Hier gedeiht was!
Montag, 14. Mai 2018 | Text: Jasmin Klein | Bild: Oliver Köhler
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Gerade lief erstmals eine bundesweite „Aktionswoche Kindertagespflege“. In Köln gibt es mehr als 800 so genannte Kindertagespflegepersonen oder: Tagesmütter und -väter. Die Aktionswoche sollte diese Menschen sichtbar machen, sie kennen lernen und auf die Kindertagespflege als Betreuungsangebot gleichwertig zum Kindergarten für die U3jährigen aufmerksam zu machen.
Initiiert u.a. von Verbänden wie der Evangelischen Familienbildungsstätte oder dem Progressiven Eltern- und Erzieherverband und zusammen mit Fachberater*innen der Kontaktstelle Kindertagespflege gab es stadtweit Aktionen dazu, eine davon auch im Römerpark. Neben einer Luftballon-Performance stellten Kinder, Eltern und Tageseltern Samenkugeln aus Ton und Saatgut her (Seedballs), die die Kleinen natürlich mitnehmen durften. Jasmin Klein war dabei.
Die Sonne strahlt und so trifft man immer jede Menge kleiner Kinder auf dem kleinen Spielplatz zwischen Römer- und Friedenspark. Heute stehen auffällig viele Erwachsener mit auf dem Spielplatz: Aktionstag Kindertagespflege! Gelbe, gasgefüllte Luftballons mit Logo deuten auf die Feierlichkeit hin. Am Sandkasten und an einem langen Tisch unter dem Sonnenschutz rollen kleine Kinderhände Blumensamen in Tonerde, um Seedballs herzustellen.
Am Sandkasten treffe ich Bärbel van Dawen. Die Südstädterin ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet seit Mitte der Neunziger Jahre in der Qualifizierung von Kindertagespflegepersonen, beim FamilienForum Deutz-Mülheim.
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Dreiling Orthopädie-SchuhmacherWarum gibt es diese Aktionswoche?
Bärbel van Dawen: „Durch bundesweite Aktionen soll auf die hohe Qualität der Kindertagespflege aufmerksam gemacht werden. Eltern wollen vorrangig Kitaplätze, obwohl eine Umfrage des Deutschen Jugend Institutes die hohe Zufriedenheit von den Eltern zeigt, die Kindertagespflege in Anspruch nehmen. Die größte Sorge, die die Eltern früher hatten, dass nämlich bei Krankheit einer Tagesmutter oder -vater die Betreuung komplett ausfällt, ist inzwischen durch die Vertretungsregelung weitgehend hinfällig: Vertretungskräfte übernehmen stundenweise. Kindertagespflegepersonen benötigen eine Pflegeerlaubnis, ihre Eignung und ihre Räumlichkeiten werden überprüft, und man muss an einer Qualifizierung teilgenommen haben. Regelmäßig kommt auch das Jugendamt vorbei und sieht nach, wie mit den Kindern umgegangen wird und nimmt die Räume in Augenschein.“
Brigitte Müller kommt dazu. Sie koordiniert und leitet die Kontaktstelle Kindertagespflege Köln.
Ab wann kann man denn ein Kind auf die Warteliste setzen?
Brigitte Müller: „Sobald es einen Namen und ein Geburtsdatum hat. In der Kölner Südstadt gibt es allerdings mehr Kinder mit Bedarf als Kindertagespflegepersonen. In Stadtteilen mit höherem Anteil von Migranten sind die Vorbehalte vieler Eltern größer, die Kinder in privaterem Rahmen unterzubringen. Da bevorzugt man öffentliche Kindertagesstätten. In eher bildungsbürgerlich geprägten Stadtteilen wie dem Agnesviertel, in Sülz oder in der Südstadt ist die Tagespflege sozusagen erfunden worden. Da war es schon immer so, dass man die Nachbarin fürs Aufpassen bezahlt hat. Seit es den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab einem Jahr gibt, hat sich auch die Gesellschaft gewandelt. Es gibt die Entscheidung vieler Familien, Beruf und Familie zu vereinbaren. Diesen gesellschaftlichen Anspruch haben wir, und den gilt es umzusetzen. Auch Betriebe, Firmen und Unternehmen müssen sich überlegen, wie Familie und Beruf vereinbar wird. Müssen es strikte Arbeitszeiten sein, oder kann man nicht doch mehr Heimarbeitsplätze und flexible Arbeitszeiten schaffen? Die Kindertagespflege ist da besonders für Kinder unter drei Jahren geeignet, denn die Betreuung in einer kleinen Gruppe mit maximal fünf Kindern und einer festen Betreuungsperson entspricht den Bedürfnissen von kleinen Kindern mehr.
Wir brauchen dringend noch mehr engagierte Kindertagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen müssen optimiert werden: Qualifizierung, Fortbildung, Bezahlung, Verteilungssystem, Räume.
Auch Vermieter sind gefragt, für Tagespflegegruppen Räume und Wohnungen zur Verfügung zu stellen.“
Wie ist das mit der Bezahlung?
Brigitte Müller: „Die Stadt Köln zahlt den Platz genauso, wie sie jeden Kita-Platz zahlt, und die Eltern beteiligen sich mit einem einkommensabhängigen Beitrag an die Stadt. Die private Zuzahlung, wie es sie früher gab, ist seit dem Rechtsanspruch auf Betreuung nicht mehr erlaubt.“
Ist mit dem Rechtsanspruch auch die Kontrolle der Tagespflegepersonen gestiegen?
Brigitte Müller: „Die Kontrolle ist gestiegen, seit es Tagesmütter und -väter eine Qualifizierung nachweisen müssen, um die Pflegeerlaubnis zu bekommen. Damit stieg die Qualität der Kindertagespflege, und dazu gehört auch die Begleitung und Beratung durch das Jugendamt.“
Wie wird man Kindertagespflegemutter oder -vater?
Brigitte Müller: „Nicht jeder ist dafür geeignet. Die Interessenten müssen ein Verfahren durchlaufen, das die Eignung feststellt. Nach § 43 SGB VIII muss man fachlich und persönlich geeignet sind und die Räumlichkeiten, in denen man das machen möchte, auch. Man benötigt keine pädagogische Vorbildung, die erwirbt man in den Qualifizierungskursen, die 9-12 Monate dauern und je nach Qualifizierungs-Träger am Wochenende, abends oder tagsüber stattfinden. Die Qualifizierung endet mit einem Kolloquium und die Teilnehmer*innen erhalten das Zertifikat des Bundesverbandes für Kindertagespflege. Das Jugendamt übernimmt die Eignungseinschätzung und erteilt die Pflegeerlaubnis. Und begleitet die Leute auch auf dem Weg in die Selbstständigkeit: Eigenwerbung, Buchhaltung, all das müssen festangestellte Erzieher ja zum Beispiel nicht machen, und da unterstützen wir auch.“
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Hair Room – Erkan ist wieder zurück!Männer im Kommen
Es gibt immer mehr Tagesväter. Kinder brauchen männliche Rollenvorbilder. Trotzdem ist es noch nicht „normal“, dass Männer diesen Job machen wollen. Aber dass es möglich ist, zeigt Roger Hagel.
Roger Hagel ist seit 2012 Tagesvater. Nach einem Berufsleben in Organisation und Verwaltung wollte er entweder mit kleinen Kindern oder demenziell erkrankten Menschen arbeiten. Seine damalige Nachbarin war Tagesmutter und riet ihm, Tagesvater zu werden.
„Die Kinder und ich sind viel unterwegs, mit dem Fahrrad, machen Ausflüge. Körperliche Fitness ist da wichtig. Ansonsten sind wir kreativ, malen und hören Musik. Und ich koche täglich frisch, was sie am liebsten essen. Was immer geht: Brokkoli, Möhren, und das dann püriert als Soße zu Kartoffelpüree oder Spirelli-Nudeln. Und jeden Morgen besuchen wir den Bäcker und jeder kriegt, was er möchte: Brötchen, Weckchen, Brezel…das hat schon Tradition. Und einmal im Monat lade ich alle ehemaligen Kinder zum Malen ein. Tagesvater zu werden war eine prima Entscheidung. Sowohl für mich als auch für die Kleinen.“
Die Sonne brennt heiß an diesem Maimittag auf dem Spielplatz im Römeropark. Die ersten Kleinen werden müde und reiben sich die Augen. Zeit für die Tagesmamas und -papas, mit Luftballons und Seedballs versorgt, den Heimweg anzutreten. Zum gemeinsamen Mittagessen, und dann natürlich ein Nickerchen. Wer würde das nicht auch schön finden?!
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