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Gesellschaft

Housing First: Vringstreff kauft eine Wohnung für eine wohnungslose Frau

Donnerstag, 6. Februar 2020 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Vringstreff/Pixabay

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Jutta Eggeling macht erst gar keine Anstalten, ihre Freude zu verhehlen. „Ja, es ist gelungen. Wir haben die erste Wohnung in Köln gekauft, in die in Kürze eine wohnungslose Frau einziehen wird“, sagt die Leiterin des Vringstreffs, der Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Wohnung, unterschiedlicher Religionen und Kulturen, hinter der Severinskirche.

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Die gekaufte Wohnung liegt in einem gutbürgerlichen Umfeld in Ehrenfeld. Besonders groß ist sie nicht. Schließlich muss der Kauf finanzierbar sein. Aber für die Frau, die einzieht, wird es nach langer Wohnungslosigkeit eine wegweisende Wende in ihrem Leben sein, wenn sie zum ersten Mal den Schlüssel im Schloss ihrer Wohnungstür umdreht, über die Schwelle tritt und die Tür hinter sich schließt. „Endlich mal für sich sein. Endlich mal nicht mehr warten müssen, bis das Bad frei ist“, beschreibt Jutta Eggeling die auf der Hand liegenden Unterschiede zwischen Wohnung und Notschlafstelle.

Bilderspende von Gerhard Richter

Nun ist es im Moment angesichts der explosionsartig gestiegenen Immobilienpreise kein leichtes Unterfangen, in Metropolen wie Köln eine Wohnung zu kaufen. „Der Vringstreff wurde begleitet vom Housing-First-Fonds“, berichtet Jutta Eggeling. Dieser Fonds wurde gegründet vom Paritätischen NRW und dem Verein Asphalt/fiftyfifty aus Düsseldorf. „Der Housing-First-Fonds versetzt Organisationen der Wohnungslosenhilfe aus ganz Nordrhein-Westfalen in die Lage, den in Deutschland noch wenig verbreiteten, aber sehr vielversprechenden Housing-First Ansatz selbst umzusetzen“, heißt es in einer Erklärung der Verantwortlichen. Geld hat der Fonds auch. Und da kommt Köln ins Spiel. Namentlich der Maler Gerhard Richter, der in Köln lebt. Er ist einer der höchstbezahlten Gegenwartskünstler und hat dem Verein fifty/fifty einige Werke gespendet.

20 Prozent zahlt der Fonds

Bei der Sonderedition handelt es sich um sechs Motive in einer Auflage von je fünf Exemplaren, die Richter fiftyfifty zur Verfügung gestellt hat. Drei der Sets davon zweckgebunden für den Fonds. Der Wert wird auf 1,2 Millionen Euro taxiert. Mit den Mitteln des Fonds werden Finanzierungsgrundlagen zum Ankauf von Wohnungen geschaffen. Kooperationspartner bekommen 20 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie aus dem Fonds gestellt. Auch Umbaumaßnahmen und Kaufnebenkosten können darüber mitfinanziert werden. Darüber hinaus steht das Projekt seinen Partnern beratend und unterstützend zur Seite. Das Projekt wird durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW bis Ende November 2020 gefördert.

„In Düsseldorf wurden bis jetzt rund 40 Wohnungen gekauft“, weiß Jutta Eggeling. Jetzt wird das Projekt ausgeweitet auf ganz Nordrhein-Westfalen. In anderen Städten ist Housing First längst etabliert. Das gilt etwa für Berlin, Münster, Stuttgart und Hamburg. Der Fonds mit dem Richter-Geld zahlt 20 Prozent des Kaufpreises. Woher stammt der wesentliche Anteil von 80 Prozent? Nicht zuletzt von Banken, die der Vringstreff zur Finanzierung ins Boot geholt hat. Die Rechnung ist denkbar einfach, aber trotzdem längst nicht unkompliziert. Die Zinsen für den Kauf einer Immobilie sind im Moment auf historisch niedrigem Niveau. Das macht das Bedienen von Krediten sogar für einen Verein wie den Vringstreff möglich. Hinzu kommt, dass die Frau, die einzieht, Wohngeld von der Stadt bekommt, die so sozusagen über Bande, die Wohnung abbezahlt.

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Das Housing-First-Konzept ist anders aufgestellt als bisherige Hilfsangebote für Obdachlose. Die eigene Wohnung steht am Anfang der Hilfsangebote und nicht am Ende. „Es geht dabei um einen Paradigmenwechsel, der impliziert, dass jeder Mensch wohnfähig ist“, erläutert Vringstreff-Vorstand Hans Mörtter und Pfarrer in der Lutherkirche, die Motivation des Vereins, neue Wege in der Wohnungslosenhilfe zu gehen und sein Engagement um Housing First zu erweitern.

Für manche ist die Annostraße „richtig“

In Düsseldorf hat man mit der „Wohnfähigkeit“ sehr gute Erfahrungen gemacht. Jutta Eggeling spricht von „verschwindend geringen Abbruchzahlen“. Für Jutta Eggeling ist der Housing-First-Ansatz auch deshalb vielversprechend, weil die Wohnungslosen untergebracht werden ohne die üblichen Vorbereitungen wie „Probewohnen“. „Es gibt aber auch Menschen, die was anderes brauchen“, weiß Jutta Eggeling aus langjähriger Erfahrung in der Beratungsarbeit mit Obdachlosen. Für manche sei eben auch die Schlafstelle an der Annostraße „richtig“.

Rat berät über Förderung in Höhe von 5,4 Millionen Euro

Für die Zukunft soll es in Köln nicht bei einer Wohnung bleiben. „Wir möchten auf mittlere Sicht zehn Wohnungen kaufen“, sagt Jutta Eggeling. Da trifft es sich gut, dass am heutigen Donnerstag im Rat ein Antrag von CDU, Grünen FDP und der Gruppe Gut auf der Tagesordnung steht. Mit 5,4 Millionen Euro so die Stadt Housing-First fördern, heißt es da. „Mit dem Geld könnten wir auch eine Stelle finanzieren, die das Ganze koordiniert“, wirft Jutta Eggeling einen optimistischen Blick in die Zukunft.

Text: Stefan Rahmann

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Kommentare

  • Eleonore Ditten sagt:

    Eine Super Idee. Mein Sohn ist auch schon seit Jahren Obdachlos. Im Winter jetzt laße ich ihn in meiner Wohnung schlafen. Ich habe aber nur 50 m3. Das ist für mich und meinen 2.Mann schon sehr belastend.

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