Hier lässt man sich gern umgarnen
Dienstag, 29. Juni 2021 | Text: Bettina Brucker | Bild: Bettina Brucker
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Jede Künstlerin wäre begeistert, würde ihr solch ein Name einfallen: Benita Samoray. Doch der Name ist echt und steht so in der Kölner Geburtsurkunde. Der Familienname lässt sich in Osteuropa bis ins 16 Jahrhundert zurückverfolgen. Irgendwann fand er seinen Weg über Bielefeld, wo der Vater von Benita herkommt, nach Nippes, wo Benita geboren wurde. Den klangvollen spanischen Vornamen Benita hat ihre Mutter aus einem Namensbuch rausgesucht, so wie das 1964 üblich war. Über Benita Samoray mit ihren lebendigen, hellen, blauen Augen in dem Gesicht mit Lachfältchen, lässt sich viel erzählen. Ein Blick in ihr Atelier in der Trierer Straße 10 lässt erahnen, dass es ein buntes Leben ist.
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Die Körpermanager® heißen Euch willkommenWolle, überall Wolle. Rote Wolle, gelbe, orangefarbene. Im Spind sind die Knäuel säuberlich nach Farben geordnet, blau, grün, rot, … Selbst die Fächerkörbe sind in der entsprechenden Wollfarbe gehäkelt. Das sieht nicht nur toll aus, sondern ist auch praktisch. Und dann sind in dem kleinen 12 qm-Raum so viele wunderbare Dinge, dass man beim Rumschauen immer wieder etwas Neues entdeckt.
Gehäkelte Bilderrahmen zieren freche Sprüche. Die Halbmondlampe an der Wand hat ein gehäkeltes, gelbes Netzkleid, wenige lose Fäden machen sichtbar: auch hier handelt es ich um eine Handarbeit. Auch der Wasserkanister in der Ecke hat eine wollene Ummantelung. Im Fenster ist gerade Fußball-EM: In der Auslage liegen die Flaggen der teilnehmenden Länder als Topflappen und Untersetzer, dahinter präsentieren sich auf einem Ständer Fußball-Schühchen für Babys – gehäkelt selbstverständlich.
Auffallend in dem bunten Wolltreiben ist die Ordnung. Alles ist bunt, bei manchem überkommt einen ein kurzer Schauer von Kitsch, der im nächsten Entdecken in ein lautes Lachen übergeht, denn die meisten Objekte sind so humorvoll wie ihre Erschafferin Benita. Die Preise für die kreative Handarbeiten sind mehr als fair. Benita weiß, dass man die Arbeitszeit nicht als Preissetzer nehmen kann. „Meine Währung ist vor allem die Freude“, sagt sie.
Resteverwertung
Seit 22 Jahren wohnt Benita hier im „Achtel“, wie sie und ihre Nachbarn in Anlehnung an ein Köbes Underground-Lied liebevoll zum Veedel sagen. Bis im Oktober 2020 wusste kaum jemand, dass Benita „alles, was mir in die Hände kommt“ so wundervoll umhäkelt und umstrickt. Denn da tat sie das in ihrer Wohnung in der 2. Etage und nur das eine oder andere Stück hat sie z. B. auf dem Weihnachtsmarkt am Stadtgarten verkauft. Jetzt kann man im Atelier in der Trierer Straße all die schönen, bunten Woll-Dinge sehen und kaufen und vor allem kann man Benita mit ihrer offenen und humorvollen Art erleben. „Momentan häkele ich eine Krake. Da hat mich ein Freund darauf gebracht, als er mir von der WM-Orakel-Krake erzählt hat.“ Es ist eine Herausforderung, die passenden Farben zusammenzustellen, denn Benita handarbeitet fast ausschließlich mit Woll-Resten. „Da häkele ich den Krakenkopf und auf einmal – ups – ist der Wollknäuel zu Ende und jetzt … welche Farbe passt? Das inspiriert mich in meinem Woll-Fundus zu stöbern, ganz nach dem Motto ‚Das Auge häkelt mit‘“, sagt sie lachend.
Angefangen hat diese Leidenschaft schon früh. Ihre Mutter hatte das Talent aus Nichts etwas Schönes zu machen und stattete ihre Töchter – Benita hat noch drei ältere Schwestern – mit selbst Gehäkeltem, Gestricktem oder Genähtem aus. Ihre ersten eigenen Topflappen in der Grundschule haben einen „furchtbar ungleichmäßigen Rand“ und Benita zweifelt, ob sie das wohl je so toll hinbekommen würde wie ihre Mutter. In den 80ern strickt sie dann so viele Pullover, dass sie sie nicht mehr zählen kann. Immer mehr zeigt sich ihr kreatives Talent und ihr Geschick mit den Nadeln. Hinzu kommt die Freude, Probleme zu lösen, wie sie das von ihrem Vater kennt. So näht sie z. B. Fahrradsattelbezüge aus Wachstuch, als es solche noch nicht zu kaufen gibt. „Und dann werden die schönen bunten Dinger geklaut?“, denkt Benita und nietet kurzerhand ein Loch in den Sattelbezug, so dass man ihn mit dem Fahrradschloss sichern kann.
Statt eines Designstudiums in Düsseldorf – „da hätte ich eine Zeichenmappe einreichen müssen, um dann vielleicht zu lernen, wie man Bettwäschenmuster entwirft“, entscheidet sie sich für eine kaufmännische Ausbildung. Viele Jahre arbeitet sie im kreativ-künstlerischen Umfeld, inzwischen mit einer halben Stelle im Rechnungswesen. Die Zahlen und das Rechnen liegen ihr. „Ich kann gut: Ordnung“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Das zeigt sich auch in ihren Arbeiten: Masche um Masche, Reihe um Reihe fügt sie geduldig aneinander, bis eine Ummantelung, eine Lampe, eine Girlande oder was auch immer ihr einfallen mag, entstanden ist und dem Betrachter oder der Kundin ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
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LottaDie Ideen kommen Benita „beim Blick in eine Tüte mit Wollresten, beim Spaziergang, beim Fernsehen“ … so genau kann sie es gar nicht sagen, irgendetwas stupst sie an und dann will sie einfach nur noch in ihrem Atelier oder bei schönem Wetter davor sitzen und stricken, häkeln und umgarnen. Sie zögert nur kurz, als sich 2020 die Möglichkeit ergibt, den Raum in der Trierer Straße zu mieten. „Mein Wunsch war schon immer ein kleiner Laden mit selbstgemachten Kindersachen. Und jetzt habe ich diesen Raum, der viel mehr ist. Er ist schon in kürzester Zeit zu einem Begegnungsort geworden. Da kommt die Nachbarin und stöbert in den Flohmarktsachen oder die Freunde von der Schmuckwerkstatt nebenan trinken mit mir unterm Sonnenschirm einen Kaffee. Hier ein Schwätzchen, dort ein freundliches Nicken im Vorbeigehen. „Was für ein tolles Glück, dass ich dieses Atelier habe!“
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