 30. Januar 2023 | Text: Jasmin Klein | Bild: Rainer Bültner;
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Richard Bargel feiert sein 50-jähriges Bühnenjubiläum in der COMEDIA
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeRichard Bargel ist Deutschlands bekanntester Bluesgitarrist. Er tritt seit 1970 international auf zahlreichen Festivals, in Blues- und Jazzclubs, Kulturzentren und auf Open Airs auf. Er etablierte den ersten, deutschen „Blues Award“ innerhalb seiner Talkin’ Blues Show. Und damit nicht genug, er veröffentlicht Gedichte, fertigt Karikaturen an, steht als Schauspieler auf der Bühne und komponiert Filmmusik. Im selben Semester wie Wolfgang Niedecken hat er mal Kunst studiert, machte mit Klaus der Geiger Straßenmusik, und spielte zusammen mit Musikgrößen wie Elvis Costello oder Miriam Makeba. Am 4. Februar feiert er mit der Präsentation seines neuen Albums in der Kölner COMEDIA 50 Jahre Bühnenjubiläum.
Von New York ins Filos
Ich treffe Bargel dort, wo er seit vielen Jahren sein „Büro“ hat und Selbstgedrehte und Espresso genießt: Im FILOS in der Kölner Südstadt. Er kommt gerade aus New York, wo er mit dem angeheirateten, amerikanischen Teil seiner Familie Weihnachten im eiskalten Schnee gefeiert hat. Er wirkt ausgeruht und aufgeweckt. Wir kennen uns von einem Interview zu dem Theaterstück „Das Volk will singen“, denn Bargel ist nicht nur Musiker, sondern wie gesagt auch Schauspieler (und seit Ausbruch der Coronapandemie auch Straßenfotograf – folgt ihm einfach auf Facebook, wo er die Fotos veröffentlicht).
Wie hat Dich der Blues gepackt?
Ich habe mit 12 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Damals noch viel Folk, irische Songs und französische Chansons, aber auch Brecht oder Degenhardt. Freunde haben mich später mit dem Blues vertraut gemacht. In Köln gab es 1970 einige wenige Plattenläden mit Jazzmusik, und die hatten auch 1-2 Bluesplatten. Mich faszinierte diese Slide – Technik, der exotische Sound der Gitarre, den ich so noch nie gehört hatte. Am Anfang übte ich diese Bottleneck-Technik mit dem Rohr auf dem Finger – man stimmt die Gitarre auf einen Akkord, aber dann sitzen die Töne wiederum ganz woanders. Das habe ich mir draufgeschafft, und ich war einer der wenigen in Deutschland, die das konnten.
Härtere Umstände für Musiker
Ich war 15, als mein Vater starb. Ich warf die Schule und meine Lehre als Off-Set-Drucker hin und studierte an der Werkkunstschule in der Südstadt. Dort blieb ich aber auch nur ein paar Semester. Alle haben damals Pimmel gemalt, weil das angeblich so toll war, und der Professor ließ sich kaum blicken. In der Luxemburger Straße gab es in einem ausgebombten Haus eine Künstlerkommune mit Lese- und Aktionsräumen. Ich fand es dort viel aufregender und widmete mich weniger der bildenden Kunst, sondern mehr der Musik. Ich reiste nach London und Birmingham und spielte dort jeden Abend in mehreren Läden. Ein Freund, Warrick Reynolds, lebte als Fotograf in London und hat mich mit seinem kleinen Auto von Club zu Club gefahren. Dort konnte man „Floorspots“ machen, also 2-3 Songs vor dem eigentlich Hauptprogramm spielen. Das Publikum lernte einen kennen, und wenn es gut lief, konnte man einen eigenen Gig klarmachen. Geld gab es natürlich keins. Und das Bier musste man oft auch noch selbst bezahlen. (lacht) Es gab in England viele Gelegenheiten, live zu spielen, aber die Umstände waren härter als in Deutschland. Aber mir gefiel die Möglichkeit, meine Musik in anderen Ländern und gemeinsam mit anderen Musikern zu auszuprobieren.
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Hair Room – Erkan ist wieder zurück!Deprimierte Stimmung unter Kölner Musikern
1977 habe ich bei Ornament Records, einem Label des Koblenzer Ziggy Christmann, der bislang ausschließlich schwarze Bluesmusiker promotet hat, mein erstes Album „Blue Steel“ veröffentlicht. Das war ein Hammer: ich als weißer, zwei Meter großer Mann, mit langen, lockigen Haaren, die einen halben Meter vom Kopf abstanden, spielte den Blues und füllte mit meiner Erscheinung und einer großen Wut im Bauch die Bühne. Die LP wurde ein großer Erfolg, und meine Musik wurde im Radio gespielt.
Im Gegensatz dazu herrschte in Köln zu dieser Zeit unter Musikern eine eher deprimierte Stimmung. Alle hingen an den Kneipentheken und jammerten: „ich muss hier weg!“. Meine damalige Freundin und ich haben das dann einfach getan: wir stiegen in unseren VW-Bus und fuhren nach Montpellier. Ich habe mir das ganz toll vorgestellt: mit dem Erfolg des Debutalbums im Rücken leben wir im warmen Südfrankreich, und von dort koordiniere ich meine Gigs durch ganz Europa. Wie naiv! Denn das war gar nicht so einfach: wir hatten kein Telefon, ich konnte kaum Französisch, und die damalige Deutschenfeindlichkeit war auch nicht gerade hilfreich. Nach sechs Jahren, vielen Eindrücken und einem Karriereknick kehrte ich 1984 nach Köln zurück.
Musikerparadies Deutschland
Deutschland dagegen war schon immer ein Musikerparadies. Viele Amerikaner kamen hier her auf Tour, durften in Hotels schlafen, bekamen Essen und spielten auf großen Festivals, während sie in den USA für einen Appel und ein Ei vor einem Dutzend Zuschauern spielten.
Rückblickend auf 50 Jahre: wie wäre es, heute als Bluesmusiker starten zu wollen?
Die Musikclub- und Livemusikszene ist in den letzten Jahren sehr runtergekommen. Jetzt ist es hier wie damals in London, wo man fast noch zahlen muss, um auftreten zu können. Auf dem Land geht das vielleicht noch, aber in den Städten ist es schwer. Ich beneide die jungen Menschen nicht. Andererseits gibt es heute digitale Möglichkeiten, um auf den sozialen Medien einen Durchbruch zu schaffen. Es ist schon eine andere Welt. Es gab viele Zeiten, in denen es sehr schwer war. Aber ich genoss und genieße meine absolute Freiheit, und das ist es mir immer wert.
Platte dann, wenn es wieder sein muss
Seit 1977 mit „Blue Steel“ habe ich weitere zehn Platten aufgenommen. Ich wollte nicht jedes Jahr eine Platte rausbringen, nur um ständig in der Presse zu sein. Dieser Druck lässt die Qualität leiden, das lehnte ich immer ab. Ich habe immer dann Platten gemacht, wenn ich den Eindruck hatte, dass es jetzt wieder sein muss.
Dein neues Album heißt „Dead Slow Stampede“ und wurde von Fabio Nettekovens Label „Clementine Records“ produziert und von Nora van Rijn aufwändig designt. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Ich kannte Fabios Vater Norbert von früher, als der mich auch zu Auftritten gefahren hat. Er rief mich vor 20 Jahren an und bat mich, mir seinen 16jährigen Sohn an der Gitarre anzuhören, der auch sein Herz an den Blues verloren hatte. Ich traf mich mit Fabio und war bass erstaunt: er war ein Genie und spielte den Blues wie ein Alter. Seitdem arbeiten wir immer wieder zusammen, und weil er so viele Saiteninstrumente spielen kann, vom Banjo bis zur Zither, ist das für eine Albumproduktion natürlich super. Uns verbindet eine tiefe Freundschaft.
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Mahal Antiochia – Soulfood aus dem OrientAm Samstag findet das 50-Jahre-Bühnenjubiläum in der COMEDIA statt. Was erwartet die Gäste?
Meine Band und ich werden in der ersten Hälfte das neue Album präsentieren und in der zweiten Hälfte werde ich bekannte und auch unbekanntere Songs spielen. Natürlich kann man auch die CD und T-Shirts und andere Artikel kaufen. Das Album gibt es auch in einer hochwertigen Pressung in Vinyl, sogar in einer Sonderauflage mit blau durchscheinendem Vinyl für Sammler. Jedem Song ist auch eine eigene Karte im Booklet gewidmet, das Albumcover ist mit vielen, kleinen Überraschungen gestaltet.
Vielen Dank für das schöne Interview!
Tickets gibt es in der COMEDIA an der Theaterkasse im Vorverkauf, an der Abendkasse oder direkt hier online.
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